Ein wegen Geldwäsche inhaftierter Ex-Manager des staatlichen Ölkonzerns Petrobras hat schwerwiegende Korruptionsvorwürfe gegen sein früheres Unternehmen und dutzende Politiker der Regierungskoalition erhoben.
Im Gegenzug für das brisante Geständnis vereinbarte Paulo Roberto Costa mit der Polizei eine Minderung seiner drohenden Haftstrafe, wie brasilianische Medien am Wochenende berichteten.
Unter den Beschuldigten sind laut der oppositionsnahen Sonntagszeitung «Veja» auch ranghohe Spitzenpolitiker: Darunter Energieminister Edison Lobao, die Präsidenten des Senats und des Abgeordnetenhauses, Renan Calheiros und Henrique Alves, sowie der jüngst bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Präsidentschaftskandidat Eduardo Campos.
Die Zahlen weichen zwar leicht voneinander ab, insgesamt stehen den Medienberichten zufolge aber rund 50 Mandatsträger der drei stärksten Parteien im Nationalparlament unter Verdacht. «Jeden Tag klopfte ein Politiker bei mir an die Tür», soll Costa den Beamten den Berichten zufolge erzählt haben.
Während seiner Zeit als Vetriebs- und Raffinerie-Direktor von 2004 bis 2012 hätten die Staatsbediensteten von jedem abgeschlossenen Petrobras-Vertrag profitiert: Auftragnehmer überwiesen demnach drei Prozent der Vertragssumme an eine Geldwäsche-Organisation, die das Geld dann an die Politiker weiterleitete.
Um die Schmiergeld-Zahlungen zu vertuschen, seien zahllose Subgesellschaften innerhalb des Petrobras-Konzerns gegründet worden – und zwar quer durch alle Geschäftszweige.
Die Anschuldigungen betreffen demnach neben Politikern der linken Arbeiterpartei von Präsidentin Dilma Rousseff auch Mandatsträger in den Reihen ihres wichtigsten Koalitionspartners, der Mitte-Rechts-Partei PMDB, sowie der Fortschrittspartei. Die Zeitung «Estado de Sao Paulo» berichtete gar über die Verwicklung von fünf nicht näher identifizierten Parteien.
Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dürften sie vor allem dem Lager von Rousseff schaden, da der brasilianische Staat erheblichen Einfluss auf die Firmenleitung von Petrobras ausübt. Profitieren könnte hingegen die mit dem Reformversprechen einer «neuen Politik» antretende Präsidentschaftskandidatin Marina Silva, die im Oktober gegen Rousseff antritt und in jüngsten Umfragen deutlich vor der Amtsinhaberin liegt.
Rousseff selbst reagierte zurückhaltend auf den Medienwirbel um die Korruptionsvorwürfe. Sie wolle zunächst die weiteren Details abwarten und sich erst dann äussern und mögliche Massnahmen ergreifen.
Energieminister Lobao bestritt indes, von Schmiergeldzahlungen profitiert zu haben: Er habe lediglich «institutionelle Verbindungen» mit dem früheren Petrobras-Manager Costa gepflegt.
Das Protokoll von Costas dutzende Stunden dauernden Zeugenaussage liegt nun beim Obersten Gerichtshof Brasiliens, der über eine mögliche Haftminderung entscheiden soll. Costa drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis.
Für Rousseff kommt die Affäre zur Unzeit, da am 5. Oktober ein Superwahltag in Brasilien ansteht: Dann bestimmt das Volk das künftige Staatsoberhaupt und ein neues Parlament, zudem stehen einflussreiche Gouverneursmandate und einen Teil der Senatsmandate zur Wahl.
(dsc/sda/afp)