Langenthal hat am Sonntag in Visp 5:0 gewonnen und die NLB-Halbfinalserie steht 2:2. Aber wegen eines Spielfeldprotestes der Langenthaler hat Einzelrichter Reto Steinmann die Niederlage der Langenthaler vom Freitag (5:6 n.V) annulliert und eine Spielwiederholung angeordnet. Somit steht es 2:1 für Langenthal.
Der Fall ist einmalig: Ein Spiel soll wiederholt werden weil ein Schiedsrichter richtigerweise ein Tor nach der Videokonsultation aberkannt hat – eine solche Absurdität kann sich nicht einmal ein Hollywood-Drehbuchschreiber ausdenken. Aber in unserem Hockey ist es Wirklichkeit geworden.
Das ist am letzten Freitag passiert: Schiedsrichter Daniel Wirth entscheidet auf Tor. Langenthal hat kurz vor Schluss das 6:5 erzielt und hätte, wenn dieses Tor gezählt hätte, wohl auch gewonnen. Aber weil Wirth nicht ganz sicher ist, konsultiert er das Video.
Weil er auf Tor entschieden hat, darf er seinen Entscheid nur umstossen, wenn er auf dem Video die Scheibe nicht vollumfänglich hinter der Torlinie sieht.
Der entscheidende Reglementpassus lautet so: «Vor der Betrachtung der Bilder muss der Head-Schiedsrichter einen Entscheid treffen und diesen den Linienrichtern und den Kapitänen der Mannschaften mitteilen. Kann die Szene nicht gefunden werden oder kann aufgrund der Bilder kein klarer Entscheid getroffen werden, so ist der gefällte Entscheid gültig und dies muss den Mannschaften so kommuniziert werden.» Diese Regelung ist deshalb eingeführt worden weil es ja sein kann, dass die Videoanlage nicht funktioniert.
Weil der Puck nicht drin war und er das auf dem Video auch sieht, annulliert Daniel Wirth den Treffer. Das Spiel geht in die Verlängerung und Langenthal verliert 5:6. Das Problem: Daniel Wirth hat seinen Entscheid Langenthals Trainer Oliver Horak und Captain Stefan Tschannen offensichtlich nicht richtig kommuniziert.
Statt zu sagen: «Die Scheibe war nicht drin, kein Tor» hat er sinngemäss erklärt, er habe es nicht richtig gesehen und könne das Tor nicht geben. Die Langenthaler interpretieren das so, dass es auf dem Video den Gegenbeweis (Scheibe nicht drin) nicht gibt, machen Spielfeldprotest und kommen damit beim Einzelrichter durch: Das Spiel wird wiederholt.
Dieser Entscheid der Spielwiederholung ist mehreren Gründen fragwürdig. Erstens: Der genaue Wortlaut der Erklärung von Daniel Wirth lässt sich offensichtlich nicht wasserdicht rekonstruieren.
Ist ja logisch: In den Emotionen eines der dramatischsten Spiele unserer Playoffgeschichte (Langenthal hatte in 0:5 aufgeholt) und dem Lärm im Stadion ist es kaum möglich, die Aussage von Wirth Wort für Wort zu rekonstruieren. Er sagt: «Ich kann mich an den Wortlaut nicht mehr genau erinnern.»
Zweitens: Für Daniel Wirth spricht, dass er nach dem Einlegen des Spielfeldprotestes vor Wiederaufnahme des Spiels die Chance hatte, seinen Entscheid zu korrigieren. Er sagt, er habe es nicht getan «weil für mich klar war, dass es kein Tor ist.»
Drittens: Es geht offensichtlich nur um ein Kommunikationsproblem. Also darum, dass ein Schiedsrichter einen richtigen Entscheid nicht klar und deutlich genug kommuniziert hat.
Einzelrichter Reto Steinmann hätte sich elegant aus der Affäre ziehen können. Indem er gesagt hätte, die Aussagen von Daniel Wirth seien nicht mehr klar zu rekonstruieren und deshalb sei Langenthals Protest abgeleht. «Daran habe ich auch gedacht» sagt Steinmann, der alle betroffenen Personen befragt hat.
«Aber mein Gefühl für Gerechtigkeit liess so einen Entscheid nicht zu. Obwohl die Aussage von Daniel Wirth tatsächlich nicht mehr Wort für Wort zu rekonstruieren ist, so steht für mich ausser Zweifel, dass er sagte, er habe die Situation auf dem Video nicht richtig gesehen. Damit ist klar: Er hätte gemäss dem Reglement seinen Tor-Entscheid nicht mehr umstossen dürfen.» Reto Steinmann hat sich als Einzelrichter an das Reglement und sonst nichts zu halten.
Wie geht es weiter? Visp hat Rekurs eingelegt. Die Rekurskammer hat die Möglichkeit, den Entscheid von Reto Steinmann umzustossen und das Spiel wieder für gültig zu erklären. Bis am Mittwoch wird der Entscheid fallen. Die Ablehnung des Langenthaler Protestes wäre wohl die salomonischste Lösung.
Langenthal hätte dann die Möglichkeit, den Fall an das Internationale Sportgericht in Lausanne weiterzuziehen – ein Entscheid wäre wohl erst im Mai oder Juni zu erwarten und würde die Meisterschaft ad absurdum führen. Es ist jedoch nicht damit zu rechnen, dass Langenthal den Entscheid der Rekurskammer weiterziehen würde.
Präsident Stephan Anliker hat bereits durchblicken lassen, dass die Langenthaler den Entscheid der Hockeygerichtsbarkeiten akzeptieren werden. Den Spielfeldprotest findet er richtig. «Der Trainer hat die vom Reglement her gegebenen Möglichkeiten ausgeschöpft. Das ist richtig so. Der Trainer und die Spieler sollen im Rahmen der Reglemente alles tun, um ein Spiel zu gewinnen.»
Der Fall macht übrigens verständlich, warum die FIFA im Fussball TV- und Videobilder als Hilfsmittel ablehnt. Um eben genau solche absurde Fälle zu vermeiden. Die FIFA stützt die Schiedsrichter und räumt ihnen das Recht auf Tatsachenentscheide ein.
Zusammenfassend ist dieser Fall eine Verkettung unglücklichster Umstände. Die Langenthaler haben richtigerweise alle Möglichkeiten des Reglements ausgeschöpft. Visp tut mit dem Rekurs das gleiche. Einzelrichter Reto Steinmann hat sich an die Buchstaben des Reglements gehalten.
Es geht letztlich ganz allein darum, dass das, was der Schiedsrichter in einer emotionsgeladenen Atmosphäre einem Trainer und einem Captain gesagt hat, nicht reglementskonform formuliert war oder nicht richtig verstanden worden ist.
Ein sehr erfahrener Schiedsrichter, dessen Name mir soeben entfallen ist, sagt deshalb, er foutiere sich schon lange um dieses Reglement und konsultiere das Video jeweils ohne vorher einen Entscheid zu fällen. Dann sage er einfach «Tor» oder «kein Tor.» So sei er aus dem Schneider. Der Mann hat recht.