Es ist eine ganz normale Sendung. Ein paar Minuten über die schrille Scheinheiligkeit von Fox News. Ein Interview mit Ex-Wahlstratege David Axelrod, der seine Memoiren geschrieben hat. Den Knüller aber hebt Jon Stewart am Dienstagabend bis zwei Minuten vor Schluss auf.
«Es ist Zeit für einen anderen», sagt der Moderator und Chef der «Daily Show», Amerikas bekanntester Comedy-Sendung. «Nicht sofort.» Aber: «Diese Sendung verdient es nicht, einen nur im geringsten rastlosen Gastgeber zu haben.» Will heissen: Stewart macht bald Schluss.
Es musste irgendwann ja so kommen. Seit 1999 moderiert Stewart, 52, die «Daily Show». Damals war er noch brünett, frischwangig und optimistisch. Heute hat er graue Schläfen und sichtbare Sorgenfalten. Terror, Finanzkrise, IS, Ukraine: Worüber will man da noch lachen?
«Es war ein Privileg», sagt Stewart. «Es war die Ehre meines professionellen Lebens.» Er versucht, die Tränen hinwegzujuxen: «Was ist diese Flüssigkeit? Was sind diese Gefühle?» Das Studiopublikum hilft ihm aus mit warmem Applaus. «Wir lieben dich, John!», ruft einer.
Seine Sendungen sind ernster geworden, nicht erst nach seinem Ausflug ins Filmemachen. Er selbst grübelte schon länger übers Ende nach. Sein Vertrag – der ihn mit bis zu 30 Millionen Dollar zum bestbezahlten TV-Moderator Amerikas macht – besser als Latenight-Ikone David Letterman –, läuft ohnehin zum Jahresende aus.
Millionen Amerikaner sehen die «Daily Show» als den Ort, wo sie sich die richtigen Nachrichten abholen können. Indem Stewart News und diejenige, die sie machen, gnadenlos enttarnt, zerpflückt und erklärt, ist seine Sendung informativer als der Quark, der über die Networks dröhnt oder die Kabelsender wie CNN, MSNBC und vor allem Fox News.
Ironisches Timing unterstrich das am Dienstag: Die Meldung von Stewarts Abtritt kam zeitgleich mit der von der sechsmonatigen Zwangspause, zu der NBC Anchorman Brian Williams verdonnert hat. Amerikas «seriösester» Nachrichtenmann hatte sich beim Lügen über seinen Einsatz während der Irak-Invasion 2003 erwischen lassen. So scheint die Welt: Satire liefert Wahrheit, «Nachrichten» liefern Lügen, glauben viele Amerikaner.
Weltweit kopiert («heute-show»), nie erreicht: «Für Millionen Fans ist die ‹Daily Show› zum kulturellen Massstab geworden», sagt Michele Ganeless, Chefin des Haussenders Comedy Central. «Eine beispiellose Plattform für politische Comedy, die noch auf Jahre fortdauern wird.» Die Zeit danach wird hart für den Kabelkanal. Seit Stewart die «Daily Show» vom ersten Moderator Craig Kilborne übernahm, sind die Quoten um 400 Prozent gestiegen. Fraglich, ob sie sich bei rund 2,5 Millionen Zuschauern pro Abend (plus Millionen online) halten können.
Zwar hat die «Daily Show» aus ihrem «Korrespondenten»-Pool viele neue Talente geboren. Doch die sind entweder abgewandert, wie Stephen Colbert, der im September Lettermans «Late Show» auf CBS übernimmt. Oder nach Hollywood gezogen, wo Steve Carell jetzt mit «Foxcatcher» für einen dramatisch-ernsten Oscar nominiert ist.
Dabei war die «Daily Show», 1996 von Komikerin Lizz Winstead und Produzentin Madeleine Smithberg erfunden, anfangs selten politisch. Als Craig Kilborn nach internen Spannungen ging, war Stewart, ein 36-jähriger Standup-Comedian, nicht der erste Name auf der Wunschliste. Es war «eine unglaubliche Gelegenheit», wie er am Dienstag sagt. Und unter ihm wurde die Sendung politisch, bissig, kontrovers und vor allem: relevant.
Erstes Ziel seines Spotts: Bill Clinton. Die Wahlen von 2008 und 2012 katapultierten die «Daily Show» zu globaler Prominenz – verhasst von den Rechten, verehrt von den Linken, die Stewart gleichermassen aufs Korn nimmt. Kein Wahlkämpfer kam an ihm vorbei, auch nicht Barack Obama, der bei seinem ersten Auftritt 3,6 Millionen Zuschauer anlockte.
2010 kehrte er zurück, als erster amtierender US-Präsident. Im selben Sommer schmissen Stewart und Colbert in Washington die «Rally to Restore Sanity and/or Fear». Eine Viertelmillion alberten auf der National Mall gegen Politfrust und Tea-Party-Polemik.
Trotz 18 Emmys und zwei Peabody Awards – sonst nur für «ernsten» Journalismus verliehen – wurde das Format mit den Jahren wiederholend. Die Live-Zuschauer, die stundenlang vor dem Studio in Manhattans West Side ausharren, geniessen Stewarts regelmässige Standup-Begrüssung fast mehr als die eigentliche Show, die abzüglich Werbespots kaum 20 Minuten dauert.
Was danach kommt? Eines weiss Stewart: «Ich werde wochentags mit meiner Familie Abendessen», freut er sich. Von der habe er «über mehrere Quellen gehört dass sie entzückende Menschen sein sollen».