Der Ukrainekrieg hat internationale Grosskonzerne gezwungen, Farbe zu bekennen. Über 400 westliche Firmen haben sich aus Russland inzwischen zumindest temporär verabschiedet. Nestlé hingegen zögerte bis heute. Während einige Konkurrenten früh bekannt gaben, nur noch essenzielle Nahrungsmittel in Russland zu verkaufen, hielt Nestlé am Vertrieb von Markenprodukten wie Kitkat-Schokolade, Nesquik oder Eiscrème vor Ort fest.
Dies führte nicht nur auf sozialen Medien zu heftiger Kritik. Selbst Ukraines Präsident Wolodimir Selenski stellte Nestlé mehrfach an den Pranger: «Jeder muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht», sagte er vergangene Woche in einer Videobotschaft (CH Media berichtete). Das gelte auch für Firmen. Denn: «Grosse Unternehmen finanzieren noch immer die russische Kriegsmaschinerie, obwohl sie sich schon längst aus Russland hätten zurückziehen sollen.» Alle würden die Namen kennen. «Das ist kein Geheimnis: Nestlé, Mondelez und weitere grosse Lebensmittelfirmen.»
Nun reagiert Nestlé-Chef Mark Schneider. In einem Statement auf Englisch, das am Mittwoch um 12 Uhr auf der firmeneigenen Webseite publiziert wurde, heisst es: «Künftig werden wir renommierte Nestlé-Marken wie Kitkat und Nesquik sowie andere, suspendieren.» In Perm betreibt der Konzern beispielsweise eine Kitkat-Fabrik.
Während der Krieg in der Ukraine wüte, konzentriere man die Aktivitäten in Russland auf die Bereitstellung von Grundnahrungsmitteln wie Säuglingsnahrung und medizinische Ernährung - «und nicht auf die Erzielung von Gewinnen». Diese Haltung entspreche dem Grundsatz, das Grundrecht auf Nahrung zu gewährleisten. Bereits zuvor habe Nestlé alle nicht lebensnotwendigen Importe und Exporte nach und aus Russland gestoppt, jegliche Werbung eingestellt und alle Kapitalinvestitionen in dem Land ausgesetzt.
Nestlé rechnet zwar nicht damit, in absehbarer Zeit in Russland Gewinne zu erzielen und folglich Steuern zu bezahlen. Alle allfälligen Gewinne würden aber an die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) gespendet. Zudem habe man Hunderte von Tonnen an Lebensmitteln zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine gespendet, sowie für Flüchtlinge. «Diese Bemühungen werden fortgesetzt.» Nestlé stehe an der Seite der Menschen in der Ukraine und den 5800 Mitarbeitenden im Land.
Gemäss Informationen, die Nestlé intern verbreitet hat und die CH Media vorliegen, beschloss der Konzern, zwei der drei Fabriken in der Ukraine nach kurzen Unterbrüchen wieder weiterlaufen zu lassen. Tausende von Mitarbeitenden gehen dort also täglich zur Arbeit - unter Lebensgefahr. Diese Produktionsstätten liegen im Westen des Landes, in Lviv und Lutsk.
Nestlé unterhält noch ein drittes Werk in der umkämpften Stadt Charkiw, dort werden unter anderem Nudeln hergestellt. Diese Fabrik hat Nestlé geschlossen, als sich der Bombenhagel intensivierte. Statt zu produzieren, haben sich die Mitarbeitenden dort entschieden, ein Verteilzentrum für Lebensmittel zu eröffnen, um die lokale Bevölkerung mit Essen zu versorgen. Insgesamt produziert Nestlé in der Ukraine gemäss internen Angaben rund 60 Prozent der Vor-Kriegs-Mengen. Diese Produkte bleiben in der Ukraine, exportiert wird nichts.
Weshalb Nestlé seine Haltung zu Russland nun geändert und weshalb es so lange gedauert hat, wird im Statement nicht erklärt. Gemäss gut informierten Quellen hat die Konzernleitung vor allem der Vorwurf getroffen, Nestlé habe aus «Geldgier» gezögert, die Sanktionen auszuweiten. Der internationale Druck und der Imageverlust dürften das Ihre zur Kehrtwende beigetragen haben. So führt die renommierte US-Universität Yale eine Liste zur Russland-Haltung von Grosskonzernen. Dort figuriert Nestlé unter der unrühmlichen Kategorie «Buying Time», also Zeitschinden, wofür es von Yale die zweitschlechteste Note D gibt.
Kurz nach Kriegsausbruch hatte sich Mark Schneider relativ rasch auf der Social-Media-Plattform geäussert. «Ich möchte meine Bestürzung zum Ausdruck bringen in Bezug auf die Invasion in der Ukraine. Ich stehe an der Seite der internationalen Gemeinschaft und rufe zum Frieden auf.» Und weiter: «Krieg ist keine Lösung.» Allerdings erwähnte er Russland damals mit keinem Wort. Dafür verwendete er bereits in diesem Moment das Wort «Krieg», was andere in Russland tätige Firmen erst vermieden haben.
Nestlé erzielte zu normalen Zeiten in Russland einen jährlichen Umsatz von rund 1.7 Milliarden Franken. Die finanziellen Folgen des jetzigen Entscheids seien «irrelevant», heisst es bei Nestlé, es gehe nicht um solche Überlegungen. Die Mitarbeitenden in Russland erhalten den Lohn weiter. Es handele sich um viele einfache Leute, man würde mit einem Lohnstopp die falschen bestrafen, so offenbar die Überlegung des Konzerns.
Das mit der Fabrik, die Nestlé unkompliziert und sofort in ein Verteilzentrum für Lebensmittel vor Ort umfunktioniert hat, ist doch wieder eine super Sache.
Solche Aktionen sollten fairerweise auch mehr erwähnt werden.
Anstelle der Bezahlung in Rubel hätte ich folgenden Vorschlag: Nordstream 1 per sofort abschalten! Wann begreift der Westen endlich, dass diese Salamitaktik Putin in die Hände spielt? Es darf doch in solch einer Situation mit sofortiger Wirkung kein einziger Rubel mehr nach RUS fliessen..!
Aber nein, könnte ja kalte Finger geben, gäll... ein Hohn für jeden in der Ukraine Lebender...