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Bilder manipulieren leicht gemacht – wie Photoshop unseren Blick auf die Realität verändert

25 Jahre Photoshop

Bilder manipulieren leicht gemacht – wie Photoshop unseren Blick auf die Realität verändert

Bildmanipulation gibt es schon, seit es Bilder gibt. Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung hat sich das Problem jedoch verschärft. Photoshop & Co. haben unseren Blick auf die Realität verändert. 
20.02.2015, 15:1120.02.2015, 18:47
Daniel Huber
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Am 17. November 1997 überfielen islamistische Terroristen eine überwiegend schweizerische Touristengruppe im ägyptischen Luxor und richteten ein Blutbad an. Nicht blutig genug für den «Blick»: Die Boulevardzeitung veröffentlichte ein Bild vom Tatort, auf dem eine Wasserlache nachträglich blutrot eingefärbt worden war.  

Die Bildmanipulation flog rasch auf. Heute tauchen das retuschierte Bild und sein Original in fast jeder Zusammenstellung von manipulierten Bildern auf. Die Liste solcher Fälschungen ist lang, und sie beginnt bereits in den Kindertagen der Fotografie. Glasplatten und Negative wurden mehrfach belichtet oder nachträglich bearbeitet, Fotos montiert, Szenen nachgestellt. 

«Wer die Bilder beherrscht, beherrscht die Köpfe.»
Bill Gates

Aus den Augen, aus dem Bild

Besonders eifrig liessen Diktatoren Bilder fälschen. Stalin liess in Ungnade gefallene Mitstreiter aus Fotos herauskratzen: Auf die physische Vernichtung des Gegners folgte der Versuch, auch die Erinnerung an ihn auszulöschen – ein Verfahren, das schon die alten Römer als Damnatio memoriae («Verdammung des Andenkens») praktizierten. 

Bilder, die lügen: Manipulierte Fotos

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Ein Bild lügt mehr als 1000 Worte: Was dir diese Fotos nicht zeigen
Anfang 2016: Dieses Bild sorgt in den sozialen Medien für Aufregung. Selbst Politiker teilen das Foto – mit der entsprechenden Botschaft: «Deutschland 2030. Woher kommst du denn?» Es gibt auch Variationen «Italien 2030» oder «Russland 2050». Die Absicht ist immer dieselbe: ausländerfeindliche Stimmungsmache.
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Obwohl die Möglichkeiten der Bildmanipulation also lange vor Photoshop bestanden und auch eingesetzt wurden, gelang es der Fotografie – besonders der Pressefotografie – im 20. Jahrhundert, zum Medium der Wahrheit schlechthin zu werden. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heisst es, und wir sind uns gewohnt, das zu glauben, was wir sehen. 

Viele manipulierte Fotografien beim "World Press Photo"-Wettbewerb
Beim Wettbewerb um das beste Pressefoto des Jahres haben Bewerber massenhaft manipulierte Arbeiten eingereicht. Jedes fünfte Bild, das es dieses Jahr bis in die vorletzte Runde geschafft hatte, wurde wegen digitaler Nachbearbeitung von der Jury aussortiert.
Dabei sei es nicht um Aufhellungen oder kleinere Retuschen gegangen, erzählte Lars Boering, der Direktor des Wettbewerbs, dem Magazin «Der Spiegel». Vielmehr waren Bildinhalte entfernt oder hinzugefügt worden. (whr/sda)
«Die Wahrheit liegt nur noch einen Mausklick neben der Fälschung.»
Udo Reiter

Technik suggeriert Objektivität

Möglicherweise verdankte die Fotografie ihre Glaubwürdigkeit dem Umstand, dass es sich bei ihr um ein chemisch-physikalisches Verfahren handelt – Technik suggeriert Objektivität. Ironisch genug ist es nun der technische Fortschritt, der diese Glaubwürdigkeit wieder unterminiert: Im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung ist die Fotografie entkörperlicht; an die Stelle der Negative, die man als Beweis der Wahrheit heranziehen konnte, sind digitale Rohdaten getreten. 

Seit Photoshop & Co. zum gängigen Arbeitsmittel der Fotografen und Redaktoren geworden sind, haben sich die Möglichkeiten der Bildmanipulation vervielfältigt. Früher war es eine aufwändige Angelegenheit, Bilder zu fälschen. Heute kann auch der Laie die Realität mit einigen Mausklicks schönen. Auf die Inflation der manipulativen Eingriffe folgt zwangsläufig die Erosion der Glaubwürdigkeit. 

«Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.»
Rudyard Kipling

Manipulation fängt nicht mit Photoshop an

Dabei hat sich grundsätzlich gar nicht viel verändert. Fotos waren, wie erwähnt, von Anfang an Objekt der Manipulation. Und Manipulation war schon immer auch möglich, ohne die Bilder überhaupt anzurühren: durch irreführende Bildlegenden zum Beispiel, oder durch die Wahl von Motiv, Perspektive oder Ausschnitt. 

So merkt der Betrachter in der Regel auch nicht, wie die Präsenz des Fotografen die abgelichtete Situation beeinflussen kann – analog zur Heisenberg'schen Unschärferelation in der Quantenphysik, die den Einfluss des Messvorgangs auf das Gemessene aufzeigt. Das untenstehende Video zeigt diesen Einfluss – aus israelischer Warte – anhand des Nahostkonflikts: 

Die Beziehung zwischen Fotojournalisten und Steine werfenden palästinensischen Jugendlichen.Vimeo/Ruben Salvadori
«Die Fälschung unterscheidet sich vom Original dadurch, dass sie echter aussieht.»
Ernst Bloch

Die Bastion der Profis wankt

Neben der technischen Machbarkeit der Manipulation verschärft ein weiterer Faktor das Problem der Glaubwürdigkeit von Bildern: Immer mehr Fotos stammen nicht von Fotojournalisten sondern von Amateuren und Leserreportern. Diese Bilder werden auf sozialen Medien verbreitet oder direkt an Redaktionen geschickt. Gerade bei Fotos aus Konfliktgebieten ist stets damit zu rechnen, dass sie eine ganz bestimmte Sicht der Dinge transportieren sollen. 

Für die professionellen Bildproduzenten und die Bildverwerter in den Redaktionsstuben ist diese Entwicklung nicht nur deshalb unangenehm, weil sie das Problem der Glaubwürdigkeit verschärft. Sie bedroht letztlich auch ihre berufliche Stellung; die Mauer zwischen Journalist und Leser bröckelt. 

All dies führt dazu, dass Fotos den Nimbus des objektiven Beweismittels verlieren, den sie ohnehin nie verdient hatten. Das können auch ausgefeilte Softwareprogramme nicht verhindern, die Bilder verifizieren sollen. Fotos, die sich beinahe so leicht verändern lassen wie Wörter und Sätze, nähern sich immer mehr Texten an – ihre Glaubwürdigkeit ist letzten Endes wie bei diesen an die Autorenschaft geknüpft

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