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Ihnen hilft die Griechenland-Krise: 15 radikale Parteien, die europaweit die Parlamente stürmen

Die ungarische Aktivistengruppe Femen protestiert vor den Europawahlen im April 2014 in Paris gegen rechtsextremistische Tendenzen in der EU.
Die ungarische Aktivistengruppe Femen protestiert vor den Europawahlen im April 2014 in Paris gegen rechtsextremistische Tendenzen in der EU.Bild: YOAN VALAT/EPA/KEYSTONE

Ihnen hilft die Griechenland-Krise: 15 radikale Parteien, die europaweit die Parlamente stürmen

14.07.2015, 11:4715.07.2015, 10:49
Rafaela Roth
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Während die Minister der Eurogruppe sich in stundenlangen Sitzungen um Lösungen für Griechenland streiten und sich in den Medien lautstarke Schlagabtausche liefern, passiert auf Nebenschauplätzen in ganz Europa etwas viel Dramatischeres: In nahezu allen EU-Ländern verzeichnen rechtsradikale Parteien Zuläufe, in vielen schaffen sie sogar den Sprung ins Parlament. Auch der linksradikale Widerstand wächst in weiten Teilen Europas. 

Geeint werden die radikalen Bewegungen durch ein Gefühl: Ihren Hass auf die Europäische Union. Hier sind die gefährlichsten Gegner der EU: 

1. Golden Dawn

Ein Unterstützer von Golden Dawn erhebt seine Hand zum Hitlergruss bei einer Demonstration in Athen. 
Ein Unterstützer von Golden Dawn erhebt seine Hand zum Hitlergruss bei einer Demonstration in Athen. Bild: Yannis Kolesidis/AP/KEYSTONE

Die offen neonazistische Partei Golden Dawn (Goldene Morgenröte) verzeichnete bei den griechischen Parlamentswahlen im Januar 2015 einen noch nie dagewesenen Wahlerfolg und gewann 6,3 Prozent der Stimmen und somit 17 Sitze im Parlament. Die Bewegung verfügt über paramilitärische Untergruppierungen, verwendet offen faschistische Symbolik und plädiert dafür, dass nur noch «Menschen griechischen Blutes» wählen dürfen sollten. Sie träumen von einem Griechischen Reich, welches sich weiter nach Osten und bis an Teile der italienischen Küste erstreckt.

2. Syriza 

Ein Syriza-Aktivist imitiert Premier Alexis Tsipras als griechischen «Schulden-Cutter».
Ein Syriza-Aktivist imitiert Premier Alexis Tsipras als griechischen «Schulden-Cutter».Bild: Petros Giannakouris/AP/KEYSTONE

Auch die Partei des griechischen Premiers Alexis Tsipras kann, wenn auch nicht als linksradikal, so dennoch als linkspopulistisch bezeichnet werden. Bei den letzten Parlamentswahlen wurde sie zur stärksten politischen Kraft Griechenlands gewählt. Syriza entstand 2004 aus einem Wahlbündnis aus der postkommunistischen und neulinken Partei Synaspismos sowie zehn kleineren, kommunistischen, ökosozialistischen, maoistischen und trotzkistischen Gruppen. Der linksextreme Flügel der Partei spricht sich gegen den Euro und vehement gegen neue Sparpläne aus. 

3. Front National

Femen-Aktivistinnen protestieren in Paris gegen den rechtsextremen Front National und dessen Anführerin Marine Le Pen.
Femen-Aktivistinnen protestieren in Paris gegen den rechtsextremen Front National und dessen Anführerin Marine Le Pen.Bild: BENOIT TESSIER/REUTERS

In Frankreich hat die rechtsextreme Partei Front National nach etlichen Wahlerfolgen nun sogar die Chance, die Präsidentschaftswahl für sich zu entscheiden. Mitglieder der Partei – unterstützt von ihrem Aushängeschild Marie Le Pen – fahren einen Anti-EU-Kurs und sind ausländerfeindlich. Die Parteipräsidentin hat zwar offen rechtsextreme Rhetorik aus der Partei verbannt, eine Studie der Friedrich Eber Stiftung beurteilt die Partei 2014 dennoch als rechtsextrem nationalistisch mit neuen Schlüsselbegriffen wie «Souveränität», «Identität» und «Sicherheit». Der Front National will den Euro abschaffen. 

