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Japan Inc. war in den 80er Jahren der Megatrend für westliche Manager. Nippon hatte innert kürzester Zeit die damals effizienteste Wirtschaft der Welt auf die Beine gestellt und überschwemmte die Welt mit technisch raffinierten und trotzdem kostengünstigen Autos, TV-Apparaten und Kameras.
Alle wollten wissen, was das Geheimnis der Japan Inc. war, auch Schweizer Manager. Der damalige Migros-Chef Pierre Arnold reiste nicht nur in den fernen Osten, er schrieb danach auch ein begeistertes Buch darüber.
Das Erfolgsgeheimnis der Japaner, das wurde langsam klar, war die Tatsache, dass Mitarbeitern eine lebenslange Anstellung garantiert wurde. Wer 40 Jahre bei der gleichen Firma arbeitet, für den lohnt sich auch eine permanente Ausbildung.
Japans Angestellte waren deshalb deutlich besser geschult als beispielsweise die amerikanischen, die nach einer kurzen Anlehre bereits ans Förderband gestellt wurden. Toyota baute mit diesen Facharbeitern nicht nur die zuverlässigsten Autos, Toyota entwickelte auch ein bahnbrechendes Produktionssystem. Renommierte Unternehmen wie IBM oder Kodak begannen, das japanische System zu kopieren.
Japan ist inzwischen vom Wunderknaben zum Problemkind mutiert, und ein westlicher Spitzenmanager, der eine lebenslange Anstellung für seine Mitarbeiter vorschlagen würde, müsste riskieren, zum Psychiater geschickt zu werden. Heute werden Mitarbeiter «empowert» und Entlassungen gefeiert. Selbst Manager werden heute gefeuert wie Fussballtrainer, wenn auch in der Regel mit saftigen Abfindungen. Loyalität zum Unternehmen ist keine Tugend mehr in der modernen Arbeitswelt – und sie ist auch gar nicht mehr erwünscht.
Der moderne Arbeitnehmer schuftet nicht mehr sein Leben lang für den gleichen Arbeitgeber und wird danach mit einer goldenen Uhr in Rente geschickt. Im Extremfall trifft er sich an einem langen Wochenende zu einem Hackathon, zieht mit ein paar Gleichgesinnten ein Projekt durch – und nimmt das nächste in Angriff. Er braucht kein Büro und keine Kantine mehr, sondern allenfalls einen temporären Arbeitsplatz in einem Coworker-Büro, einen Laptop und einen Kaffeeautomaten.
Uber ist das Sinnbild der neuen Arbeitswelt geworden. Das Taxiunternehmen wird gleichzeitig gefeiert und kritisiert. Die Uber-Fans sehen im Geschäftsmodell, das jeden mit einer App zum selbstständigen Unternehmer macht, den Vorboten einer glorreichen Zukunft von freien Menschen. Die Kritiker befürchten eine Rückkehr zum Turbokapitalismus mit Ausbeutung und dem Wegfall aller Sozialleistungen.
Das Modell ist auch auf andere Branchen übertragbar. Rund um Uber tobt deshalb eine Schlacht. Gewerkschaften und Linke wollen das Taxiunternehmen in die bestehende Wirtschaftsordnung integrieren und es zwingen, wie alle anderen Sozialabgaben und Tariflöhne zu bezahlen. Neoliberale hoffen derweil, dass dank Uber die unflexible, überregulierte Arbeitswelt aufgebrochen wird und einer neuen Dynamik Platz macht.
Besonders heftig tobt die Uber-Schlacht in Frankreich. Das ist kein Zufall. Die Franzosen sehnen sich nach den «goldenen 30 Jahren» der Nachkriegszeit, in der praktisch Vollbeschäftigung herrschte und starke Gewerkschaften für den Ausbau des Sozialstaates sorgten.
