Ein Handy, bei dem der Bildschirm um die Ecke läuft. Das gab es in dieser Form noch nie. Als Samsung auf der Unterhaltungselektronikmesse Ifa völlig unerwartet das Galaxy Note Edge präsentierte, war das Staunen entsprechend gross.
Jetzt, ein Vierteljahr später, kann man das Gerät tatsächlich kaufen, in einer limitierten Premium Edition, die sich vor allem durch eine mitgelieferte 64-Gigabyte-Speicherkarte auszeichnet.
Abgesehen davon - und vom gebogenen Bildschirm - entspricht das Galaxy Note Edge technisch weitgehend dem Galaxy Note 4. Es hat einen sehr guten, grossen Bildschirm, einen schnellen Prozessor und alle aktuellen W-Lan- und Mobilfunk-Standards an Bord. Ausserdem gehört ein Stift zum Paket, mit dem sich auf dem Bildschirm schreiben und zeichnen lässt. Und genau wie das Note 4 hat auch das Edge eine Schnellladetechnik für den Akku: Nach 30 Minuten am mitgelieferten Netzteil ist dieser auf 50 Prozent seiner Kapazität geladen, nach 90 Minuten ist er voll.
Pragmatisch betrachtet bleibt nur der gebogene Seitenbildschirm als Unterschied zum Note 4. Auf seinen 160 mal 2560 Pixeln wird standardmässig beispielsweise eine Reihe von Symbolen angezeigt, über die man verschiedene Programme, etwa einen Browser oder die E-Mail- und die Kamera-App, jederzeit öffnen kann, unabhängig davon, welche App gerade läuft.
Genau das ist das Besondere am Seitenbildschirm: Komplette Apps können dort nicht gezeigt werden, der Bereich bleibt frei für Informationen und Zusatzfunktionen. Somit ist die Seite tatsächlich so etwas wie ein Zweitbildschirm fürs Handy. Der praktische Nutzen ist allerdings begrenzt, zumindest derzeit.
Was an der Seite angezeigt wird, kann man relativ frei selbst bestimmen, indem man auswählt, welche Paneele - damit sind Funktionsleisten gemeint - von welchen Anbietern dort erscheinen sollen. Einige zusätzliche Paneele lassen sich zusätzlich aus dem Netz herunterladen.
Gross ist die Auswahl nicht. So kann man sich beispielsweise Nachrichten von Yahoo, eine Wettervorhersage, neue Tweets oder die Zahl neuer E-Mails anzeigen lassen. Wirklich lesbar sind diese Nachrichten auf dem schmalen Seitendisplay nicht, es lässt sich lediglich die jeweils benötigte App aufrufen.
Wer mag, kann sich mit einem sogenannte Panel-Designer (sic!) ausserdem eigene Paneele basteln - ein bisschen bunt, ein bisschen gemustert, vielleicht mit einem schlauen Spruch verziert. Damit hat es sich dann aber auch.
Richtig nützlich wird der Seitenbildschirm mit den sogenannten Quick Tools, einer Sammlung von Funktionen, die man jederzeit auf dem Zweitbildschirm aufrufen kann. Hier kann man Stoppuhr und Audiorekorder aufrufen, einen Timer stellen oder den Fotoblitz als Taschenlampe einschalten.
Viel ist es trotzdem nicht, was Samsungs Paneele bisher an Zusatznutzen bieten. Eine Anwendung gibt aber einen Eindruck davon, was man mit der Bildschirmerweiterung in Zukunft vielleicht anfangen kann: die Kamera-App. Beim Fotografieren werden der Auslöser und die Funktionstasten auf den Seitenbildschirm ausgelagert. Das ist sinnvoll, weil sie dort logisch angeordnet und auch blind zu finden sind. Und es ist nützlich, weil so der ganze Bildschirm als digitaler Sucher dienen kann, völlig ungestört von Bedienelementen und Einstellmenüs.
Genau wie das Galaxy Note 4 ist auch das Galaxy Note Edge ein grossartiges Smartphone. In jeder Hinsicht schnell und gut ausgestattet, lässt es kaum Wünsche offen. Der reale Nutzen der etwas gebogenen Bildschirmfläche ist freilich gering. Das kann sich aber noch ändern, wenn mehr App-Entwickler die Technik nutzen und in ihre Programme einbinden, so wie bei der Kamera-App.
Aber damit das passiert, müsste das Edge erst mal ein wirklich populäres Handy werden - und das wird schwierig. Denn mit knapp 900 Franken ist das Edge derzeit rund 200 Franken teurer als ein herkömmliches Note 4. Das ist eine Menge Geld für ein paar Millimeter Bildschirm. Und so dürfte das ungewöhnliche Samsung-Smartphone vorerst Nerds, die es sich leisten können, vorbehalten bleiben.