Zwei Tage nachdem verschiedene Umweltorganisationen den Schwund der Biodiversität in der Schweiz beklagt hatten, publiziert der Bund eine Studie mit dem gleichen Fazit: Fast die Hälfte der Lebensräume und mehr als ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten seien bedroht.
Am Montag hatten die Umweltverbände BirdLife Schweiz, Pro Natura und WWF Schweiz einen Bericht zur Umsetzung der «Strategie Biodiversität» des Bundesrats vorgelegt. Sie kamen zum Schluss: Zur Rettung der bedrohten Biodiversität sei nichts geschehen, der Bund schaue nur zu.
Von den 18 strategischen Zielen des Bundesrats könne nur ein einziges erreicht werden. Nur bei 14 von 120 Teilzielen werde genug getan, um sie zu erreichen. Für die 106 anderen Teilziele werde nichts oder viel zu wenig unternommen.
Auch BAFU alarmiert
Am Mittwoch veröffentlichte nun das Bundesamt für Umwelt (BAFU) seine eigene Studie «Biodiversität der Schweiz» - und zeichnet darin ebenfalls «ein alarmierendes Bild»: Zahlreiche natürliche Lebensräume wie Trockenwiesen und Feuchtgebiete seien nur noch als Restflächen vorhanden.
Das Verschwinden dieser Gebiete erhöhe das Risiko, dass diejenigen Arten ausstürben, die von diesen Lebensräumen abhängig seien. Die Folge davon seien eine sinkende Vielfalt der Lebensräume und eine Homogenisierung von Landschaften und Artengemeinschaften.
Mehr Siedlungen und Klimaerwärmung
Als Grund für den Schwund der Biodiversität gibt das BAFU zum einen den wachsenden Flächenbedarf für Wohnraum an, aber auch die intensive Nutzung von Boden und Gewässern durch die Landwirtschaft. Zum anderen werde der Druck von invasiven Arten, Mikroverunreinigungen und die hohe Belastung durch Stickstoff durch die Klimaerwärmung immer grösser.
«Die Biodiversität ist die Grundlage für das Leben auf dieser Erde und betrifft uns alle», schreibt das BAFU. Sie erbringe unverzichtbare Leistungen für die Gesellschaft wie Trinkwasser, saubere Luft, fruchtbare Böden und schütze vor Naturgefahren. Der anhaltende Verlust an biologischer Vielfalt stelle eine Gefahr für den Wohlstand und die Lebensqualität der Menschen in der Schweiz dar.
Massnahmen gehen nicht weit genug
Im Rahmen der Strategie Biodiversität des Bundesrates hätten Bund und Kantone zwar verschiedene Massnahmen ergriffen, wie die Schaffungen von Waldreservaten und Biodiversitätsförderflächen im Agrarland, die Förderung von Gewässernaturierungen und den Schutz von Lebensräumen von nationaler Bedeutung wie Moorlandschaften.
Doch das BAFU muss zugeben, dass damit der Biodiversitätsverlust nicht gestoppt, sondern nur gebremst werden konnte. Die Schutzmassnahmen müssten konsequenter vollzogen werden, denn zahlreiche dieser Flächen könnten wegen mangelnder Qualität ihre Funktion nicht mehr zu erfüllen.
Der Bundesrat will in der zweiten Jahreshälfte den Aktionsplan zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie beraten. Für die Umweltorganisationen reicht das aber nicht. Sie beschlossen vor drei Wochen, selbst einen Rettungsplan zu entwickeln. Die 120 vom Bundesrat definierten Teilziele sollen auf die 25 wichtigsten verdichtet und nach den Sommerferien Bundespräsidentin Doris Leuthard vorgelegt werden. (sda)