Jimmy Johnstone ist in Schottland eine riesige Legende. Als einer der Lisbon Lions, dem ersten britischen Team, das einen Europacup gewinnen konnte, schrieb er Fussball-Geschichte. Die Fans von Celtic Glasgow kürten den Wirbelwind zum besten Spieler der Klub-Geschichte.
In der Nationalmannschaft wäre für den Flügel mehr möglich gewesen. Nur 23 Spiele absolvierte er für Schottland. An der WM 1974 war der Rotschopf zwar im Kader, wurde aber nicht eingesetzt – anschliessend trat er aus der Nati zurück. Dass «Jinky» in Deutschland ohne Spielminute blieb, hatte seinen Grund. Denn kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft sorgte er für eine Eskapade, die selbst in der an promillehaltigen Anekdoten reiche britische Fussball-Geschichte als bizarr bezeichnet werden darf.
Alles beginnt mit einem Länderspiel gegen Wales. Johnstone und seine Kollegen gewinnen es mit 2:0 und Nationaltrainer Willie Ormond gewährt seinen Spielern etwas Ausgang. Der Durst ist gross und er wird auch gestillt – und zwar so lange, bis die Fussballer eindeutig über den Durst getrunken haben. Im Morgengrauen torkeln sie dem Meer entlang zu ihrem Hotel.
«Jimmy war ein sehr guter Sänger», erzählte Jahre später Mitspieler Sandy Jardine, der damals dabei ist. «Er hat laut gesungen und ist dazu – wieso auch immer – in dieses Boot gestiegen. Ich habe dem Boot einen Tritt versetzt und weg war es.»
Die Brandung treibt die Nussschale weg, Ruder sind keine im Boot. Doch von Aufregung keine Spur. «Jimmy sang einfach weiter, ihn kümmerte es kein bisschen, dass er vor sich hin trieb», so Jardine. Zwei andere Mitspieler, Eric Schaedler und Davie Hay, schnappen sich sofort ein anderes Boot, versuchen zu Johnstone zu rudern. Aber durch ein Leck dringt Wasser ein, sie müssen umkehren.
Schliesslich wird die Küstenwache alarmiert, die Johnstone rettet. «Jemand hat ihn gefragt, was er denn eigentlich in dem Boot mache», erinnert sich Sardine. Daraufhin habe sein Kumpel die legendäre Antwort gegeben: «Ich fische!»
Der Bootsausflug – «The Largs Boat Incident» – beherrscht natürlich in den kommenden Tagen die Schlagzeilen. Gegen England bleibt «Jinky» Johnstone dennoch so cool wie auf dem Ruderboot ohne Ruder: Er führt Schottland als überragender Akteur zu einem 2:0-Erfolg.
2006 stirbt Jimmy Johnstone an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS. Seine Beerdigung wird im Celtic Park abgehalten und ihm zu Ehren spielen seine Nachfolger in der nächsten Partie alle mit «Jinkys» Nummer 7 auf den Hosen. Eine Statue vor dem Stadion erinnert heute noch an den Flügelflitzer. In deren Sockel ist unter anderem ein Ruderboot abgebildet: feinster britischer Humor.
Sein Weggefährte Sandy Jardine, 2014 verstorben, bedauerte nur eines: dass jüngere Fans den grossen kleinen Jimmy Johnstone, der zwischen 1966 und 1974 neunmal in Folge schottischer Meister wurde, nie haben spielen sehen. «Ich habe meinen Söhnen oft gesagt: ‹Auch wenn ihr kein einziges Wort von mir jemals glaubt, das müsst ihr glauben: Jimmy Johnstone war der Allerallerbeste!›»
Und wen selbst dies nicht überzeugt, dem sei gesagt: Jardine war nie bei Celtic, sondern spielte 16 Jahre lang für die Glasgow Rangers.