«Ich hab geträumt von dir, von unserer Wembley-Nacht. Wir haben den Cup gewonnen, den Thron erklommen, der Arjen hat’s gemacht.»
Seit Arjen Robben die Bayern im Jahr 2013 zum Champions-League-Titel schoss, ist ihm ein Platz in den Herzen des Münchner Anhangs auf sicher. In Anlehnung an Matthias Reims Schlager-Kracher «Ich hab geträumt von dir» haben die Bayern-Fans dem Siegtreffer des Holländers sogar einen Song gewidmet, welcher in der Südkurve der Allianz Arena in dieser Hinrunde wieder rauf und runter gesungen wurde. Denn der pfeilschnelle Flügelflitzer spielte diesen Herbst schlicht überragend. Doch Robben stand nicht immer Hoch im Kurs bei den Bayern-Fans.
Bayern und Robben – Liebe auf den ersten Blick war das nicht, obschon die sportliche Leistung von Anfang an mehr als nur stimmte: Im Jahr 2009 stösst der 25-jährige Robben von Real Madrid zum deutschen Traditionsverein und erobert die Bundesliga wie holländische Wohnwagen im August die Campingplätze an der kroatischen Adriaküste. Er übernimmt sofort das Bayern-Steuer und führt den Rekordmeister zum Meistertitel. Ende Saison stehen beim Filigrantechniker 16 Tore und sieben Assists zu Buche.
Doch der Neuzuzug ist bei den Fans nicht unumstritten. Seine divenhafte Art und seine durch und durch egoistische Spielweise polarisieren. Robbens zwiespältiger Ruf scheint ihm vorauszueilen. Noch gibt ihm der Erfolg nicht recht.
Die Polemik um die Personalia Robben reisst auch in den darauffolgenden Saisons nicht ab. Obschon er auch in den Spielzeiten 2010/2011 und 2011/2012 zwölf Treffer erzielt, ist der flinke Flügel in den Köpfen des Bayern-Anhangs nicht nur ein begnadeter Fussballspieler, sondern eben auch ein Schwalbenkönig, ein Hypochonder und nicht zuletzt ein Holländer.
Den Tiefpunkt seiner Zeit bei Bayern erreicht Robben beim denkwürdigen «Finale dahoam». Im Endspiel der Champions-League-Saison 2011/2012 sind die Münchner drückend überlegen, dominieren das Jahrhundert-Spiel quasi nach Belieben und stehen dank eines Treffers von Thomas Müller kurz vor dem Titelgewinn. Gegner Chelsea ist eigentlich stehend k.o. Doch dank eines Kopfballtreffers von Didier Drogba in der 88. Minute können sich die «Blues» in die Verlängerung retten.
Dort sind gerade mal drei Minuten gespielt, als Franck Ribéry im Strafraum gefoult wird und der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt zeigt. Robben schnappt sich sofort die Kugel und nimmt Anlauf – obwohl er erst kürzlich gegen Dortmund einen kapitalen Elfmeter versemmelt hat. Und tatsächlich, der Holländer verschiesst auch dieses Mal. Es kommt wie es kommen muss: Chelsea schnappt sich im Elfmeterschiessen den Pokal und stürzt Bayern ins Elend. Der Sündenbock ist schnell gefunden. Robbens Popularität ist auf dem Nullpunkt angelangt.
Zwei Tage nach dem bayrischen Supergau ist im «Tages-Anzeiger» bereits die Rede davon, dass Shaqiri jetzt die grosse Chance habe, in Robbens Fussstapfen zu treten. Ja, der Schweizer habe nach dem Robben-Blackout sogar die Chance Publikumsliebling zu werden, meinen die Experten Sforza und Stiel.
In der Tat, Robben hadert: An der EM scheidet er mit «Oranje» nach drei Niederlagen aus, in der kommenden Bundesliga-Saison kommt er – unter anderem wegen Verletzungen – auf lediglich sechs Treffer.
Doch der 23. Mai und jener legendäre Abend im Wembley machen alle Robben-Leiden auf einen Schlag vergessen. In nur einer Szene macht sich der Holländer bei den Bayern-Fans unsterblich: Im Champions-League-Final gegen Erzrivale Dortmund läuft beim Stand von 1:1 die 89. Minute, als Robben von Ribéry an der Strafraumgrenze bedient wird und die Kugel mit etwas Glück und vor allem mit unendlich grossem Willen zum entscheidenden Treffer ins BVB-Tor schiebt. Robben ist plötzlich ein Superheld: «Wir haben den Cup gewonnen, den Thron erklommen, der Arjen hat’s gemacht.»
Dieser eine Treffer gibt dem Holländer das nötige Selbstvertrauen zurück. In der nächsten Bundesliga-Saison kommt er auf 18 Skorerpunkte und wird mit den Bayern überlegen Meister. Pep Guardiola und der sensible Robben scheinen sich bestens zu verstehen. In der laufenden Spielzeit hat Robben bis jetzt 13 Spiele gespielt, dabei zehn Tore erzielt und drei Vorlagen gegeben – somit ist er aktuell zweitbester Torschütze der Bundesliga. So stark wie jetzt war der Holländer wohl noch nie.
Am 16. Spieltag erreicht der Bayern-Stürmer einen weiteren Meilenstein: Er ist nun der erste Spieler der Bundesliga, der mehr Tore (65) erzielt, als Gegentore (64) miterlebt hat. Inzwischen ist noch einmal ein Gegentor und ein Treffer hinzugekommen. Eindrücklicher als mit diesem Rekord kann man wohl kaum beweisen, wie wertvoll die Arbeit von Robben während seines gesamten Bayern-Engagements war. Hätte er aber diesen einen Treffer in der «Wembley-Nacht» nicht erzielt, dann hätte er nicht nur diesen Rekord nicht geknackt, dann wäre er bei den Bayern-Fans wohl immer noch ein wenig ein Schwalbenkönig, ein Hypochonder und nicht zuletzt ein Holländer.
Robben: Einziger Profi in BL-Historie (mit mind. 5 Spielen), der mehr Tore schoss (65) als Gegentore miterlebte (64). pic.twitter.com/WgWNZyveOM
— FC Bayern München (@FCBayern) 19. Dezember 2014