Unvergessen
Fussball

25.07.1993: Auf 3637 Metern in Bolivien verliert Brasilien zum allerersten Mal ein WM-Quali-Spiel

Unvergessen

25.07.1993: Auf 3637 Metern in Bolivien verliert Brasilien zum allerersten Mal ein WM-Quali-Spiel

25. Juli 1993: Noch nie hat Brasilien eine Partie in einer WM-Qualifikation verloren, in La Paz gegen Bolivien ist es dann aber soweit. Die Samba-Kicker kommen mit der Höhe überhaupt nicht zurecht und protestieren anschliessend bei der FIFA.
25.07.2015, 00:0123.07.2015, 15:53
Ralph Steiner
Mehr «Unvergessen»

Das Estadio Hernando Siles auf 3637 Metern über Meer ist eines der am höchsten gelegenen Stadien der Welt. 1931 wird es eingeweiht und zu Ehren des ehemaligen Präsidenten Boliviens, Hernando Siles Reyes, benannt.

Drei Vereine bestreiten ihre Heimspiele im Hernando Siles in der bolivianischen Stadt La Paz, es sind dies The Strongest, Club Bolivar und der FC La Paz. Was jedoch viel mehr interessiert, sind die Auftritte der Nationalmannschaft. «Los Verdes», «die Grünen», tragen den Namen Hernando Siles in die Welt heraus.

Ein von KICKTV (@kicktv) gepostetes Foto am

Und dann gibt es nochmals ein Ereignis, dass den Namen Hernando Siles auf Ewigkeiten unvergessen lässt. Heute vor 22 Jahren ist Brasilien im Rahmen der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1994 zu Gast. Noch nie überhaupt hat die Seleçao ein WM-Qualispiel verloren, folglich rechnet man auch nicht im Entferntesten damit, dass die Brasilianer den Heimweg ohne Punkte antreten könnten.

Die späte Entscheidung

Es kommt jedoch anders. «Los Verdes» – angepeitscht von 42'611 Zuschauern – wehren sich wacker, bis kurz vor Schluss steht es 0:0. Dann schnappt sich der Marco Etcheverry, der Captain der Bolivianer, Höhe Mittellinie den Ball und zieht auf der linken Seite Richtung brasilianisches Tor.

Marco Etcheverry in einem Spiel 1996 für D.C. United.
Marco Etcheverry in einem Spiel 1996 für D.C. United.Bild: Getty Images North America

Etcheverry rennt und rennt und rennt, lässt sich von mehreren Samba-Verteidigern nicht stoppen und schiesst das Leder mit gütiger Mithilfe von Goalie Claudio Taffarel ins Tor. Ohne den Ablenker des brasilianisches Schlussmannes wäre Etcheverrys Schuss nie zum Treffer geworden. Der Jubel bei den Grünen ist riesig, Brasilien geschockt.

Die Seleçao wirft nun alles nach vorne, um den Ausgleich zu erzielen, Bolivien bietet sich Raum für Konter. Nur wenige Momente nach dem Führungstreffer lanciert Etcheverry den eingewechselten Stürmer Álvaro Peña und dieser besiegelt die Niederlage der Brasilianer mit dem 2:0.

Die Zusammenfassung der legendären Partie zwischen Bolivien und Brasilien.YouTube/1986soccerman

«Los Verdes» können sich auch dank diesem Sieg zum erst dritten Mal nach 1930 und 1950 für eine Weltmeisterschaft qualifizieren. Sie scheitern in den USA dann aber bereits in der Vorrunde. Auch Brasilien qualifiziert sich trotz der Niederlage im Estadion Hernando Siles ohne Probleme für die WM – und gewinnt im legendären Penaltyschiessen gegen Italien den vierten Titel.

Stürmer Romario küsst den WM-Pokal, rechts neben ihm feiert Captain Carlos Dunga.
Stürmer Romario küsst den WM-Pokal, rechts neben ihm feiert Captain Carlos Dunga.Bild: AFP

Höhe gefährdet Gesundheit der Spieler

Rund um das auf 3637 Metern über Meer gelegene Hernando Siles entstehen immer wieder Diskussionen. Kritiker monieren einen Heimvorteil, weil die bolivianischen Fussballer an die dünne Luft gewöhnt seien. Es kommt die Frage auf, ob sich Bolivien nur dank der Höhenlage seines Heimstadions für die Weltmeisterschaft in den USA qualifiziert hat.

1994 wendet sich der brasilianische Fussballverband an die FIFA. Im Dezember 1995 dann die Antwort des Weltfussballverbands: Internationale Partien sind ab einer Höhe von 3000 Metern über Meer ab sofort verboten, der Gesundheit der Spieler zuliebe. Weil das Estadio Hernando Siles die einzige Spielstätte ist, in der auf einer solchen Höhe regelmässig internationaler Fussball stattfindet, trifft die harte Regelung der FIFA eigentlich nur Bolivien.

Der Andenstaat schäumt vor Wut und will sich gegen das aus seiner Sicht ungerechte Urteil wehren. 2008 sagt ein Taxifahrer gegenüber der «WOZ»: «Brasilien empfing uns 1994 auch im tropisch-heissen Recife und schickte uns mit 6:0 nach Hause. Dagegen haben wir doch auch nicht protestiert.»

Sepp Blatter macht sich in Bolivien keine Freunde.
Sepp Blatter macht sich in Bolivien keine Freunde.Bild: KEYSTONE

Bis heute wird im Hernando Siles gespielt

Die FIFA erhört den bolivianischen Fussballverband und erlaubt Spiele im Hernando Siles fortan wieder. Allerdings verbietet Sepp Blatter nach einem weiteren Protest 2007 erneut, dass auf über 2500 Metern über Meer Pflichtspiele stattfinden. Nun sind neben Bolivien auch Peru, Kolumbien und Ecuador betroffen, und wieder kommt die FIFA entgegen und lässt Partien auch auf einer Höhe von 3000 Metern zu. Das Estadio Hernando Siles wird zudem mit einer Ausnahmegenehmigung ausgestattet, diese gilt eigentlich nur bis 2010.

«WOZ»-Autor Knut Henkel schreibt im erwähnten Artikel 2008, dass das Stadion «dem Untergang geweiht ist». Fakt ist jedoch: Noch heute finden im legendären Hernando Siles Pflichtspiele statt. Die Freude der Brasilianer hält sich dabei wohl in Grenzen.

Unvergessen
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob hervorragende Leistung, bewegendes Drama oder witzige Anekdote – alles ist dabei.

Alle Stadien der WM 2022 in Katar

1 / 18
Alle Stadien der WM 2022 in Katar
Lusail Iconic Stadium in Lusail – Kapazität: 86'250 Zuschauer – 2022 eröffnet.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!