Das Bezirksgericht Meilen hat eine frühere Hausangestellte des ehemaligen Credit-Suisse-Chefs Tidjane Thiam am Dienstagnachmittag freigesprochen: Deren E-Mail mit einer hohen Geldforderung sei keine Nötigung gewesen.
Das Gericht sprach der heute 43-Jährigen eine Genugtuung von 2000 Franken für die unüblich lange Verfahrensdauer zu. Alle angelaufenen Kosten übernimmt die Staatskasse; die Gerichtsgebühr, das Vorfahren und deren Anwaltskosten belaufen sich auf über 55'000 Franken. Thiam erhält demgegenüber keine Prozessentschädigung für seine Anwaltskosten.
Die Staatsanwaltschaft taxierte dies als versuchte Nötigung. Sie habe keine böse Absicht gehabt, sondern einen langwierigen arbeitsrechtlichen Streit um Lohnforderungen aussergerichtlich und friedlich beenden wollen, sagte hingegen die Rumänin vor Gericht.
Die Rumänin hatte für Thiam während rund sechs Jahren als Hausangestellte gearbeitet, zunächst in London, später auf dessen Wunsch ab 2015 auch in der Schweiz.
Die Arbeitsbedingungen seien dabei miserabel gewesen, hielt deren Verteidiger vor dem Bezirksgericht Meilen fest. Die heute 43-Jährige fasste diese als «sehr stressig, keine Ferien» zusammen. Sie habe wegen der Arbeit rund um die Uhr und den Wutausbrüchen des Chefs einen Zusammenbruch erlitten und im März 2019 auf Einhaltung der vereinbarten Bedingungen gepocht, führte der Anwalt weiter aus. Kurz darauf sei seine Mandantin dann entlassen worden.
Es folgte eine lange gerichtliche Auseinandersetzung um Entschädigungen. In dieser Zeit sei sie sehr gestresst gewesen, erklärte die Frau. Deshalb habe sie im März 2021 eine E-Mail an Thiams Assistentin geschickt.
Diese E-Mail brachte die Frau vor das Gericht. Denn darin schrieb sie, dass diskutiert worden sei, das internationale olympische Komitee (IOK) und die Gewerkschaften über die schlechten Arbeitsbedingungen beim Chefbanker und IOK-Mitglied zu informieren. Sie wolle ihm aber nicht schaden, hiess es darin weiter. Als Vergleichsvorschlag forderte sie 587'000 Franken.
Damit habe die Hausangestellte versucht, Thiam durch die angedrohte Rufschädigung zur Zahlung des hohen Geldbetrags zu bringen, hielt die Staatsanwaltschaft in ihrer kurzen Anklageschrift fest. Sie taxierte dies als versuchte Nötigung und in einer Eventualanklage als versuchte Erpressung. Auf letzteres trat das Bezirksgericht Meilen aber gar nicht erst ein.
Sie habe keine böse Absicht gehabt, es sei gar nicht um diese Summe gegangen, sagte die Frau. Sie habe nur den Kontakt zu ihrem früheren Arbeitgeber gesucht, um den Streit über ihre Lohnforderungen aussergerichtlich und friedlich zu beenden.
Ihr Verteidiger wies darauf hin, dass das Arbeitsgericht später, nach dem Abschicken der E-Mail, rechtskräftig festgestellt habe, dass Thiam seiner Mandantin wegen nichtgewährter Ferien und Freizeit Entschädigungen schulde. Zudem müsse er ihr eine Genugtuung wegen Unbill sowie eine Strafzahlung wegen missbräuchlicher Kündigung zahlen.
Eine Nötigung setze die Androhung eines ernstlichen Nachteils voraus, begründete die Richterin den Freispruch. Die Richterin erinnerte daran, dass der Banker zuvor wegen der Beschattung zweier Topkader bereits «schlechte Presse» erhalten hatte.
Dass nach diesem «Medienhype» das mögliche Bekanntwerden von schlechten Arbeitsbedingungen im privaten Umfeld ihn dann zur Zahlung von über einer halben Million Franken an eine Hausangestellte gebracht hätte, sei unwahrscheinlich.
Und auch beim IOK hätten ihm keine Nachteile gedroht, führte die Richterin weiter aus. Dies, weil Thiam gemäss eigenen Angaben das Komitee selber informiert hatte, um nicht erpressbar zu sein.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (cma/hkl/sda)
Erpressung? Die Frau wollte doch nur ihren kleinen Bonus einfordern.
Jedem ehemaligen CS-Chef und VR-Mitglied sollte dieses Konzept bestens bekannt sein