4. Front de Gauche

«Gegen fiskale Ungerechtigkeit», demonstriert der Front de Gauche.
«Gegen fiskale Ungerechtigkeit», demonstriert der Front de Gauche.Bild: twitter/EnsembleFDGmontreuil

Die Antwort auf den Front National ist die linkspopulistische Front de Gauche (FDG). Sie entstand 2008 aus dem Zusammenschluss diverser linken Parteien. Ihre Anhänger üben radikale Kritik am «deutschen Modell» der Austeritätspolitik. Ihr Ziel ist eine «Bürgerrevolution» mitsamt Austritt aus dem Vertrag von Lissabon – der reformierten Fassung des Vertrags über die Europäische Union – sowie aus der Nato. Auch ihrem prominentesten Aushängeschild, dem ehemaligen Journalisten Jean-Luc Mélenchon werden Chancen auf das Präsidentenamt eingeräumt. 

5. Lega Nord

Lega-Nord-Präsident Matte Salvini spricht zu Anhängern während einer Kundgebung in Rom. 
Lega-Nord-Präsident Matte Salvini spricht zu Anhängern während einer Kundgebung in Rom. Bild: MAX ROSSI/REUTERS

Die rechtspopulistisch bis rechtsextreme Partei Lega Nord mit rund 122'000 Mitgliedern will bald in ganz Italien zur Wahl antreten. Ihre ursprüngliche Kernforderung ist die Unabhängigkeit des Nordens Italiens. Lega Nord holte 2014 sechs Prozent der Stimmen bei der Europawahl. Ihr Präsident Matteo Salvini propagiert den EU-Austritt Italiens.

6. Movimento 5 Stelle

M5S-Anführer Beppe Grillo 2014 bei einer Rede vor dem Ariston Theater in Rom.
M5S-Anführer Beppe Grillo 2014 bei einer Rede vor dem Ariston Theater in Rom.Bild: EPA/ANSA

In noch schnellerem Tempo legt in Italien die linkspopulistische Movimento 5 Stelle (M5S) zu. Beppe Grillo, Gründer und Sprachrohr der M5S, reiste am Tag des Referendums-Nein persönlich nach Athen, um «dem demokratischen Moment vor Ort beizuwohnen». Für Beppe Grillo ist die EU eine reine Bankenunion, die ausschliesslich ökonomische Interessen verfolgt. Aus den italienischen Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar 2013 ging M5S als zweitstärkste Partei hervor, bei den Europawahlen ein Jahr später erreichte die Bewegung 21,15 % der Stimmen und 17 Sitze im Parlament. Typisch für M5S ist die Rhetorik «des Volks» gegen «die da oben». 

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7. Podemos 

Anhänger der Podemos demonstrieren farbig in Madrid. 
Anhänger der Podemos demonstrieren farbig in Madrid. Bild: EPA/EFE

Die linkspopulistische Partei Podemos (übersetzt «Wir können») gilt als das spanische Pendant zur griechischen Syriza. Erst im Januar 2014 gegründet, verfügt sie heute schon über eine beachtliche Mitgliederzahl von 260'000. Bereits nach viermonatigem Bestehen holte sie fünf der insgesamt 54 Sitze im Europaparlament. Den Wahlkampf finanzierte Podemos per Crowdfunding. Die Partei ist aus den Jugendprotesten gegen die EU-Sparmassnahmen entstanden und fordert die radikale Abkehr von der Austeritätspolitik. 

8. Alternative für Deutschland

AfD-Anhänger im Mai 2014 vor dem europäischen Parlament in Berlin.
AfD-Anhänger im Mai 2014 vor dem europäischen Parlament in Berlin.Bild: Getty Images Europe

Auch die Alternative für Deutschland (AfD) profitierte von der Unzufriedenheit der Wähler mit der EU-Politik. Sie entstand 2013 aus der Anti-Euro-Stimmung heraus. 2014 gewann sie bei der Europawahl erstmals überregionale Mandate und zog in die Landesparlamente von Sachsen, Brandenburg, Thüringen, 2015 in die Stadtparlamente von Hamburg und Bremen ein. Die AfD fordert die Auflösung des Euro-Raumes und die Wiedereinführung von Nationalwährungen. Politologen bescheinigen der Partei rechtspopulistische Tendenzen. Nach internen Streitigkeiten und dem Austritt des Parteimitgründers Bernd Lucke kann sie als geschwächt betrachtet werden.

