Was für ein Turnier hat denn bitte Spanien gespielt? Sieben Spiele, sieben Siege, jeder davon überzeugend. Auch im EM-Final war keinerlei Nervosität – lediglich etwas Vorsicht in der ersten Halbzeit – zu erkennen und so ist die «Furia Roja» der verdiente Europameister. Es dürfte also wenig überraschend sein, dass Spanien unser Team des Turniers mit vier Spielern dominiert. Und es hätten auch mehr sein können.
So hätten Marc Cucurella und Fabian Ruiz ebenfalls einen Platz verdient. Doch leider können darin nur elf Spieler vertreten sein. Einer davon ist auch ein Schweizer. Das einzige Land, das neben Spanien mehr als einen Spieler im Team des Turniers hat, ist Frankreich. Nach dem Turnierverlauf wenig überraschend sind beides Defensivleute.
Aber nun zum Eingemachten: Hier ist unser Team des Turniers auf einen Blick, die Begründungen findest du darunter. Und selbstverständlich kannst auch du für deinen jeweiligen Favoriten auf den einzelnen Positionen stimmen – oder einfach hier dein eigenes Team zusammenstellen und in den Kommentaren teilen.
Obwohl es schon ewig her scheint, war Georgien in der Vorrunde die grosse Überraschung. Dank eines 1:1-Unentschiedens gegen Tschechien und dem 2:0-Sieg gegen das schon als Gruppensieger feststehende Portugal qualifizierte sich Georgien bei seiner EM-Premiere gleich für die K.o.-Phase. Einer der Hauptgründe dafür war Goalie Giorgi Mamardaschwili.
Gerade gegen die Tschechen hielt der 23-Jährige vom FC Valencia den Punkt mit sensationellen elf Paraden fest. Insgesamt kam er in vier Partien auf 29 abgewehrte Schüsse – das sind elf mehr als der Zweitplatzierte Niederländer Bart Verbruggen. Zwar kassierte Mamardaschwili insgesamt acht Gegentore, die Hälfte davon im Achtelfinal gegen Spanien (1:4), doch hätten es gemäss «Expected Goals» von Opta noch vier mehr sein müssen. Ein unfassbarer Wert.
Trotz grosser Sorgen und der kurzen Zeit unter Julian Nagelsmann, der erst im letzten Oktober übernahm und im März noch einmal einige Neulinge ins Kader integrierte, wurde das Heimturnier für Deutschland immerhin ein kleiner Erfolg. Dies ist vor allem der Achse um Antonio Rüdiger, Toni Kroos und Ilkay Gündogan, die das Team zusammenhielt, zu verdanken.
Besonders der 31-jährige Innenverteidiger von Real Madrid sorgte mit seiner hervorragenden Defensivarbeit sowie der guten Spieleröffnung für Stabilität und Sicherheit. Rüdiger stellte sich in die Pass- und Schusswege, klärte vor dem eigenen Tor und spielte an dieser EM mit die meisten Pässe ins Angriffsdrittel. Grandios ist auch die Statistik, dass er gemäss fbref.com bei jeder seiner sechs Grätschen erfolgreich war. Weil er beim entscheidenden Gegentor gegen die Spanier aber zu weit weg stand von Torschütze Mikel Merino, wurde Rüdiger am Ende dennoch zur tragischen Figur.
Ebenso ging es Manuel Akanji, der im Viertelfinal gegen England als einziger seinen Penalty verschoss. Doch spielte er bis dahin ein super Turnier und konnte sich auch die Schweiz an der Europameisterschaft auf ihren brillanten Abwehrchef verlassen. Wie Rüdiger eroberte Akanji Bälle zurück, überzeugte aber auch mit seiner Präzision selbst bei langen Zuspielen und leitete so Angriffe ein. Dass die Schweiz die wenigsten Schüsse aufs Tor (2,26 pro Spiel) zugelassen hat, lag nicht zuletzt am 28-Jährigen von Manchester City, der sechs Versuche – und damit die fünftmeisten an der EM – blockte.
Die wohl beste Defensive an dieser EM stellte das offensiv enttäuschend harmlose Frankreich. Bis zum Halbfinal hatte nur Robert Lewandowski gegen die Bleus getroffen – und das per Penalty. Dies lag auch daran, dass die Verteidiger nur wenige gefährliche Schüsse zuliessen. Zwar kamen gegen Spanien dann noch zwei Tore hinzu, doch sind zwei Gegentore aus dem Spiel in sechs Partien eine sehr starke Bilanz. Stellvertretend steht deshalb Abwehrchef William Saliba, der sich durch seine Zweikampfbilanz, das Rückerobern von Bällen, das Klären von Gefahrsituation als auch durch seine Einbindung ins Passspiel profilierte, in unserem Team des Turniers.
