Als im Januar 1999 ein junger Muni aus dem Schlachthof nebenan ins Letzigrund-Stadion flüchtet, freut sich der FC Zürich. Vizepräsident Hugo Holenstein sieht im einjährigen Tier einen Glücksbringer. Also kauft er es für 2000 Franken, tauft es Maradona und will es als Klubmaskottchen einsetzen. Was in Köln mit Geissbock Hennes klappt, sollte ja auch in Zürich machbar sein.
Was sie in Zürich vergessen: dass ein Muni kein Geissbock ist. Beim Finalrunden-Auftakt gegen den FC St.Gallen wird Maradona vor dem Spiel stolz dem Publikum präsentiert, mitsamt FCZ-Schal um den Bauch. Die Präsentation misslingt genau so spektakulär wie ein Jahr vorher diejenige von Windows 98, als Bill Gates der Welt sein neues Betriebssystem vorstellt und es abstürzt.
Kaum ist der Transporter samt Tierarzt im Letzigrund, türmt Maradona. Aufgeschreckt durch die Fotografen sprintet er auf das Spielfeld, wo sich die beiden Mannschaften aufwärmen. FCSG-Eisenfuss Wilco Hellinga gibt zunächst noch mutig den Torero, doch auch er muss schliesslich vor dem wilden Muni wegrennen.
«Ich kam ahnungslos aus den Katakomben, da sprang mir Maradona entgegen», erinnerte sich FCZ-Präsident Sven Hotz einst in der NZZ am Sonntag an den Vorfall. «Er rannte in Richtung Ersatzbank. Drei Fotografen stürzten übereinander. Die Spieler flüchteten hinters Tor. Der Stier drehte auf der Leichtathletik-Bahn ab, warf den Supporter-Präsidenten um und rannte die hintere Treppe hinauf.»
Es geht auf die Tribüne, nach den Spielern hat Maradona die Zuschauer im Visier. Das Glück seiner Jäger: Maradona verheddert sich in den Schalensitzen. Nach zehn Minuten ist er endlich wieder eingefangen. Das Gute für den FC Zürich ist, dass bei der Aktion niemand verletzt wird.
Allen ist klar, dass Maradonas Tage beim FCZ gezählt sind. «Man wird den Stier nie mehr im Letzigrund sehen», verspricht Präsident Hotz. Man habe es gut gemeint, nun sei halt etwas passiert.
Die Liga glaubt dem Klub, dass er künftig auf solche Aktionen verzichtet und schickt ihm nach einer Untersuchung lediglich einen Verweis. Dazu müssen die Zürcher eine Schreibgebühr von 30 Franken bezahlen. Wenig Geld, wenn man bedenkt, dass die PR-Aktion selbst im Ausland beachtet wird – dabei gibt es damals noch gar kein YouTube.
Maradona wird vom Muni zum Ochsen degradiert, erhält einen Nasenring und wird im Kloster Fahr parkiert. Auch dort ist er zu wild, zu ungestüm. Also geht die Reise weiter, in den Jura. Er erhält einen Platz in der «Stiftung für das Pferd» in Le Roselet, obwohl er unzweifelhaft kein Pferd ist.
Dort fühlt sich Maradona wohl, sein Betreuer lobt ihn 2002 als «guten Ochsen mit einem ausgezeichneten Charakter.» Allerdings müsse man aufpassen, Ochsen seien keine Kühe. «Sie sind wilder und aggressiver.»
Heute lebt Maradona nicht mehr. Im Altersheim in Le Roselet heisst es auf Anfrage von watson, dass er im Jahr 2011 gestorben sei. Mit 13 Jahren sei er «eher alt» geworden für einen Ochsen.
Zeuge der Aktion wird der langjährige FCZ-Goalie David Da Costa, damals 12-jähriger Fan des Stadtclubs. «Ich stand noch in der Südkurve», sagte er «20 Minuten Online», nachdem er zum Protagonisten einer anderen tierischen Fussballgeschichte wurde. 2013 stoppte Da Costa den berühmt-berüchtigten Marder von Thun.