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Patienten in Winterthurer Notfallpraxis müssen Geld lockermachen

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Patienten in Winterthurer Notfallpraxis müssen Geld lockermachen

Ein Schild der Notfallpraxis der Permanence Winterthur bittet manche Patienten, die ausserhalb der Bürozeiten behandelt wurden, eine Pauschale zu bezahlen. Dahinter steckt ein Rechtsstreit mit der Krankenkasse Helsana. Diese macht das Schild sauer.
12.07.2024, 02:4517.07.2024, 08:46
Bettina Zanni / ch media
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Ob Wunde am Kopf oder gefährlicher Insektenstich – in Notfallpraxen bekommen Patientinnen und Patienten auch zu später Stunde und am Wochenende sofort Hilfe. Einige von ihnen müssen in der Notfallpraxis der Permanence Winterthur dafür extra Geld lockermachen. Auf einem Schild am Empfang, das sich an Patienten der Krankenkasse Helsana richtet, informiert die Permanence: «Da Ihre Krankenkasse uns unsere Leistungen nicht mehr vollständig vergütet, müssen wir Sie leider ab 19 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen um Direktbezahlung der Dringlichkeits-Pauschale (ca.40.-) bitten.»

Die Rechnung könnten die Patientinnen und Patienten danach der Helsana für die Rückvergütung des Betrags einreichen, heisst es weiter auf dem Schild. «Wir bedauern, dass diese Massnahmen nötig sind», schliesst das Team die Mitteilung ab.

«Höhere Lohnkosten»

Dahinter steckt ein Knatsch zwischen der Notfallpraxis und der Helsana. Seit Dezember 2023 vergütet die Helsana diese Pauschale der Notfallpraxis nicht mehr. Dabei handelt es sich um die Dringlichkeits-Inkonvenienzpauschale F. Diese werde am Abend ab 19 Uhr und am Wochenende, also bei Arbeitszeiten ausserhalb von regulären Büroarbeitszeiten, abgerechnet und sei von grosser Bedeutung, sagt Esther Wiesendanger, Co-Leiterin der Permanence Winterthur. «Schliesslich gehen mit den langen Öffnungszeiten der Notfallpraxis, die täglich von sieben bis 22 Uhr geöffnet ist, höhere Lohnkosten einher.»

Wiesendanger bezeichnet das Angebot von hausärztlichen Notfallpraxen aufgrund der langen Öffnungszeiten und der unregelmässigen Arbeitszeiten für das Personal als herausfordernd. «Das bereits sehr belastete Gesundheitssystem ist aber darauf angewiesen, dass das Angebot von kosteneffizienten hausärztlichen Notfallpraxen weiterhin bestehen bleiben kann.» Da ihre Notfallpraxis den gesetzlichen Notfalldienst abdecke, trage die Permanence Winterthur ausserdem massgeblich dazu bei, drohende Versorgungsengpässe zu entschärfen.

«Pauschale für Arzt, der schon fast beim Znacht sitzt»

Derzeit kämpft die Notfallpraxis der Permanence Winterthur vor Gericht dafür, dass Krankenkassen die besagte Pauschale weiterhin bezahlen. Im Dezember 2023 erzielte die Notfallpraxis bereits einen Erfolg. Das Schiedsgericht des Kantons Zürich wies eine Klage des Krankenkassenverbandes Santésuisse ab, womit die Praxis die geforderten 1,2 Millionen Franken nicht zurückzahlen musste.

Im Gegensatz zu Hausarztpraxen sind Notfallpraxen fast rund um die Uhr offen. Santésuisse hat den Fall weitergezogen, wie Santésuisse-Mediensprecher Manuel Ackermann gegenüber ZüriToday bestätigt. «Die Inkonvenienzpauschale wurde geschaffen, beispielsweise für den Fall des Hausarztes, der schon fast beim Znacht sitzt und plötzlich ausrücken muss», sagt Manuel Ackermann. Im Falle der Permanence sei es hingegen nicht gerechtfertigt, die Pauschale zu vergüten. «Dort handelt es sich um ein Geschäftsmodell, bei dem Einsätze am Abend und an den Wochenenden Teil des regulären Betriebs sind.» Es gehe primär darum, die Prämienzahler vor ungerechtfertigten Kosten zu schützen.

«Aufhängen von Plakaten oder Zetteln ist nicht zielführend»

Krankenkassen haben den Auftrag, Leistungen zu kontrollieren. Grundlage dafür sind die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Helsana hält an ihrem Vorgehen im Fall der Winterthurer Permanence fest. «Die Haus- und Notfallpraxis der Permanence Winterthur AG und verschiedene Krankenversicherer, darunter auch die Helsana, haben seit einiger Zeit unterschiedliche Auffassungen über die Vergütung der Dringlichkeits-Inkonvenienzpauschalen», sagt Nico Nabholz, Mediensprecher der Helsana. Da es sich allerdings um ein laufendes rechtliches Verfahren handle, könne sich die Helsana leider nicht näher dazu äussern.

Die Helsana bedauere dadurch entstehende Unannehmlichkeiten für ihre Kundinnen und Kunden sehr und hoffe, die Differenzen mit der Winterthurer Permanence möglichst rasch einvernehmlich klären zu können, sagt Nabholz. «Das Aufhängen von Plakaten oder Zetteln erachten wir dabei als nicht zielführend.»

Pauschale werde zurückbezahlt

Ausbaden müssen die Patientinnen und Patienten den Knatsch aber nicht. «Wir bezahlen unseren Kundinnen und Kunden die Pauschale zurück», sagt Nico Nabholz. Nicht erspart bleibe ihnen dabei der damit verbundene Aufwand, dies in Rechnung zu stellen. Falle das Urteil zugunsten der Helsana aus, müsse die Notfallpraxis die Pauschalen zurückerstatten.

Können Patientinnen und Patienten der Helsana die Pauschale nicht bezahlen, schaut das Team der Notfallpraxis die Situation individuell an. «Das Patientenwohl steht für uns stets an oberster Stelle», sagt Esther Wiesendanger.

Der Rechtsstreit um die Frage, ab wann Praxen einen Notfall abrechnen dürfen, ist in der Schweiz kein Einzelfall. Die Gerichte entscheiden aber nicht immer gleich. Wie die Notfallpraxis der Permanence Winterthur verrechnet der City Notfall beim Bahnhof Bern nach 19 Uhr eine Pauschale von 40 Franken. Das Schiedsgericht gab den Krankenkassen im Herbst 2023 Recht und verlangte vom City Notfall laut der «Berner Zeitung» 1,4 Millionen Franken zurück.

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