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Polen-Rundfahrt: Fabio Jakobsen nach Sturz nicht mehr in Lebensgefahr

Sprinting for the win Dutch cyclist Fabio Jakobsen, left, hits side barriers at the start of a crash with his countryman Dylan Groenewegen, 2nd left, on the final stretch of the opening stage of the T ...
Groenewegen (Zweiter von links) schubst Jakobsen im Zielsprint mit dem Ellbogen in die Absperrung.Bild: keystone

Jakobsen nicht mehr in Lebensgefahr: «Er hat die Operation überstanden»

06.08.2020, 13:1006.08.2020, 13:17
Ralf Meile
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Der schwer verunglückte Radprofi Fabio Jakobsen ist nach Angaben der Rennärztin Barbara Jerschina nicht mehr in Lebensgefahr. «Jakobsen hat die Operation überstanden, sein Leben ist nicht mehr bedroht», sagte Jerschina am Donnerstagmittag nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

Jakobsen, der am Mittwoch bei der Polen-Rundfahrt heftig gestürzte niederländische Radprofi, zog sich schwere Verletzungen im Gesicht zu. Noch am Morgen hatte sein Team-Chef Patrick Lefevere gesagt: «Der Zustand ist sehr schlimm. Wir beten weiter, dass er überlebt.»

Nichts für schwache Nerven: Der Unfall in Kattowitz.Video: streamable

Das Spital in Kattowitz lieferte Details zur der fünfstündigen Operation, die in der Nacht auf Donnerstag erfolgt war. «Die Hauptverletzungen liegen im Gesicht. Glücklicherweise sind die Augen nicht betroffen. Sein Zustand ist ernst, aber stabil», sagte ein Sprecher. Ein Scan habe ergeben, dass keine Hirnverletzungen vorliegen dürften. Auch die Wirbelsäule dürfte nicht betroffen sein. Jakobsen befinde sich im Koma, die Aufwachphase werde nun eingeleitet.

Verursacher disqualifiziert

Renndirektor Czeslaw Lang hatte auch Nachrichten zum Gesundheitszustand des Funktionärs, in den Jakobsen mit rund 80 km/h geprallt war. Dieser habe eine Kopfverletzung erlitten, sei aber wieder bei Bewusstsein und in stabilem Zustand.

epa08585761 Riders fall near finish line during the 1st stage of Tour de Pologne cycling race, over 195.8 km between Chorzow and Katowice, southern Poland, 05 August 2020. EPA/ANDRZEJ GRYGIEL POLAND O ...
Groenewegen am Boden: Mehrere andere Fahrer können nicht mehr ausweichen und stürzen ebenfalls.Bild: keystone

Die Schuld am verheerenden Massensturz trägt Dylan Groenewegen. Der Niederländer rempelte Jakobsen mit dem Ellbogen in die Absperrung. Groenewegen wurde der Etappensieg aberkannt, er wurde disqualifiziert und damit aus der Rundfahrt ausgeschlossen. Der Radsport-Weltverband UCI schrieb, es verurteile dieses gefährliche Verhalten aufs Schärfste: «So etwas ist inakzeptabel.» Die Disziplinarkommission des Verbands prüfe, ob weitere Sanktionen fällig werden.

Konsequenzen fordert Patrick Lefevere. «Dieser Typ gehört ins Gefängnis», findet Jakobsens Teamchef. Er kündigte an, gegen Groenewegen gerichtlich vorgehen zu wollen. «So ein Verhalten ist kriminell.»

Auch heute bedauere er seine Worte nicht, betonte Lefevere. «Wir werden Schritte unternehmen, um bei der UCI und der Polizei Anzeige zu erstatten.»

Von Jumbo-Visma, dem Team des Unfallverursachers Groenewegen, gibt es noch keine ausführliche Stellungnahme. «Stürze wie dieser sollten nicht passieren», teilte die Equipe lediglich mit und: «Wir möchten uns aufrichtig entschuldigen und zunächst intern das weitere Vorgehen besprechen, bevor wir uns öffentlich dazu äussern.»

Der Verursacher entschuldigt sich:

«Ich hasse es, was gestern passiert ist. Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, wie leid es mir für Fabio und alle anderen tut, die gestürzt sind. Im Moment ist die Gesundheit von Fabio das Wichtigste. Ich denke ständig an ihn.»

