Nacht auf Samstag, 2 Uhr, die Luft ist kühl, der Frühling liegt darin. An der Zürcher Langstrasse nimmt das allnächtliche Karussell aus Musik, Alkohol und irrwitzigem Lachen gerade richtig Fahrt auf. Ich muss in fünf Stunden bereits wieder aus den Federn. Meine Kumpels denken nicht ans Nach-Hause-Gehen, also wanke ich alleine Richtung Limmatplatz.
Fast da angekommen, erscheint wie aus dem Nichts eine Frau neben mir. Ihr Gesicht ist unter einem dicken Schal und einer Wintermütze verborgen. Sie tritt dicht an mich heran, schiebt ihr Velo neben sich her. Es quietscht ein wenig.
«Weisst du, wo hier noch was geht?», fragt mich der Schal auf Hochdeutsch. Die Frau ist einen Kopf kleiner als ich, etwas rundlich. Ich weise in die entgegengesetzte Richtung und antworte, da hinten sei bestimmt noch was los. Dann bleibt sie mit dem Velo unvermittelt vor mir stehen: «Soll ich dir einen blasen?» Verdattert lehne ich ab – «Freundin und so» – und tauche unter in der Menge, die auf den Nachtbus wartet. Sie verschwindet in einer Seitenstrasse.
Am nächsten Morgen wache ich mit schwerem Kopf auf. Allmählich fällt mir die kuriose Begegnung wieder ein, doch ich mache mir nichts draus. Ein Schulterzucken, «Langstrasse halt» und die Geschichte ist gegessen. Vorerst.
Einige Monate später treffe ich einen Kumpel im gleichen Viertel. Er kommt gerade vom Bancomaten, hat die Stirn in Falten gelegt und macht einen grimmigen Eindruck. Als ich ihn nach dem Grund frage, erzählt er mir von einer Begegnung mit einer Frau auf einem Fahrrad, die plötzlich aufgetaucht sei. Als er ausführt, merke ich, dass er gerade dieselbe Begegnung hatte wie ich.
Ein komischer Zufall? Als ich die Geschichte bei einem Feierabendbier einigen Arbeitskollegen erzähle, werden die letzten Zweifel ausgeräumt: Gleich mehrere männliche Kollegen kennen die Geschichte bereits, denn sie hatten dieselbe Begegnung, sagen sie. Eine Frau, trotz milder Temperaturen eingehüllt in einen dicken Schal, mit Velo. «Es war echt unheimlich. Was würde wohl passieren, wenn jemand ihr Angebot annimmt?», fragen sich alle.
Jemand meint gar, sie habe Narben im Gesicht gehabt. Sonst erinnert sich niemand an so etwas. Ein anderer spricht von grossen leuchtenden Augen.
Bei der Stadtpolizei Zürich weiss man nichts von einer vermummten Frau, die auf hochdeutsch Männer in der Umgebung Langstrasse auf Oralverkehr anspricht. «Da müsste ja jemand eine Anzeige machen, damit diese Person bei uns bekannt wird», sagt Marco Cortesi, Sprecher der Stadtpolizei Zürich. Ein paar junge Männer erschrecken ist schliesslich nicht illegal.
Als ich das nächste Mal zurück am Ort des Geschehens bin, frage ich ein bisschen rum. Doch ausser der Antwort, so was sei hier abgesehen von der Vermummung nicht aussergewöhnlich und der Gegenfrage, wo das nächste Puff sei, erfahre ich nicht viel. Das Ganze nimmt immer mehr die Form eines Mythos aus der Zürcher Unterwelt an.
Ob ich bald von einem Kumpel die Geschichte eines vernarbten und vermummten Langstrassen-Geistes auf einem Velo höre, der sich für die sexuelle Ausbeutung an diesem Ort rächt und junge Männer in Angst und Schrecken versetzt?
Echt?
Muahahahaha!
Eine Frau fragt im Kreis 4 Männer ob die Oralverkehr wollen. Sie hat sogar ein Velo. Eine Hipster Nutte? Mega mysteriös. Gut habt ihr die Polizei noch angefragt. Absolute Breaking News!
Kürzlich wurd ich im selben Kreis auch angefragt, ob ich sogar Geschlechtsverkehr wolle!! Da seit ihr platt, ne? Ich werde die Polizei auch mal fragen ob sie diese ca. 20 Frauen kennen und euch einen Bericht darüber abgeben.