Trotz innerhalb kürzester Zeit vernichteten Milliardenwerten und der aufkommenden Angst vor einer Rezession lässt Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in einem Interview mit der Zeitung «Schweiz am Sonntag» keinen Zweifel aufkommen, dass der Bundesrat auch nach dem folgenschweren Entscheid, den Euro-Mindestkurs aufzuheben, hinter der Schweizerischen Nationalbank steht: «Herr Jordan geniesst im Bundesrat vollstes Vertrauen. Allen war klar, dass die Euro-Untergrenze auf ein paar Jahre beschränkt ist und irgendwann aufgehoben werden musste.»
Aufkommenden Forderungen, nach dem heftigen Währungs-Schock der Schweizer Wirtschaft mit steuerlichen Entlastungen unter die Arme zu greifen, erteilt die Bundesrätin eine Absage: «Für solche Forderungen ist es zu früh. Ich bin zuversichtlich, dass die Wirtschaft den Entscheid verkraftet. Die Unternehmen sind viel besser aufgestellt als 2011 bei der Einführung der Untergrenze.» Eine kleine Hintertüre liess sie aber offen: «Mit der Unternehmenssteuerreform III ist ein steuerliches Entlastungspaket in Vorbereitung. Im Rahmen dieser Reform bin ich zu Diskussionen mit der Wirtschaft bereit.»
Widmer-Schlumpf nennt in der «Schweiz am Sonntag» weiter eine konkrete Grössenordnung, in der sich der Euro-Franken-Kurs einpendeln müsste, damit die Schweizer Wirtschaft die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses verkraften kann: «Ich denke, mit einem Kurs von 1.10 Franken pro Euro könnten sich die Schweizer Unternehmen arrangieren.»
Auf die Frage, ob dieser Kurs notfalls mit einer Rückkehr zu einem Euro-Mindestkurs durchgesetzt werden müsste, blieb die Bundesrätin vage: «Den Entscheid der Nationalbank beurteile ich als konsequent und wird von mir nicht in Frage gestellt. Der Handlungsspielraum der SNB ist mit dem Entscheid vom Mittwoch grösser geworden. Das erachte ich als gute Entwicklung.»
Konkret verwies Eveline Widmer-Schlumpf auf Devisen- und Zinsinterventionen, mit denen die Nationalbank nach der Aufhebung des Mindestkurses in die Währungsentwicklung eingreifen könnte. Kritik ausländischer Währungspolitikern wie IWF-Chefin Christine Lagarde, die sich darüber beklagte, nicht über den SNB-Entscheid vorinformiert worden zu sein, weist Widmer-Schlumpf zurück.
«Die Schweizerische Nationalbank ist unabhängig und musste den Kreis der Eingeweihten so klein wie möglich halten. Das wissen auch ausländische Finanzpolitiker», so die Bundesrätin, die selber Mittwoch Morgen früh von SNB-Direktor Thomas Jordan telefonisch über den Entscheid ins Bild gesetzt wurde.
Jene Kritiker, die jetzt nach der Aufhebung des festgesetzten Euro-Mindestkurses von 1.20 Franken sagen, die Einführung einer Untergrenze sei von Anfang an ein Fehler gewesen, kontert Eveline Widmer-Schlumpf mit deutlichen Worten: «Nein, die Untergrenze war kein Fehler. Bei der Einführung des Mindestkurses waren wir in einer anderen Situation. Wir kamen direkt aus der Schuldenkrise. Die Exportwirtschaft wurde durchgeschüttelt. Ich weiss nicht, was passiert wäre, wenn die Nationalbank damals nicht gehandelt hätte», so die Finanzministerin. Im Vergleich zu 2011 sei die Schweizer Wirtschaft «heute klar in einer besseren Verfassung».