9. UK Independence Party

UKIP-Präsident Nigel Farage macht vor dem Referendum im europäischen Parlament Werbung für ein «Nein».
UKIP-Präsident Nigel Farage macht vor dem Referendum im europäischen Parlament Werbung für ein «Nein».Bild: PATRICK SEEGER/EPA/KEYSTONE

Die Kernforderung der rechtspopulistischen Independence Party (UKIP) ist der Austritt Grossbritanniens aus der EU. Sie fordert zudem den Abbau von Bürokratie, lehnt Multikulturalismus ab und will die «politische Korrektheit» abschaffen. Bei der Europawahl 2014 holte UKIP 28 Prozent der Stimmen. Bei den englischen Parlamentswahlen im Mai 2015 stieg die UKIP zur nach Stimmen drittstärksten Partei auf, gewann aber nur einen von 650 Wahlkreisen. 

10. Vlaams Belang 

Anhänger von «Vlaams Belang» bei einer Demonstration gegen die «Islamisierung».
Anhänger von «Vlaams Belang» bei einer Demonstration gegen die «Islamisierung».Bild: twitter

Die Belgische «Vlaams Belang», «Flämische Interessen» mit rund 22'000 Mitgliedern gehört zu den klar rechtsextremen und separatistischen Parteien Europas. Im Landesteil Flandern ist die Partei seit den 90er Jahren eine der drei stimmenstärksten. Vlaams Belang äussert sich EU-kritisch, ist gegen den EU-Beitritt der Türkei und für die Abschaffung von Anti-Diskriminierungssgesetzen. Sie vertritt ein Konzept der ethnischen Hierarchien, an dessen Spitze die Flamen stehen, dicht gefolgt von den Niederländern. Auf der untersten Stufe der Gemeinschaftsskala stehen die nicht-europäischen Ausländer. 

11. Ataka

Mitglieder der Ataka begrüssen Lavrov in Sofia.  
Mitglieder der Ataka begrüssen Lavrov in Sofia.  Bild: VASSIL DONEV/EPA/KEYSTONE

Die bulgarische Ataka ist eine offen rechtsextreme, fremdenfeindliche und nationalistische Partei mit eigener gleichnamiger Zeitung. Sie wurde 2005 als «Antwort auf den wachsenden Einfluss der türkischen und muslimischen Minderheiten» gegründet. Bei den bulgarischen Parlamentswahlen konnte sie fast 9 Prozent der Stimmen und 21 Abgeordnetensitze für sich gewinnen, 2014 besetzte sie bereits 43. Die Ataka ist in der Vergangenheit immer wieder mit Hetzparolen gegen Türken und Roma aufgefallen. Auf ihrer offiziellen Website veröffentlichte die Partei eine Liste bekannter bulgarischer Juden, die «es verdienen würden, von Geburt an entwurzelt zu sein». Bei der Europawahl 2014 erhielten sie 3 Prozent der Stimmen, und somit keine Sitze mehr wie in den Vorjahren. 

12. Wahre Finnen

Timo Soini, Chef der «Wahren Finnen».
Timo Soini, Chef der «Wahren Finnen».bild: Twitter

In Finnland sind es die Perussuomalaiset, die «Wahren Finnen». Die rechtspopulistische Partei fällt mit Europa-Skepsis, Forderungen nach Verschärfung des Asylrechts und Ablehnung der Homo-Ehe auf. Bei der finnischen Parlamentswahl 2011 konnte sie fast 20 Prozent der Stimmen für sich einnehmen. 2014 verfügten die «Wahren Finnen» über 10'000 Mitglieder. Jüngst drohte die Partei mit dem Austritt aus der Regierungskoalition, sollte der finnische Finanzminister den neuen Verhandlungen mit Griechenland zustimmen. 

