Das Jahr 2009 ist das beste ihrer Karriere. Im Frühling gewinnt Ariella Käslin an der EM zunächst Bronze im Mehrkampf – die erste einer Schweizerin in dieser Disziplin – und anschliessend gar Gold im Sprung. Auch das ist eine Première, Käslin ist die erste Schweizer Turn-Europameisterin.
Eine Woche nach ihrem 22. Geburtstag gehört die Innerschweizerin aus Meggen deshalb auch an den Weltmeisterschaften zum Favoritenkreis. Wenn alles gelingt, dann kann Käslin am Sprung erneut eine Medaille gewinnen. Doch der Wettkampf wird zur Zitterpartie.
Die Pause zwischen ihren beiden Sprüngen ist ungewöhnlich lang. Das Kampfgericht ist sich nicht einig, ob Käslins erster Sprung, der Tschussowitina, gestreckt oder gebückt ausgeführt war. Nach einer Videoanalyse kommt die Jury zum Schluss, dass er gestreckt war – das andere Urteil hätte Käslin 0,4 Punkte gekostet. Käslin lässt sich durch die Diskussion nicht aus dem Konzept bringen: «Ich hatte halt einfach eine längere Pause.»
Sie behält einen kühlen Kopf und steht auch den Jurtschenko, ihren zweiten Sprung, sicher. Hinter der überlegenen Amerikanerin Kayla Williams gewinnt Käslin die Silbermedaille – auch weil die haushohe Favoritin Hong Un Jong aus Nordkorea zwei Mal stürzt.
Auf dem Podest habe sie Hühnerhaut gehabt, schildert Ariella Käslin anschliessend: «Es lief mir kalt und warm über den Rücken. Nach EM-Gold nun WM-Silber, das ist genial, einfach sensationell!»
Trainer Zoltan Jordanov vergleicht seine Turnerin gar mit Lionel Messi. «Sie besitzt die Eigenschaft, sich sehr stark auf ein Ziel zu fokussieren und hat das, was man einen Killerinstinkt nennt. So wie Fussballstar Messi vom FC Barcelona», sagt er der «Luzerner Zeitung».
Dieser kommt Käslin jedoch rascher abhanden, als ihr lieb ist. Im Sommer 2011, nachdem die dreifache Schweizer Sportlerin des Jahres (2008, 2009 und 2010 in Serie) noch einmal EM-Bronze im Sprung gewonnen hat, erklärt sie mit noch nicht einmal 24 Jahren ihren Rücktritt vom Spitzensport.
«Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe auf meinen Körper und mein Herz gehört», erklärt die Turnerin, die die vielen Entbehrungen und das harte Training nicht mehr auf sich nehmen will. Die Olympischen Spiele von 2012 in der Londoner O2-Arena, dem Ort ihres grössten Erfolgs, erlebt Käslin nicht mehr als Aktive.