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Julian Assange guckt aus der Röhre, Engelke kapituliert

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Bild: WDR
Wikileaks-Gründer beim WDR 

Julian Assange guckt aus der Röhre, Engelke kapituliert

In der etwas anderen Talkshow «Anke hat Zeit» trifft der berühmteste Internetaktivist der Welt auf eine überforderte deutsche Moderatorin.
15.07.2014, 09:2115.07.2014, 10:06
Christian Buss
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Ein Artikel von
Spiegel Online
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Auch eine Art, ein Interview zu beginnen: «Die Vergewaltigungsvorwürfe, was macht man nur mit ihnen?» Anke Engelke runzelt die Stirn und blickt erschöpft ins Publikum. Neben ihr, aus einem kleinen rustikalen Fernseher, blickt unbeteiligt der Mann, an den diese Vergewaltigungsvorwürfe gerichtet sind. Statt seiner äussert sich eine andere Frau über die Beschuldigungen: «Ich persönlich habe nur die besten Erfahrungen mit ihm.»

Der Mann im kleinen Fernseher ist Wikileaks-Gründer Julian Assange, gegen den in den USA ermittelt wird, womöglich wegen Spionageverdachts, und in Schweden wegen des Verdachts der Vergewaltigung – und der nun ins gemütlich ausgeleuchtete Talkstudio per Schalte aus der ecuadorianischen Botschaft in London zugeschaltet ist. 

Die Frau ist die Theaterregisseurin Angela Richter, die einst über Ebay ein Dinner mit dem Internetaktivisten ersteigert und danach ein Stück über ihn entwickelt und aufgeführt hat. Die beiden kennen sich inzwischen gut.

Assange ist sozusagen das Mitbringsel, das Theaterregisseurin Richter der Gastgeberin Engelke in ihre Show «Anke hat Zeit» mitgebracht hat. Die Sendung wurde Anfang des Monats aufgezeichnet und wird am Dienstag, 15. Juli im WDR ausgestrahlt.

Das Phantom der Live-Schalte

Die Konsequenz ist eine etwas gespenstische Gesprächskonstellation. Die beiden Frauen fachsimpeln im Talkstudio über den mysteriösen, bedeutenden und meist in langen Monologen sprechenden Mann. Der schaut derweil ausnahmsweise stumm aus der Kiste, einem alten entkernten Röhrenfernseher, in den ein moderner hochauflösender Bildschirm montiert wurde. Neben ihm, in seinem Quasi-Gefängnis in London, steht traurig eine Topfblume. Wenn Assange dann aber spricht, gehört die Szene ihm.

Engelkes Fragen interessieren ihn wenig, aber er hat viele gute Antworten auf Fragen, die nicht gestellt wurden. Und während Assange so monologisiert – über seine überschätzte Rolle als Pop-Ikone, über drohende Haftstrafen oder darüber, wie er bereits mit 16 als pickeliger Jugendlicher das Pentagon ausspioniert habe – bekommt man ein gutes Gefühl, weshalb er inzwischen trotz eines so gut wie nicht vorhandenen Bewegungsradius einer der gefragtesten Talkshow- und Konferenz-Teilnehmer der Welt ist. Wo es um Zukunftsfragen, Netzpolitik und, natürlich, auch Hacker-Abenteuer geht, ist er als Talking Head, als Phantom der Live-Schalte überall auf dem Globus präsent. Herkömmliche Mobilitätskriterien zählen für ihn nicht mehr, relevant ist nur sein Kopf.

Und den hat nun eben Angela Richter Anke Engelke mitgebracht. Als eine Art Trophäe, von der die Damen nicht ganz wissen, was sie denn nun von ihr halten sollen. Als Assange in einem wuchtigen Assoziationsstrom von seiner australischen Künstlerfamilie auf die gefährliche Macht von Google, Facebook und der NSA zu sprechen kommt, äussert Engelke gegenüber Richter schüchtern den Verdacht, dass sie jetzt gerade manipuliert werde.

Jetzt auf

Aber das gehört bei der Experimental-Talkshow «Anke hat Zeit» ja zum Konzept: dass der Gastgeberin die Gespräche immer wieder entgleiten können, dass im Gegenzug dafür aber auch authentische Momente entstehen können. Sagen wir mal so: In der aktuellen «Anke hat Zeit»-Ausgabe zeigt sich Engelke von ihrer schwächsten Seite – und liefert dafür einige starke Fernsehmomente. 

Lieblingsszene: Mit dem Blick von Google-Kritiker Assange im Nacken erzählt Engelke etwas Kompliziertes über eine eingeladene Sängerin –und fordert dann kapitulierend das Publikum auf: «Ach, googeln sie es doch einfach!»

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