Einst sangen die «Toten Hosen»: «Seid bloss froh, dass Ihr nicht Kanzler seid.» Der Song ist Gerhard Schröder gewidmet. Die Sorgen des deutschen Kanzlers waren jedoch winzig, vergleicht man sie mit den Problemen, die im September auf den US-Präsidenten einprasseln. Die nächsten Wochen werden entscheidend sein – nicht nur für die USA. Der bisher glücklose Präsident steht vor seiner grössten Herausforderung.
Mit dem jüngsten Test einer nuklearen Waffe, möglicherweise gar einer Wasserstoffbombe, hat Kim Jong Un eine globale Krise ausgelöst. Der US-Präsident reagiert erneut mit Macho-Sprüchen. Nachdem er vor ein paar Wochen mit «Feuer und Wut» gedroht hat und einer Vergeltung, «wie sie die Welt noch nie erlebt hat», lässt er jetzt via seinen Verteidigungsminister Jim Mattis ausrichten, «jede Drohung gegen die USA oder ihr Territorium» werde mit einem «massiven militärischen Gegenschlag» beantwortet werden.
Niemand ist überrascht von Trumps Macho-Sprüchen. Erstaunlich ist hingegen, dass er nun seine Verbündeten in Asien angreift. Er wirft dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In Beschwichtigungs-Politik vor und droht ausgerechnet jetzt, das Handelsabkommen mit Südkorea aufzukündigen.
Gleichzeitig kritisiert Trump erneut China wegen seiner zu laschen Haltung gegenüber Kim Jong Un und lässt durchblicken, dass er mit einem Boykott aller Unternehmen droht, die noch Beziehungen zu Nordkorea unterhalten.
Trump droht mit einem heissen Krieg gegen Nordkorea und einem Handelskrieg gegen Südkorea und China. In Asien dürfte das wenig Freude auslösen. Colin Kahl, ein ehemaliger Berater von Barack Obama, erklärt in der «Financial Times»: «Das Signal, das Trumps Gebaren aussendet: Wir wollen jetzt einen Krieg, weil er vor allem Asiaten und nicht Amerikaner tötet.»
Hurrikan Harvey und Nordkorea haben vorläufig verhindert, dass Trump im Russland-Sumpf absäuft. Die Meldungen von dieser Front sind verheerend: Dmitri S. Peskov, ein enger Vertrauter von Wladimir Putin, hat über das Wochenende bestätigt, dass er tatsächlich einen Brief von Michael Cohen, einem engen Vertrauten von Trump, erhalten hat. In diesem Brief geht es um das Projekt eines gigantischen Trump Towers in Moskau.
Brisant daran ist die Tatsache, dass dieser Brief abgeschickt wurde, als Trump bereits seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hatte. Dabei hatte er immer wieder hoch und heilig geschworen, keinerlei geschäftliche Interessen in Russland zu verfolgen. Einmal mehr hat er offensichtlich gelogen.
Ein zweiter Brief hat über das Wochenende ebenfalls für Schlagzeilen gesorgt. Es handelt sich um einen Entwurf, den Trump zur Entlassung von James Comey verfasst hat. Darin wird glasklar, dass er den ehemaligen FBI-Direktor gefeuert hat, weil sich dieser weigerte, öffentlich zu erklären, dass gegen Trump in der Russland-Affäre ermittelt wird. Dieser Brief befindet sich nun im Besitz des Sonderermittlers Robert Mueller.
Gleichzeitig ist bekannt geworden, dass Mueller mit einer Elitetruppe des IRS, der amerikanischen Steuerbehörde, zusammenarbeitet. Es handelt sich dabei um die besten Experten auf dem Gebiet von Steuerhinterziehung und Geldwäscherei.
Als ob dies nicht genug wäre, arbeitet Mueller auch mit dem Justizminister des Bundesstaates New York, Eric Schneiderman, zusammen.
Das hat einen ganz bestimmten Grund: Mueller signalisiert auf diese Weise allen Mitgliedern des Trump-Teams, dass sie nicht mit einer Begnadigung rechnen können, sollten sie falsch oder gar nicht aussagen. Genau diese Botschaft wollte Trump mit der Begnadigung des umstrittenen Sheriffs Arpaio aussenden. Doch der Präsident kann nur nationale Urteile begnadigen. Gegen die Verfolgung von Schneiderman ist er machtlos, denn dafür ist der Bundesstaat New York zuständig.
