Man kann gegen ein gutes Frankreich verlieren. Aber wenn es zur Halbzeit 0:3 steht, hat die Mannschaft kollektiv versagt. Speziell die zentrale Defensive bekam es am Freitag mit Spielern zu tun, die mit ihrem Weltklasseniveau die Verteidiger Mal für Mal überforderten.
Festzuhalten ist sicherlich: Ein Frankreich in dieser Form, auch ohne ihren verletzten Superstar Franck Ribéry, ist ein Kandidat für den Weltmeistertitel. «Les Bleus» sind spielerisch und physisch ein überragendes Kollektiv, welches zudem über die nötige Breite im Kader verfügt.
Die Hereinnahme von Olivier Giroud als Stossstürmer erwies sich als kluger Schachzug. Der 1,92 Meter grosse Stürmer pflückt im Angriff die hohen Bälle reihenweise runter, ob nun per Kopf oder Brust. Seine grösste (unbeabsichtigte) Tat ist aber, dass er nach sechs Spielminuten Steve von Bergen im Gesicht trifft. Im Nachhinein der Anfang vom Ende.
Landesverteidigung nur zu Bürozeiten. Gilt offenbar auch für Djourou/Senderos.
— Sascha (@saschakeiser) 20. Juni 2014
Ottmar Hitzfeld muss also bereits kurz nach Spielbeginn wechseln. Als Alternativen auf der Bank sind Philippe Senderos und Fabian Schär. Er entscheidet sich für die Vernunft und bringt den erfahrenen Senderos, der nun neben Djourou verteidigen darf.
Für die meisten ist dieser Wechsel nicht überraschend. Schliesslich haben Djourou und Senderos mehr zusammen gespielt als einer der beiden mit dem noch jungen Schär. Das Duo wurde noch vor einigen Jahren als das Verteidigerpaar angesehen, welche der Schweizer Defensive die gewünschte Verlässlichkeit geben sollte.
8. Von Bergen muss raus. Es kommt nicht Schär. Es kommt Senderos.
— Florian Raz (@razinger) 20. Juni 2014
Djourou ist erst 19 Jahre alt, als er 2006 sein erstes Länderspiel machen darf. Bei der WM im selben Jahr kommt er bereits bei drei von vier Partien zum Einsatz und wird zum «Newcomer des Jahres» gewählt.
Schade für Oliver Kreuzer, dass #Senderos für kommende Saison schon nen neuen Verein hat. Scheint prima mit Djourou zu harmonieren. #SUIFRA
— Jürn Kruse (@taz_kruse) 20. Juni 2014
Senderos gibt sein Debüt am 26. März 2005 im Spiel gegen Frankreich unter Trainer Köbi Kuhn. Sein Partner damals war der letzte unumstrittene Abwehrchef der Schweiz, Patrick Müller. Der elegante Müller, wie Senderos aus dem Kanton Genf stammend, half dem damals 20-Jährigen mit seiner ruhigen Spielart.
Die beiden hielten dicht und erreichten ein torloses Remis gegen die «Équipe Tricolore». Senderos wurde Stammspieler und schoss an der WM 2006 mit blutender Stirn das 2:0 im Spiel gegen Südkorea. Sein Jubel danach ist unvergessen.
Die Schweiz auf der Jagd nach der höchsten Niederlage. Senderos sieht da so beweglich aus wie ein Laternenpfahl. #rotweisslive
— Florian Raz (@razinger) 20. Juni 2014
Tempi passati: Im Spiel gestern hiess der Partner von Senderos nicht Patrick Müller, sondern Johan Djourou. Dieser strahlt aber anstatt Ruhe Hektik aus. Die zwei Genfer sind auf dem Platz nämlich ähnliche Spielertypen: Anfällig auf Fehler, keine guten Spieleröffner, kopfballstark aber technisch limitiert und langsam.
Der langjährige Arsenal-Trainer Arsène Wenger holt die jungen Spieler 2003 zu sich nach London, wo sie zuerst im Jugendteam spielen. Ein Jahr später geben sie im Fanionteam ihr Debüt. Djourou spielt insgesamt neun Jahre bei den «Gunners», Senderos sieben. Doch durchsetzen können sich beide nie wirklich. Dies belegt auch die Marktwertentwicklung.
Someone like Djourou is used to the results...remember Arsenal back then in 2011.
Man Utd 8-2 Arsenal.... #CongratsLeBLUES
— #MwanaSAMBA2014 (@NaheemJ) 20. Juni 2014
Als Kapitän der glorreichen U17-Nationalmannschaft, die 2002 den Europameistertitel holt, marschiert Senderos als Leaderfigur vornweg. Auch der zwei Jahr jüngere Djourou überzeugt offensichtlich den Mann, der bekannt ist für sein Auge für besondere Talente. Arsene Wenger hat sich getäuscht. Auch wenn er es sich jahrelang nicht eingestehen will.
Der neue Teil von Dumm und Dümmer hat Djourou/Senderos in den Hauptrollen, oder? #SUIFRA
— flo bogner (@flopumuc) 20. Juni 2014
Aber die Zahlen sprechen für sich: Senderos kommt in der Zeit bei Arsenal auf 64 Einsätze, Djourou auf 86 Einsätze. Linksverteidiger Riccardo Rodriguez hat in dieser Saison alleine in der Bundesliga 34 Partien gemacht.
Fabian Schär hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Von der Challenge League in die Nationalmannschaft in nur einem Jahr. Der Basler spielt den ersten Pass sauber, antizipiert gut und ist sogar torgefährlich. Leider ist der 22-Jährige erst kürzlich von einer Verletzung genesen. Im zweitletzten Test gegen Peru absolvierte Schär sein Pensum zugegebenermassen unglücklich.
Davor überzeugt Schär jedoch durchs Band. Bei Basel ist er ein Leader. Er schiesst Elfmeter in heiklen Phasen souverän und strahlt Ruhe aus. Für Ottmar Hitzfeld trotzdem Grund genug, ihm das Vertrauen zu entziehen und auf zwei Profis zu setzten, die seit Jahren keine unumstrittene Stammspieler sind.
Sein Credo, dass wer im Klub regelmässig spielt, ein Thema für die Nationalmannschaft sei, hat er erst kürzlich bei seinem Auftritt zum Nati-Aufgebot wieder hervorgekramt, um die ausgebooteten Spieler zu erklären. Dumm nur, dass er diesem Prinzip nicht immer nachlebt.