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So wie Valentino Rossi zurück an die Spitze kam, könnte das Roger Federer auch

Er lacht wieder als Nummer 1: Valentino Rossi.
Er lacht wieder als Nummer 1: Valentino Rossi.Bild: EPA/ANSA

So wie Valentino Rossi zurück an die Spitze kam, könnte das Roger Federer auch

Valentino Rossi schreibt die beste Story seit Anbeginn der Töffgeschichte. Es ist, als ob Roger Federer die Tenniswelt wieder dominieren würde. 
29.05.2015, 14:44
Klaus Zaugg, mugello
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Ein Blick zurück zeigt uns die ganze Dramatik. Mugello ist seine Schicksalsstrecke. Hier ist Valentino Rossi in seinen besten Jahren unbesiegbar. Zwischen 2002 und 2008 gewinnt er das Rennen der Königsklasse sieben Mal hintereinander. Aber auf diesem teuflisch schnellen Rundkurs in der Toskana (Durchschnittsgeschwindigkeit des Siegers: 173,80 km/h) geht scheinbar auch seine Ära zu Ende. Am 5. Juni 2010 zieht sich Valentino Rossi bei einem Sturz im Training zum GP von Italien einen doppelten Beinbruch zu. Er ist zu diesem Zeitpunkt Titelverteidiger in der Königsklasse. 

Es ist seine schwerste Verletzung. Zum ersten Mal muss er mehrere Rennen auslassen. Der legendäre britische Töff-Reporter Michael Scott sagt am Abend dieses 5. Juni 2010: «Er ist erledigt.» 

Valentino Rossi bei seinem Unfall 2010, der seine Karriere veränderte.
Valentino Rossi bei seinem Unfall 2010, der seine Karriere veränderte.Bild: AP

Die Schildkröte als Selbstironie

Michael Scott scheint recht zu haben. Valentino Rossi kann von nun an nicht mehr um den Titel fahren. 2011 und 2012 ist er nicht dazu in der Lage, mit dem italienischen Kulttöff Ducati zu siegen. Beim GP von Malaysia wird er 2011 unschuldig in den tödlichen Unfall seines Freundes Marco Simoncelli verwickelt. Auch nach der Rückkehr zur Weltmeister-Marke Yamaha auf die Saison 2013 muss er seinen jungen Herausforderern den Vortritt lassen. Die «Gnadenlosen» der neuen Generation – den acht Jahre jüngeren Jorge Lorenzo, den 14 Jahre jüngeren Marc Marquez – kann er im Kampf um den Titel in der Königsklasse nicht mehr in Schach halten. 

Der Italiener bleibt trotzdem mit grossem Abstand der populärste Fahrer der Welt. Denn er ist auch ein genialer Kommunikator. Seine globale Popularität verdankt er nicht nur seinen grandiosen Siegen, sondern ebenso seinem Wesen und Wirken. Seinem Humor und seiner Schlagfertigkeit. Für Mugello kreiert er jedes Jahr eine spezielle Bemalung für seinen Helm. 2013 hat er eine Schildkröte gewählt. Mit der Begründung, er werde langsamer. 

Valentino Rossi mit dem Schildkröten-Helm 2013. 
Valentino Rossi mit dem Schildkröten-Helm 2013. Bild: EPA

Nur Lob für seine Gegner

Der «Doktor» (er ist Ehrendoktor der Kommunikation) verändert sich nach 2010. Der «Kannibale» hat einst alles, aber auch wirklich alles für den Sieg getan und seine Rivalen mit ausgesuchten Provokationen auch neben der Rennpiste zermürbt. Und die Feindschaft mit den Gegnern genüsslich zelebriert. 

Nun wird vieles anders. Valentino Rossi provoziert seine Rivalen nicht mehr. Er lobt sie. Und zwar ohne ironischen Unterton. Er freut sich mit ihnen, wenn sie siegen. Er demonstriert öffentlich seine Bewunderung für Marc Márquez, den neuen Stern am Töffhimmel, der wegen seiner gnadenlosen Fahrweise als «Boden-Boden-Rakete» verehrt wird. Für seinen Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo hat er seit der Rückkehr zu den Japanern nur lobende Worte. Er steckt Niederlagen mit einem Lächeln und staatsmännischer Gelassenheit weg. Jetzt fährt er scheinbar nicht mehr um den Sieg. Er fährt weil ihm noch immer nichts so viel Kurzweil bereitet wie Rennen zu fahren. Noch einmal, zum 10. Mal Weltmeister werden? Nein, das scheint ausgeschlossen. 