Unter Dreamers versteht man Kinder, die von ihren Eltern illegal in die Vereinigten Staaten gebracht wurden und die auch dort aufgewachsen sind. Es gibt rund 800'000 Dreamers, die meisten von ihnen sind entweder erwerbstätig oder sie studieren. Präsident Barack Obama hat den Dreamers mittels eines präsidialen Erlasses einen legalen Aufenthalt ermöglicht.
Das macht ökonomisch und moralisch Sinn: Die Dreamers sind ein wichtiger Teil der US-Wirtschaft geworden. Unternehmer wie Mark Zuckerberg plädieren deshalb inbrünstig dafür, sie in den USA zu behalten.
Trump befindet sich in der Zwickmühle. Im Wahlkampf hat er immer wieder versprochen, die Dreamers auszuschaffen. Zudem haben ein Dutzend konservative Justizminister aus verschiedenen Bundesstaaten mit einer Verfassungsklage gedroht. Die Frist läuft am 5. September ab. Sein eigener Justizminister Jeff Sessions will die Dreamers ebenfalls ausweisen.
Die republikanische Partei hingegen ist gespalten. Unter anderem hat sich Paul Ryan, der Chef der Grand Old Party im Abgeordnetenhaus, vehement für die Dreamers eingesetzt, genauso wie Ivanka und Jared Kushner. Meinungsumfragen zeigen auch, dass rund zwei Drittel der Amerikaner Gnade für die Dreamers fordern. Trump ist hin und her gerissen. Möglich ist, dass er um einen Aufschub bittet.
Der Kongress muss in den kommenden Tagen die Schuldenobergrenze erneut anheben. Andernfalls können die Vereinigten Staaten ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Wird keine Einigung erzielt, werden grosse Teile der Verwaltung geschlossen.
Einen solchen Shutdown hat es in jüngster Vergangenheit bereits bei Clinton und bei Obama gegeben. Jetzt droht Trump damit, sollte ihm der Kongress nicht 1,7 Milliarden Dollar für den Beginn der Mauer gegen Mexiko gewähren. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass der Kongress auf diese Erpressung eingehen wird. Trump hat denn auch bereits angedeutet, dass er wegen des Notkredites für die Sturmschäden in Texas vorläufig auf den Baubeginn der Mauer verzichten will.
Im West Wing des Weissen Hauses arbeiten die Mitarbeiter des Präsidenten, und dort ist die Stimmung mies. Die jüngsten personellen Rochaden, Trumps Wutanfälle und seine Unberechenbarkeit, die permanenten Indiskretionen und die internen Machtkämpfe setzen allen zu.
Engste Mitarbeiter gehen auf Distanz. So hat Gary Cohen, nationaler Wirtschaftsberater und zentrale Figur in der kommenden Steuerdebatte, in einem Interview mit der «Financial Times» zugegeben, dass er sich nach Charlottesville ernsthaft überlegt habe, zurückzutreten.
Trump soll darüber sehr verärgert sein. In Washington wird auch gerne darüber spekuliert, wie lange sich Aussenminister Rex Tillerson Trumps Demütigungen noch gefallen lassen wolle.
Auch Stabschef John F. Kelly macht keine glückliche Figur. Der hochdekorierte General muss endlich Ordnung ins Chaos des Weissen Hauses bringen. Dabei gerät er zwangsläufig in Konflikt mit dem Präsidenten, für den Disziplin ein Buch mit sieben Siegeln ist. Kelly soll nur deshalb den Bettel nicht hinwerfen, weil er es als seine patriotische Pflicht empfinde, seinem Land grosses Unglück zu ersparen.
Obwohl er nach wie vor ungehindert twittern darf, stöhnt der Präsident unter dem neuen Regime. Sein langjähriger Begleiter Roger Stone schimpft derweil: «Die Mitarbeiter behandeln Trump wie Champignons. Sie halten ihn im Dunkeln – und füttern ihn mit Schei....»