Wirtschaft
Schweiz

Hausangestellte von Tidjane Thiam von versuchter Nötigung freigesprochen

epa08199745 (FILE) Tidjane Thiam, CEO Credit Suisse, during an extraordinary general assembly in Bern, Switzerland, 19 November 2015 (reissued 07 February 2020). Credit Suisse's chief executive T ...
Tidjane Thiam wurde erpresst.Bild: EPA

Hausangestellte von Tidjane Thiam von versuchter Nötigung freigesprochen

06.08.2024, 07:2906.08.2024, 17:43
Mehr «Wirtschaft»

Das Bezirksgericht Meilen hat eine frühere Hausangestellte des ehemaligen Credit-Suisse-Chefs Tidjane Thiam am Dienstagnachmittag freigesprochen: Deren E-Mail mit einer hohen Geldforderung sei keine Nötigung gewesen.

Das Gericht sprach der heute 43-Jährigen eine Genugtuung von 2000 Franken für die unüblich lange Verfahrensdauer zu. Alle angelaufenen Kosten übernimmt die Staatskasse; die Gerichtsgebühr, das Vorfahren und deren Anwaltskosten belaufen sich auf über 55'000 Franken. Thiam erhält demgegenüber keine Prozessentschädigung für seine Anwaltskosten.

Die Staatsanwaltschaft taxierte dies als versuchte Nötigung. Sie habe keine böse Absicht gehabt, sondern einen langwierigen arbeitsrechtlichen Streit um Lohnforderungen aussergerichtlich und friedlich beenden wollen, sagte hingegen die Rumänin vor Gericht.

«Miserable Arbeitsbedingungen»

Die Rumänin hatte für Thiam während rund sechs Jahren als Hausangestellte gearbeitet, zunächst in London, später auf dessen Wunsch ab 2015 auch in der Schweiz.

Die Arbeitsbedingungen seien dabei miserabel gewesen, hielt deren Verteidiger vor dem Bezirksgericht Meilen fest. Die heute 43-Jährige fasste diese als «sehr stressig, keine Ferien» zusammen. Sie habe wegen der Arbeit rund um die Uhr und den Wutausbrüchen des Chefs einen Zusammenbruch erlitten und im März 2019 auf Einhaltung der vereinbarten Bedingungen gepocht, führte der Anwalt weiter aus. Kurz darauf sei seine Mandantin dann entlassen worden.

Es folgte eine lange gerichtliche Auseinandersetzung um Entschädigungen. In dieser Zeit sei sie sehr gestresst gewesen, erklärte die Frau. Deshalb habe sie im März 2021 eine E-Mail an Thiams Assistentin geschickt.

Eine E-Mail mit Geldforderung

Diese E-Mail brachte die Frau vor das Gericht. Denn darin schrieb sie, dass diskutiert worden sei, das internationale olympische Komitee (IOK) und die Gewerkschaften über die schlechten Arbeitsbedingungen beim Chefbanker und IOK-Mitglied zu informieren. Sie wolle ihm aber nicht schaden, hiess es darin weiter. Als Vergleichsvorschlag forderte sie 587'000 Franken.

Damit habe die Hausangestellte versucht, Thiam durch die angedrohte Rufschädigung zur Zahlung des hohen Geldbetrags zu bringen, hielt die Staatsanwaltschaft in ihrer kurzen Anklageschrift fest. Sie taxierte dies als versuchte Nötigung und in einer Eventualanklage als versuchte Erpressung. Auf letzteres trat das Bezirksgericht Meilen aber gar nicht erst ein.

«Ich hatte keine böse Absicht»

Sie habe keine böse Absicht gehabt, es sei gar nicht um diese Summe gegangen, sagte die Frau. Sie habe nur den Kontakt zu ihrem früheren Arbeitgeber gesucht, um den Streit über ihre Lohnforderungen aussergerichtlich und friedlich zu beenden.

Ihr Verteidiger wies darauf hin, dass das Arbeitsgericht später, nach dem Abschicken der E-Mail, rechtskräftig festgestellt habe, dass Thiam seiner Mandantin wegen nichtgewährter Ferien und Freizeit Entschädigungen schulde. Zudem müsse er ihr eine Genugtuung wegen Unbill sowie eine Strafzahlung wegen missbräuchlicher Kündigung zahlen.

Gericht sieht keinen angedrohten Nachteil

Eine Nötigung setze die Androhung eines ernstlichen Nachteils voraus, begründete die Richterin den Freispruch. Die Richterin erinnerte daran, dass der Banker zuvor wegen der Beschattung zweier Topkader bereits «schlechte Presse» erhalten hatte.

Dass nach diesem «Medienhype» das mögliche Bekanntwerden von schlechten Arbeitsbedingungen im privaten Umfeld ihn dann zur Zahlung von über einer halben Million Franken an eine Hausangestellte gebracht hätte, sei unwahrscheinlich.

Und auch beim IOK hätten ihm keine Nachteile gedroht, führte die Richterin weiter aus. Dies, weil Thiam gemäss eigenen Angaben das Komitee selber informiert hatte, um nicht erpressbar zu sein.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (cma/hkl/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
49 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
benn
06.08.2024 08:08registriert September 2019
ich dachte der super manager sei im knast wegen seinem versagen bei der CS, zumindest gehört er dahin?
983
Melden
Zum Kommentar
avatar
PetNat
06.08.2024 09:41registriert März 2014
“…forderte die Frau 587'000 Franken,”

Erpressung? Die Frau wollte doch nur ihren kleinen Bonus einfordern.

Jedem ehemaligen CS-Chef und VR-Mitglied sollte dieses Konzept bestens bekannt sein .
934
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alex747
06.08.2024 08:43registriert Oktober 2019
Wieso musste französisch-ivorischer Doppelbürger eine Schweizer Grossbank leiten konnte ich von Anfang an nicht verstehen. Er war noch dazu überhaupt nicht aus Bankwesen sondern aus Versicherungen. Und wohin das führte wissen wir alle…also ehrlich unsere Banken sollten objektiv fachlich kompetenteste Leute anstellen die auch beste Referenzen haben und entsprechenden Leistungsnachweis. Und da muss der Bund Verwaltungsräte vor allem überwachen und ihnen auf die Finger schauen. Sie stellen nämlich CEO‘s an.
7011
Melden
Zum Kommentar
49
Preisschere öffnet sich weiter – so viel teurer wurde der ÖV, so viel günstiger das Auto
In den letzten 35 Jahren sind die Kosten im öffentlichen Verkehr stark gestiegen. Der Unterschied zum Individualverkehr ist markant. Das bringt die Pläne des Bundesrates in Gefahr.

Spätestens jetzt ist es offiziell und nicht mehr nur ein Gefühl, das jede Pendlerin und jeden Pendler schon seit Jahren beschleichen dürfte: Der ÖV wird immer teurer. Das schreibt der Preisüberwacher des Bundes, Stefan Meierhans, in seinem Blog. Aus den von ihm präsentierten Daten geht hervor: Der ÖV-Preis hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt.

Zur Story