Valentino Rossi und Marc Marquez (r.). Kann der Oldie den Jungstar nochmals ausbremsen?
Valentino Rossi und Marc Marquez (r.). Kann der Oldie den Jungstar nochmals ausbremsen?Bild: Miguel Angel Morenatti/AP/KEYSTONE

Plötzlich fliegen die Giftpfeile wieder

Aber jetzt ist Valentino Rossi wieder da. Wieder die Nummer 1. Er führt vor dem GP von Italien in Mugello die WM-Wertung der Königsklasse an. Er kann 2015 noch einmal Weltmeister werden. Es ist, als sei er nur kurz weg gewesen. Michael Scott hatte vielleicht doch unrecht.

Valentino Rossi ist am 16. Februar 36 geworden. Es scheint, als habe er das Rad der Zeit zurückgedreht. Seine Herausforderer sind verunsichert. Und am Vorabend zum GP von Italien zeigt sich der neue, alte Valentino Rossi. So wie er vor seinem Unfall von 2010 war. Der bedingungslose Siegfahrer. Er wird gefragt: Falls du in Mugello nicht gewinnen solltest – wen hättest Du dann lieber als Sieger: Marc Marquez oder einen der Ducati-Piloten? Er sagt: Natürlich Marquez. Schliesslich hat er den grössten Rückstand aufzuholen. Er sagt es ohne Ironie. Ein verbaler Giftpfeil, der den Titelverteidiger trifft. Es ist eine Kampfansage.  

In drei Jahren die Yamaha zurechtgeschneidert

Wie ist diese Rückkehr möglich geworden? Nun, Valentino Rossi ist noch immer der talentierteste Fahrer. Aber er hat Zeit benötigt, um die Yamaha nach seiner Rückkehr wieder ganz auf seinen Fahrstil zurechtzuschneidern. Jetzt, im dritten Jahr ist es gelungen. Und gleichzeitig waren sich seine Rivalen ihrer Sache zu sicher.  

Rossi mit Teamkollege Jorge Lorenzo: Der Italiener hat den Spanier abgehängt.
Rossi mit Teamkollege Jorge Lorenzo: Der Italiener hat den Spanier abgehängt.Bild: MAX ROSSI/REUTERS

Yamaha hat den technologischen Rückstand auf Honda wettgemacht. So ist es oft im Motorsport. Die Sieger sind im Winter zu sicher. Die Verlierer setzen Himmel und Hölle in Bewegung und wenn das Frühjahr kommt, sind die Sieger der letzten Saison die Verlierer der ersten Rennen. Beim letzten GP in Le Mans war offensichtlich: Nicht Marc Marquez war das Problem. Sondern Honda. 

Intelligenz, Charisma und Talent schlagen den Alterungsprozess

Und so stellt sich jetzt die Frage: Warum sollte Roger Federer nicht auch das gleiche Kunststück schaffen wie Valentino Rossi und wieder die Nummer 1 der Welt werden? Beide sind nach wie vor die Superstars ihrer Sportart. Beide haben neue Massstäbe im sportlichen und kommerziellen Bereich gesetzt und beide gehören zu den bekanntesten Menschen der Zeitgeschichte.  

Wie Roger Federer hat Valentino Rossi nicht als Kämpfer und «Chrampfer», sondern mit Talent, Intelligenz und Charisma seinen Sport erobert. Und mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit dominiert. Er gilt als einer der intelligentesten Fahrer aller Zeiten und ausser einem Steuermalheur hat kein Skandal seine Karriere getrübt. 

Kann auch Roger Federer – ähnlich wie Rossi – die Zeit nochmals zurückdrehen? Warum nicht.
Kann auch Roger Federer – ähnlich wie Rossi – die Zeit nochmals zurückdrehen? Warum nicht.Bild: Michel Euler/AP/KEYSTONE

Von allen verehrt und respektiert, aber sportlich bereits abgeschrieben, ist Valentino Rossi wieder die Nummer 1 geworden. Intelligenz, Charisma und Talent triumphieren noch einmal über den Alterungsprozess – und über junge Rivalen, die scheinbar alle Vorteile auf ihrer Seite haben. Auch wenn es nur für kurze Zeit, nur für ein paar Wochen oder Monate, auch wenn es im Rückblick nur eine Episode sein sollte – es ist eine wunderbare Geschichte, die beste, die es im Töffrennsport seit Anbeginn der Zeiten (1949) bisher gegeben hat. 

Roger Federer wie Valentino Rossi noch einmal die Nummer 1 der Welt – warum eigentlich nicht? 

Roger Federers Major-Titel

1 / 42
Roger Federers Major-Titel – ALLE Grand-Slam-Titel des Schweizer Tennisstars
Wimbledon 2003: 7:6, 6:2, 7:6 gegen Mark Philippoussis.
quelle: ap / anja niedringhaus
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