514 Menschen sind in den USA in diesem Jahr von Polizisten erschossen worden. Das ergeben aktuelle Berechnungen der Washington Post.
Ricardo Diaz Zeferino gehört nicht zu den 500. Der 35-Jährige wurde bereits im Juni 2013 erschossen. Unbewaffnet. Bevor die Schicksale von Eric Garner, Michael Brown und Tamir Rice das Problem der Polizeigewalt in den Staaten endgültig in die Weltöffentlichkeit gerückt haben.
Am Dienstag nun hat die Los Angeles Times nach einem jahrelangen Rechtsstreit erreicht, dass ein Video, das die Tötung Zeferinos zeigt, veröffentlicht wird. Anwälte der Stadt Gardena wehrten sich vergeblich mit der Begründung, mit den Hinterbliebenen über 4,7 Millionen Dollar sei vereinbart worden, dass das Video unter Verschluss bleibe.
Opferorganisationen, Bürgerrechtler und Journalisten begrüssen den Erfolg vor Gericht, kritisieren aber, dass nach kalifornischem Recht Polizeivideos weiterhin problemlos unter Verschluss gehalten werden können. Der Zugang zu Dokumentationen tödlicher Polizeigewalt sei essentiell, um dem virulenten Problem zu begegnen.
Die Dashcam-Aufnahmen widerlegen nach Einschätzung von Experten die Behauptung der Polizei von Gardena, Zeferino habe eine Bedrohung für die Polizisten dargestellt. Auf den Bildern ist zu sehen, wie der 35-Jährige – trotz Aufforderung der Polizisten, die Arme zu heben – einige Schritte nach vorne macht, die Arme mehrmals senkt und hebt. Zeferino scheint verwirrt über die Aufforderung der Polizisten. Als Zeferino seinen Hut vom Kopf nimmt, drücken die drei Polizisten ab – der 35-Jährige wird von acht Kugeln durchbohrt und ist auf der Stelle tot. Querschläger verletzen einen seiner Freunde.
Die Polizisten wurden zuvor wegen eines Diebstahls an den Tatort gerufen: Ein Fahrrad sei vor einem Geschäft in Gardena, zwanzig Autominuten südlich von Los Angeles, gestohlen worden. Fatal war, dass der zuständige Beamte einen Überfall («Robbery») meldete – die Polizei ging von einem bewaffneten Täter aus.
Ironie des Schicksals: Das gestohlene Fahrrad gehörte Zeferinos Bruder, der 35-Jährige unterstützte ihn in dieser Nacht bei der Suche.
In Kalifornien sitzen die Waffen bei den Gesetzeshütern besonders locker. In absoluten Zahlen ist der grösste Bundesstaat auch der tödlichste, prozentual liegt er immerhin noch auf Platz 12. Diese Zahlen ergeben sich aus einer Statistik des «Guardian», die nicht nur Schusswaffenopfer, sondern allgemein Opfer tödlicher Polizeigewalt erfasst. (wst)