Kritik an Ausrichter und Verband

Fast noch mehr als Groenewegen werden die Veranstalter der Polen-Rundfahrt und die UCI kritisiert. So sagte etwa Robbie McEwen, ein früherer Weltklasse-Sprinter aus Australien: «Was er machte, machten schon viele Sprinter vor ihm. Trotzdem ist die Disqualifikation korrekt. Aber die Absperrungen entsprachen nicht den Sicherheitsanforderungen der UCI. Wie wäre es, wenn sie sich darum kümmern würde, anstatt die korrekte Sockenhöhe der Rennfahrer zu messen?»

Für Unverständnis sorgt auch die Tatsache, dass die Zielgerade in Kattowitz abschüssig war. So erreichten die Fahrer ein Tempo von 80 bis 85 km/h, sie waren damit schneller als üblich in einem Massensprint, wo häufig Geschwindigkeiten von 60 bis 65 km/h erreichten werden.

Cyclists are injured in a crash on the final stretch of the opening stage of the Tour de Pologne race in Katowice, Poland, on Wednesday, Aug. 5, 2020. The crash began with a high-speed collision betwe ...
In hohem Tempo versuchen Fahrer, ihren gestürzten Kollegen auszuweichen.Bild: keystone

Fabio Sabatini, im vergangenen Jahr noch ein Teamkollege Jakobsens und nun bei Cofidis, wandte sich an die Organisatoren: «Eine Ankunft mit 85 km/h ist immer Selbstmord. Seit Jahren denke ich das, aber sie wollen immer die Show. Hier ist die Show.» Auch sein Teamkollege Damien Touzé zog sich beim Sturz Verletzungen zu, Marc Sarreau (Groupama-FDJ) und Eduard Prades (Movistar) mussten ebenfalls in Spitalpflege.

Zu den Vorwürfen haben sich bislang weder die Ausrichter der Polen-Rundfahrt noch die UCI geäussert. Heute wird die Rundfahrt mit einer weiteren Flachetappe fortgesetzt, aber ohne einen Fahrer im Leadertrikot. Denn dieses würde Fabio Jakobsen tragen, dem die Jury nachträglich den Groenewegen aberkannten Etappensieg zugesprochen hat. (abu/sda/apa/dpa/afp)

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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nafets
06.08.2020 11:25registriert Januar 2020
an dieser Stelle wünsche ich Fabio Jakobsen die beste Betreuung und Genesung und hoffe, dass er dies ohne Spätfolgen verarbeiten kann.
dass die UCI solch ein Rennen mit dem Schluss überhaupt zulässt, ist mehr als fahrlässig und gehört ebenfalls bestraft, inkl. dem Renndirektor - mit solchen Ankünften wird ganz klar das Leben der Fahrer aufs Spiel gesetzt. ich würde mein Team unverzüglich von dieser Rundfahrt abziehen.
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Magnum
06.08.2020 11:28registriert Februar 2015
So unverantwortlich und unsportlich das Manöver von Dylan Groenwegen war: Wenn die Abschrankungen auch nur ansatzweise dem neusten Stand entsprochen hätten, wäre dieser Unfall weit glimpflicher ausgegangen. Da sich die Elemente der Abschrankung voneinander lösten, wurde Fabio Jakobsen abrupt gestoppt - und die auf die Strecke geschleuderten Abschrankungen brachten weitere Fahrer zu Fall.
In Kombination mit einer leicht abfallenden Zielgeraden, die von den Radprofis seit Jahren als gefährlich kritisiert wird, konnte es zu diesem Horrorcrash kommen.

Dem Fabio und allen anderen gute Besserung.
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chnobli1896
06.08.2020 11:33registriert April 2017
[...]Zu den Vorwürfen haben sich bislang weder die Ausrichter der Polen-Rundfahrt noch die UCI geäussert. [...]

Aussitzen und nächstes Jahr ohne Änderung fortfahren.

Gestern vor einem Jahr ist Lambrecht an der Polen Rundfahrt gestorben. Bei einer Etappe an der das jetzige Opfer Jacobsen wegen einem Rempler im Sprint disqualifiziert wurde.
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