Das Baby, das eine Syrerin in Italien nach der Rückschaffung aus der Schweiz tot geboren hat, soll bis zu zwölf Stunden vor der Geburt gestorben sein. Das hat die Obduktion ergeben, wie die Tagesschau des Schweizer Fernsehens am Samstagabend unter Berufung auf italienische Lokalmedien berichtete. Eine offizielle Bestätigung fehlt bislang.
Die Frau, die im siebten Monat schwanger war, war vor einer Woche am Bahnhof in Domodossola zusammengebrochen. Im Spital gebar sie ihr Baby tot. Ihr Mann, der Syrer Omar J., wirft den Schweizer Behörden Fehlverhalten vor: Die Grenzwächter sollen sich nicht angemessen um die Frau gekümmert haben. Die fünfköpfige Familie, die mit 23 weiteren Angehörigen reiste, soll nach Angaben des Ehemannes gar noch mehrere Stunden eingesperrt worden sein.
Gemäss der «SonntagsZeitung» mussten die am 5. Juli frühmorgens in Vallorbe VD aufgegriffenen illegal reisenden Flüchtlinge zunächst neun Stunden in einem Kastenwagen auf den Rücktransport nach Brig warten. Sie sollten nach Italien rückgeführt werden.
Auf der Fahrt nach Brig platzte die Fruchtblase der 22-jährigen Frau. Nach Angaben ihres Ehemannes reagierten die Grenzwächter durch eine verdunkelte Scheibe kaum auf seine Versuche, Kontakt aufzunehmen. «Ich erhielt immer dieselbe Antwort: ‹Okay, okay›», sagte Omar J. gegenüber der «Sonntagszeitung». Selbst als er angeboten habe, die Kosten für die Rettung seiner Frau selber zu übernehmen.
Drei Stunden später in Brig angekommen, musste die Familie in einem Saal auf die Fortsetzung ihrer Reise warten. Inzwischen hatte die junge Frau starke Blutungen. Als die Flüchtlinge ein paar Stunden später in den Zug nach Italien einsteigen sollten, kollabierte die Syrerin. Omar J.: «Die Grenzwächter haben sich nicht gerührt. Wir waren allein. Es war niemand da, nur wir und die Zöllner.» Er habe seine Frau in den Zug getragen. Gegen 20 Uhr abends im Spital in Domodossola konnte das Kind nur noch tot geboren werden.
Dieser Zeitablauf und der Obduktionsbericht deuten darauf hin, dass das Baby nicht in Italien, sondern schon in der Schweiz gestorben ist.
Bei der Schweizer Militärjustiz läuft nun eine Untersuchung. Dies, nachdem der Chef des Schweizer Grenzwachtkorps Jürg Noth schon am Montag gegenüber dem Nachrichtenmagazin «10vor10» den Anschein erweckt hatte, eine solche eingeleitet zu haben. Tatsächlich hatte aber die zuständige Militärjustiz am Freitag noch keinen Untersuchungsantrag erhalten. Die erwähnte Untersuchung werde lediglich vom «zuständigen Kommandanten» geführt, sagte der Sprecher der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) Walter Pavel gegenüber watson.
Später teilte die Eidgenössische Zollverwaltung mit, dass ein Fehler des Grenzwachtkorps nicht auszuschliessen sei. Deshalb sei das Dossier der Militärjustiz übergeben worden. Dass die Übergabe an die Militärjustiz erst ganze sieben Tage nach dem Vorfall geschah, wird dennoch heftig kritisiert. Nun wird ein Untersuchungsrichter entscheiden, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird. (rar/trs)