Wie Japan ist auch Frankreich inzwischen ein Sorgenkind. Seine zentralistische Wirtschaft und die sturen Gewerkschaften sind zu einer Bedrohung für den zukünftigen Wohlstand geworden. Das Festhalten am alten Modell führt zudem zu einer neuen sozialen Ungerechtigkeit. Es entsteht eine Zweiklassen-Gesellschaft, in der komfortabel lebt, wer einen Arbeitsplatz ergattern konnte. Die anderen – und das sind vor allem die Jungen – sind arbeitslos oder müssen sich mit lausig bezahlten, prekären Jobs abfinden.
Diese Entwicklung lässt sich in allen westlichen Staaten beobachten. Globalisierung und technischer Fortschritt unterhöhlen die Grundfesten des Sozialstaates. Obwohl wir noch auf sehr hohem Niveau klagen, wird auch die Schweiz von dieser Entwicklung erfasst werden. Wie lange Linke und Gewerkschaften den Angriff auf die flankierenden Massnahmen aufhalten können, ist in der Ära des bürgerlichen Schulterschlusses fraglich.
Deshalb ist die Uber-Frage falsch gestellt. Zwar werden die Linken die eine oder andere Schlacht gewinnen, den Krieg aber werden sie verlieren. Wir brauchen nicht mehr Regeln, wir brauchen eine Neuorganisation des Wohlfahrtsstaates. Letztlich geht es darum, dass die Unternehmen vermehrt von Sozialleistungen entbunden werden und staatliche Institutionen diese Aufgabe übernehmen.
Ein solches System existiert bereits. Es heisst Flexicurity und wird in Dänemark praktiziert. Das Prinzip ist einfach: Der Arbeitsmarkt ist sehr flexibel organisiert, doch die Arbeitnehmer werden von einem starken sozialen Netz aufgefangen, wenn sie ihren Job verlieren, und bei der Suche nach einem neuen Job erhalten sie grosszügige Unterstützung. Die dänische Flexicurity ist so gesehen eine Form eines linken BGE.
Natürlich kann dieses Modell nicht eins zu eins auf unsere Verhältnisse übertragen werden. Aber das Prinzip, die Unternehmen von Sozialabgaben zu entlasten und sie dafür sehr viel härter zu besteuern, ist wegweisend für eine digitale Wirtschaft der Zukunft.
Wahrscheinlich stehen wir am Anfang einer grossen Transformation. Sie ist vergleichbar mit dem Übergang von einer Agrar- zu einer Industriegesellschaft. Um diesen Übergang sozial verträglich zu gestalten, mussten ebenfalls neue Institutionen geschaffen werden, AHV und Arbeitslosenversicherung beispielsweise.
Beim Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft dauerte es jedoch viel zu lange, bis diese Institutionen geschaffen wurden. Massenelend und soziale Konflikte prägten deshalb das 19. Jahrhundert. Schlimmeres konnte nur dank der Auswanderung nach Übersee verhindert werden, eine Option, die im 21. Jahrhundert nicht mehr besteht.
Auch der Übergang zu einer digitalen Wirtschaft wird nicht reibungslos verlaufen. Prekariat ist mehr als ein Schlagwort, sondern zur bitteren Realität für immer mehr Menschen geworden. Ja, in der Schweiz ist das noch nicht oder höchstens beschränkt der Fall. Doch genau dies hätten die Deutschen vor 20 Jahren auch gesagt. Heute leben bereits 15 Prozent der deutschen Arbeitnehmer in prekären Verhältnissen, will heissen: Der Lohn reicht nur knapp zum Überleben, die Sozialleistungen sind mickrig und Sicherheit gibt es keine.
Der technische Fortschritt schafft die Voraussetzungen für eine Arbeitswelt, die reicher, vielfältiger, spannender und auch gerechter ist als die bestehende. Aber nur, wenn auch die entsprechenden inklusiven Institutionen geschaffen werden. Das BGE wäre ein Mosaikstein in einem solchen Modell. Es ist keine Wunderwaffe, die alle Probleme löst, wie manche Befürworter glauben. Es ist auch keine romantische Utopie, wie dies seine Gegner behaupten.
Illusionen hat jedoch, wer glaubt, die derzeitige Wirtschaftsordnung würde noch 50 Jahre weiter Bestand haben.