Der Höhenflug des Börsenlieblings Tesla setzt sich fort. Am Donnerstag legte das Wertpapier des 2003 gegründeten Autobauers im frühen Handel an der Technologiebörse Nasdaq erneut zu und der Kurs der Tesla-Aktie gewann bei starken Ausschlägen bis zu 2 Prozent. Zwischenzeitlich kostete das Wertpapier 582 Dollar. Diese Entwicklung war umso erstaunlicher, als dass der amerikanische Aktienmarkt nach der Rekordjagd der vergangenen Woche erneut stotterte.
Weil gleichzeitig in Frankfurt das Wertpapier des traditionsreichen Autobauers Volkswagen an Terrain verlor, behielt Tesla aber den am Mittwoch gewonnenen Ehrentitel, nach dem japanischen Toyota-Konzern der zweitwertvollste Autobauer der Welt zu sein. Die Börsenkapitalisierung von Tesla belief sich auf mehr als 103 Milliarden Dollar. Volkswagen hingegen ist, nach dem aktuellen Wechselkurs von Dollar und Euro, weniger als 100 Milliarden Dollar wert.
Für diesen Höhenflug gibt es, selbst in den Augen langjähriger Börsianer, keine nachvollziehbare Erklärung. Zwar stimmt es, dass Tesla im allgemeinen und Konzernchef Elon Musk im speziellen die Probleme in den Griff bekommen haben, die den Autobauer im vorigen Jahr plagten. Die Absatzzahlen sind solide, auch wenn die 112'000 Elektro-Fahrzeuge, die Tesla im 4. Quartal 2019 auslieferte, natürlich mit den Vergleichszahlen eines Riesen wie General Motors nicht mithalten können.
GM lieferte allein in Amerika im 4. Quartal des vergangenen Jahres 736'000 Fahrzeuge aus. Gerade eben eröffnete der Autobauer in China eine neue Fabrik, und nun hofft Tesla, vom Burgfrieden in den amerikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen zu profitieren. Auch gelang es Tesla, im vorigen Herbst mit 143 Millionen Dollar einen Quartalsgewinn zu erwirtschaften, obwohl fast sämtliche Investoren erneut mit einem Verlust gerechnet hatten.
Und schliesslich brachte Tesla-Finanzchef Zach Kirkhorn endlich die Ausgaben unter Kontrolle – auch weil der Konzern ein einschneidendes Sparprogramm umsetzte und die Zahl der Angestellten von einst gegen 48'000 reduzierte.
Aber solche positiven Meldungen rechtfertigen eigentlich keine Bocksprünge, wie sie die Aktie von Tesla derzeit vollzieht – der Kursgewinn seit Jahresanfang beträgt mehr als 30 Prozent. Denn der Autobauer kämpft nach wie vor mit den gleichen strukturellen Problemen, mit den er sich im vorigen Jahr konfrontiert sah.
So ist es Tesla bisher noch nie gelungen, einen Jahresgewinn auszuweisen. Der Schuldenberg des Unternehmens beläuft sich auf mehr als 10 Milliarden Dollar. Und an der Spitze von Tesla steht nach wie vor ein Mann, der zwar vor Ideen sprüht, aber eben auch höchst unberechenbar ist.
So stand Musk im vorigen Monat in Kalifornien für den Vorwurf vor Gericht, einen Briten auf Twitter beleidigt zu haben. Musk wurde zwar von den Geschworenen in dem Zivilprozess freigesprochen – aber erst, nachdem er in den Zeugenstand gerufen worden war. Selbst im klagefreundlichen Amerika kommt es selten vor, dass der Chef eines Konzerns vor Bundesgericht das Wort ergreift, um sich zu verteidigen.
Seine Fans finden, dass es just die Unberechenbarkeit Musks ist, die für den Erfolg Teslas und das Aktienhoch verantwortlich gemacht werden könne. Sie nennen den 48-jährigen Ingenieur aus Südafrika einen Visionär, der traditionsreiche Branchen – dazu gehört auch der Tunnelbau und die Raumfahrt – aufmische. So revolutionierte Musk den Autoverkauf, indem er so genannte «Galerien» in Einkaufszentren eröffnete, in denen die Tesla-Fahrzeuge ausgestellt sind.
Andere Stimmen nennen die Tesla-Aktie quasi einen Selbstläufer. Weil das Papier stetig zulege, errege es die Aufmerksamkeit neuer Käufer. «Der wichtigste Grund dafür, dass die Aktie sich im Aufwärtstrend befindet, ist: Sie befindet sich im Aufwärtstrend», zitierte das «Wall Street Journal» einen australischen Spekulanten.
Dazu passt auch die langjährige Fehde zwischen Musk und denjenigen Börsianern, die Wetten auf einen baldigen Crash der Tesla-Aktie abgeschlossen haben. Der Konzernchef wettert auf Twitter regelmässig gegen diese Leerverkäufe, hält damit allerdings auch die Debatte über diese Spekulanten am Leben.
Einigen Beobachtern ist diese Entwicklung schlicht unheimlich. So schrieb der altgediente Konsumentenschützer Ralph Nader, ein Stachel im Fleisch der amerikanischen Autoindustrie, am Mittwoch auf Twitter: Wenn die Blase an der Börse platze, dann werde einer der Gründe dafür sein, dass die Tesla-Aktie derart stark zulegte, und selbst die Erwartungen spekulativer Eiferer übertraf. (bzbasel.ch)