13. Dansk Folkeparti

Peter Skaarup, Chef der Dänischen Volkspartei, sorgte für schärfere Einwanderungsgesetze.  
Peter Skaarup, Chef der Dänischen Volkspartei, sorgte für schärfere Einwanderungsgesetze.  bild: twitter

Die Dänische Volkspartei kann als rechtspopulistisch bis gemässigt rechtsextremistisch eingestuft werden. Sie steht für eine rigide Migrationspolitik und heftige EU-Kritik. Seit der Wahl 2015 ist sie die zweitstärkste Partei im dänischen Parlament. Unter ihrer Mitwirkung wurde die Einwanderungsgesetzgebung in Dänemark deutlich verschärft. Familiennachzug ist beispielsweise nur noch möglich, wenn sich die Angehörigen über ein Punktesystem qualifizieren. Die Dansk Folkeparti lehnt «nicht-westliche Einwanderung» ab. Dennoch distanziert sich die Partei ausdrücklich von rechtsextremistischen Flügelparteien wie beispielsweise dem französischen Front National. 

14. Úsvit přímé demokracie 

Tomio Okamura, Chef der rechtspopulistischen Morgendämmerung, mit japanischen Wurzeln. 
Tomio Okamura, Chef der rechtspopulistischen Morgendämmerung, mit japanischen Wurzeln. bild: twitter

«Úsvit přímé demokracie» (übersetzt «Morgendämmerung der direkten Demokratie») heisst die jüngste rechtspopulistische Partei Tschechiens. Sie ist insbesondere bekannt für ihren Roma-Hass und ihre kritische Haltung der EU gegenüber. Gegründet 2013 verfehlte sie bereits 2014 nur knapp den Einzug ins Europäische Parlament. Im tschechischen Abgeordentenhaus belegten sie im ersten Anlauf gleich 14 der 200 Sitze. 

15. Komunistická strana Čech a Moravy

Parteilogo der Komunistická strana Čech a Moravy. 
Parteilogo der Komunistická strana Čech a Moravy. bild: twitter

Am Linksaussenflügel Tschechiens kommt die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens zu stehen. Sie positioniert sich gegen die NATO- und EU-Mitgliedschaft des Landes. Bezogen auf ihre Mitgliederzahl von rund 50'000 ist sie die mit Abstand grösste Tschechische Partei. Bei den tschechischen Wahlen 2013 konnte sie kräftig zulegen. Sie fordert eine neue Immigrationspolitik und den konsequenten Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie und Nationalismus.

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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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zombie woof
14.07.2015 18:01registriert März 2015
Die SVP fehlt ganz klar in dieser Aufstellung! Die SVP ist eine Brandstifterpartei durchdrungen von Rechtsradikalem Gedankengut.
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Wilhelm Dingo
14.07.2015 16:16registriert Dezember 2014
Wieder ein Top Watson Artikel, danke. Das Elend ist, dass viele Themen welche den Leuten unter den Nägeln brennen von den gemässigten Parteien ignoriert und verharmlost werden. Das treibt viele Wähler zu den extremen und Populisten. Also gemässigte Parteien Europas / CH: nehmt Euch diesen Themen an bevor es zu spät ist!
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Bowell
14.07.2015 16:39registriert Mai 2014
Die Wähler scheinen keine Alternative zu ihren aktuellen Regierungen zu sehen und wählen die Parteien, die klare Statements formulieren und behaupten sich für den Normalbürger einzusetzen. Ich habe es hier schon oft gesagt, der Erfolg der (rechts)extremen Parteien wird durch das komplette Versagen der gemässigten, bzw. in Europa verbreiteten linksorientierten Regierungen katalysiert. Wenn kein Umdenken der Links- und Mitteparteien stattfindet, wird das Ganze auch in der Schweiz so weitergehen. Solange die Sorgen der Bevölkerung (vor allem bezgl. Einwanderung und Asylwesen) von keiner anderen Partei als der SVP wahr- und ernstgenommen werden, erwarte ich auch keine Trendwende.
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