Die von Gewalt erschütterte ostukrainische Millionenstadt Donezk kommt nicht zur Ruhe. In der Umgebung des Flughafens wurde am Mittwoch wieder gekämpft. Von den verschleppten OSZE-Beobachtern, darunter ein Schweizer, fehlte weiter jede Spur.
Ungeachtet eines russischen Aufrufs zur Zurückhaltung setzten die ukrainischen Regierungstruppen ihren Kampfeinsatz gegen russische Separatisten in der Industriemetropole Donezk fort. Die Separatisten behaupteten, sie hätten den Flughafen zurückerobert. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht.
Der Donezker Stadtpräsident Alexander Lukjantschenko rief die Einwohner auf, aus Sicherheitsgründen zu Hause zu bleiben sowie Fenster und Balkone zu meiden. Informationen über neue Opfer lagen nicht vor. Im Stadtzentrum von Donezk demonstrierten tausende, darunter Bergleute, gegen den Militäreinsatz.
Auch aus Slawjansk wurden wieder Schusswechsel zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Milizen gemeldet. In Artjomowsk und Charzysk sollen indes die Barrikaden der Aufständischen geräumt worden sein.
Der künftige Präsident Petro Poroschenko kündigte an, den Militäreinsatz gegen die Separatisten mit aller Härte fortzusetzen. «Wir befinden uns im Osten in einem Kriegszustand, die Krim wurde von Russland besetzt und es gibt grosse Instabilität. Wir müssen reagieren», sagte Poroschenko der «Bild»-Zeitung. Es werde nicht länger zugelassen, dass Terroristen Menschen entführten und töteten und Gebäude besetzten.
Der prowestliche Milliardär war am Montag offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine erklärt worden. Beobachter rechnen damit, dass Kiew durch Poroschenkos hohen Wahlsieg beflügelt die Gangart im Osten verschärft, weil es Moskau schwerer fallen dürfte, die Legitimität des künftigen Präsidenten in Frage zu stellen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs riefen Russland zur Zusammenarbeit mit Poroschenko auf. «Wir erwarten, dass die Russische Föderation mit dem neu gewählten und legitimen Präsidenten zusammenarbeitet», heisst es in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Für schärfere Strafmassnahmen gebe es derzeit keine Notwendigkeit, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Auch nach zwei Tagen fehlte von den vier verschleppten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) jede Spur. «Wir wissen nicht, wo und in wessen Händen genau sie sind», sagte eine OSZE-Sprecherin.
Ein Sprecher des ukrainischen Aussenministeriums behauptete, die Mitarbeiter aus Estland, Dänemark, der Schweiz und der Türkei seien in der Gewalt prorussischer Separatisten.
Ein Führungsmitglied der Regierungsgegner wies den Vorwurf hingegen zurück. «Uns ist nichts bekannt über ihren Aufenthaltsort oder ihr Schicksal», sagte Miroslaw Rudenko der Nachrichtenagentur Interfax. Derzeit sammeln 282 Beobachter in der Ukraine Fakten zur Lage.
Frankreichs Staatschef François Hollande lud den neu gewählten Präsidenten der Ukraine, Poroschenko, zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Alliierten-Landung in der Normandie ein. Hollande habe die Einladung zu den Zeremonien vom 6. Juni bei einem Telefonat mit Poroschenko ausgesprochen, teilte der Elysée-Palast am Mittwoch in Paris mit.
Zu den Feierlichkeiten an der nordfranzösischen Küste wird unter anderen auch Wladimir Putin erwartet. Hollande empfange den russischen Staatschef am 5. Juni im Elysée-Palast zu einem «informellen Treffen», teilte der Kreml mit. (sda/dpa/afp/reu)