Er ist nicht der glanzvolle Ballkünstler, nicht der Goalgetter mit dem Hammerschuss und auch nicht der extravagante Superstar. Und trotzdem ist Rodri seit Jahren einer der besten Fussballer der Welt – und aktuell vielleicht sogar der beste. Der 28-Jährige erfüllt mit seiner Defensivstärke und gleichzeitigen Übersicht als Spielmacher aus der Tiefe alles, was ein moderner Sechser mitbringen muss. Auch im Verlauf der EM bewies er einmal mehr, was ihn zu einem der Lieblingsspieler von Pep Guardiola macht. Folgerichtig wurde der frisch gekrönte Europameister zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet.
Wer den 33-jährigen Franzosen an dieser EM beobachtet hat, konnte nur wehleidig werden. Weshalb spielt der nur in Saudi-Arabien? N'Golo Kanté war wohl der einzige Wüstensöldner, dem nicht anzusehen war, dass er nicht mehr Woche für Woche auf höchstem Niveau spielt. Er zeigte nämlich genau das, was ihn auch während seinen besten Zeiten im Trikot von Leicester oder Chelsea sowie der «Équipe Tricolore» ausmachte: Kanté war überall, für seine Gegenspieler gab es kein Entkommen, und auch mit dem Ball war er ein wichtiger Faktor. Wie beim 1:0-Siegtreffer gegen Belgien, als er den Ball gedankenschnell zu Stürmer Randal Kolo Muani weiterleitete und dessen Schuss dann von Verteidiger Jan Vertonghen ins Tor prallte.
Bis zum Viertelfinal fristete Dani Olmo ein Dasein als Joker. Gegen Deutschland wurde er dann früh für den verletzten Pedri eingewechselt und mutierte mit einem Tor und einem Assist beim 2:1-Sieg zum Matchwinner. Auch im Halbfinal gegen Frankreich und bereits zuvor im Achtelfinal gegen Georgien – da noch als Joker – erzielte der 26-jährige Bundesliga-Star ein Tor. Mit drei Toren und zwei Assists wäre er nach alter Regel der alleinige Torschützenkönig geworden. Nun ist er verdienter Europameister.
Ja, der 22-jährige Spanier ist eigentlich ein Flügelspieler, aber bei einem Spieler seiner Qualität muss man auch mal eine Ausnahme machen. Zumal Nico Williams aufgrund seiner Pressingqualitäten und Bereitschaft, Defensivarbeit zu leisten, auch auf der Aussenbahn auflaufen könnte. Im Final erzielte er den ersten Treffer und war auch sonst enorm auffällig – wie schon im ganzen Turnier. Der flinke Spieler von Athletic Bilbao war eine der Entdeckungen dieser EM und muss im Team des Turniers vertreten sein.
Sein einziges Tor bleibt Schweizerinnen und Schweizern in schlechter Erinnerung: Bukayo Saka erzielte den 1:1-Ausgleich im Viertelfinal. Ansonsten kam er nur auf eine weitere Torbeteiligung (beim 1:0-Sieg gegen Serbien), und doch hatte der 22-Jährige entscheidenden Anteil an Englands Einzug in den EM-Final. So hatte kein Engländer mehr Aktionen, die zu einem Schuss führten und war Saka in einer sonst mauen Offensive der einzige Spieler, der für Tiefe sorgen konnte. Wenn es mal schnell ging in Englands Angriff, dann ging es meist über den Arsenal-Star. Was ihn zusätzlich auszeichnet, ist die Umstellung ab dem Viertelfinal. Ab da spielte der gelernte Flügelspieler plötzlich rechts neben der Dreierkette und hatte auch defensive Aufgaben. Diese erledigte er pflichtbewusst und mit Bravour.
Dass es die Niederlande bis in den Halbfinal geschafft hat, lag wesentlich an Cody Gakpos starken Leistungen. Obwohl er nominell auf dem Flügel spielte, war der 25-Jährige vom FC Liverpool häufig im Strafraum anzutreffen und mit drei Treffern sowie einem Assist Topskorer im Team von Ronald Koeman. Seine acht Schüsse aufs Tor sind die drittmeisten an der EM und drei davon zu verwerten sind eine sehr starke Statistik. Auch die Tatsache, dass Gakpo seinen «Expected Goals»-Wert um 1,9 Treffer übertraf, zeugt von seiner Effizienz.
Eigentlich ist zu Lamine Yamal schon alles gesagt. Aber dass er im Alter von 17 Jahren und einem Tag bereits Europameister, Jungstar des Turniers und mit vier Vorlagen auch Assist-König der EM ist, kann nicht genug herausgestrichen werden. Das ist einfach beeindruckend. So stach Yamal selbst in der hervorragenden spanischen Offensive noch heraus und wurde von seinen Mitspielern immer wieder gesucht. Kein Wunder hatte er auch beim ersten Tor beim 2:1-Erfolg im EM-Final seinen Fuss im Spiel.