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Wir leben im Zeitalter der grossen Lügen

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Wir leben im Zeitalter der grossen Lügen

Wer lügt, soll klotzen, nicht kleckern. Das wusste schon Hitlers Propagandaminister Goebbels. Heute feiert dieses Prinzip wieder Triumphe. 
22.11.2018, 15:3323.11.2018, 08:46
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«Wenn man eine grosse Lüge erzählt und sie oft genug wiederholt, dann werden die Leute sie am Ende glauben», soll Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels einst gesagt haben. Ob er es tatsächlich getan hat, ist umstritten. Auf jeden Fall hat er erkannt: Wer mit einer Lüge Erfolg haben will, darf nicht kleckern, sondern er muss klotzen.

Joseph Goebbels
Der gefährlichste Demagoge des 20. Jahrhunderts: Joseph Goebbels.Bild: Bundesarchiv, Bild 102-17049 / Georg Pahl

Natürlich denkt jeder, der das Goebbels-Zitat liest, unweigerlich an Donald Trump. Er ist der aktuell berühmteste Lügenbold. Und er klotzt: Einen Marsch von elenden Menschen verwandelt er flugs in eine Invasion von gefährlichen Terroristen. Alles, was ihm nicht passt, bezeichnet er als «Fake News» und wenn sich etwas nicht leugnen lässt wie der Mord an Jamal Khashoggi, dann wird es zumindest in Frage gestellt.

Als Geschäftsmann war Trump eine wandelnde Lüge. Er ist mehrmals pleitegegangen und musste von seinem Vater gerettet werden. Seinen Reichtum hat er nicht geschaffen, sondern geerbt. Gemäss «New York Times» sollen es mehr als 400 Millionen Dollar gewesen sein.

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Mit der TV-Sendung «The Apprentice» hat Trump die Basis für sein Lügengebilde gelegt.Bild: AP Invision

Als Lügenbold in eigener Sache ist Trump jedoch ein Weltmeister. In der Reality-TV-Sendung «The Apprentice» spielte er den erfolgreichen Unternehmer so überzeugend, dass er es damit bis ins Weisse Haus brachte.

Auch Wladimir Putin lügt wie gedruckt. Bei der Invasion der Krim bezeichnete er die offensichtlich russischen Soldaten als «grüne Männchen». Die Einmischung seines Geheimdienstes in die amerikanischen Wahlen streitet er genauso ab wie die Giftattacke auf den abtrünnigen Spion Sergei Skripal.

Putins grüne Männchen bei der Krim-Invasion.
Putins grüne Männchen bei der Krim-Invasion.

Anders als Trump muss der russische Präsident sich nicht mit lästigen Journalistenfragen und aufmüpfigen Medien herumplagen. Sie werden von ihm kontrolliert.

Das Grosse-Lügen-Prinzip ist kein Privileg der Politiker. Die Tech-Giganten im Silicon Valley bedienen sich inzwischen der gleichen Methode. So hat die «New York Times» kürzlich enthüllt, wie Facebook eine dubiose PR-Firma namens Definers Public Affair angeheuert hat, um Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Tim Miller, der Chef von Definers, hat sein Handwerk bei den Republikanern gelernt. Dort war er Spezialist für «opposition research», ein Euphemismus für «Dreck beim Gegner finden». Miller hat nicht nur Facebook geholfen, sondern auch beispielsweise dem Chiphersteller Qualcomm in einer PR-Schlacht gegen Apple.

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Dreck geschleudert anstatt die Wahrheit aufgedeckt: Mark Zuckerberg.Bild: AP/AP

Die seriösen PR-Vertreter beobachten sorgenvoll, wie sich die Lügenpropaganda im Silicon Valley ausbreitet. Schmutzkampagnen seien eindeutig auf dem Vormarsch, erklärt etwa PR-Mann Jonathan Hirshon in der «New York Times». «Die grossen Unternehmen benehmen sich gegenüber den Medien viel autoritärer.»

Der Hype um die Kryptowährungen entpuppt sich zunehmend als gigantischer Schwindel. Bitcoin hatte einst versprochen, eine Währung zu sein, die sich nicht vermehren und sich nicht verwässern lässt. Inzwischen werden regelmässig mit sogenannten «hard forks» neue Untervarianten kreiert, die von intransparenten Gruppen kontrolliert werden. So viel zu «digitales Gold».

Auch die Versprechen von Ethereum erweisen sich als hohl. Vitalik Buterin hat einen Supercomputer in Aussicht gestellt, mit dem sich alle auf Ether basierenden Token reibungslos austauschen lassen. Damit wollte er die Grundlage einer neuen dezentralen Wirtschaftsordnung schaffen. Davon ist keine Rede mehr. Ether ist im Begriff, zum Spielzeug von dubiosen Spekulanten zu verkommen.

«20 Minuten» in Halbwahrheiten und Beleidigungen eingekleidet – für Tamedia kein Problem 
heute (21.11.) sieht sie übrigens so aus...
Das Grosse-Lügen-Prinzip in der Schweiz.Bild: comments://361098554/1556852

In der Schweizer Politik schliesslich hält das Prinzip der grossen Lügen ebenfalls Einzug. Wenn die SVP früher eine Statistik fälschte, dann entschuldigte sie dies jeweils mit einer fehlerhaften Fax-Maschine oder anderen Pannen. Heute jedoch wird schamlos geklotzt, wie die beiden gekauften «20 Minuten»-Titelblätter der Befürworter der Selbstbestimmungs-Initiative zeigen. Weder türkische Richter noch Immigration haben auch nur das Geringste mit dem Inhalt der Initiative zu tun.

Das Gefährliche an den grossen Lügen ist die Tatsache, dass sie nicht mehr aus den Köpfen der Menschen zu vertreiben sind. Wer darauf hereinfällt, wird sich in der Regel nicht mehr eines Besseren belehren lassen. Vielmehr wird er alles daran setzen, um «Beweise» zu finden, die seinen Glauben an die grosse Lüge rechtfertigen. Die Folgen für Demokratie und Rechtsstaat sind verheerend.

Wenn Politiker vergessen, dass sie Mikrofone tragen ...

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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sir Konterbier
22.11.2018 16:03registriert April 2017
Und die Stadion-Gegner aus der Stadt Zürich werden hier nicht mal erwähnt? Die haben nun ja wirklich alles getan, um hier auch noch erwähnt zu werden🙈
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Gawayn
22.11.2018 17:46registriert März 2018
Sorry es zu sagen...

Aber da seid ihr digitale Medienleute auch nicht unschuldig in der Entwicklung.

Früher wurden Zeitung anhand ihrer Auflage bewertet.

Heute werden einzelne Artikel anhand der Klicks bewertet.

Wer irre genug ist und mit genug Macht Blödsinn verzapft, der kann dieses Klicksystem wunderbar instrumentalisieren.
So wird die Botschaft dank der Klicks in die Welt getragen.

Vor allem offensichtliche Lügen....
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Brettspiel
22.11.2018 16:50registriert Oktober 2014
Der letzte Absatz zeigt das tragische der Sache. Auch wenn die Lüge entlarvt wird ändert das nichts.
Deshalb habe ich für Artikel wie "Jetzt ist Trump definitiv zu weit gegangen.." etc. nur noch ein müdes Schulterzucken übrig. Evtl. macht mich das zum Teil des Problems, aber wäre man konsequent würde man wohl in einer Endlosschlaufe der Empörung landen.
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