Was sind die Gründe für das Nein zur Einheitskasse?
Yvonne Gilli: So kurz nach der Abstimmung ist das schwierig einzuschätzen. Positiv ist das Ja in vier Kantonen der Romandie. Sie leiden am meisten unter den Missständen, denn dort sind die «Enfants terribles» unter den Krankenkassen aktiv. In der Deutschschweiz ist der Ja-Anteil etwas höher als bei der letzten Abstimmung, trotzdem will man hier keine öffentliche Krankenkasse.
Warum nicht?
Persönlich denke ich, dass die Angst vor dem Neuen den Ausschlag gab. Die Gegner haben im Abstimmungskampf Schwarzmalerei betrieben. Das hat offenkundig verfangen. Im Zweifelsfall bleibt man beim vermeintlich Bewährten.
Ein gutes Gesundheitswesen ist dem Volk sehr wichtig, es will keine Experimente.
Das kann man so nicht sagen. In anderen Bereichen waren Experimente sehr wohl möglich, sogar ohne Volksabstimmung. Aber wenn namhafte Kräfte gegen eine Änderung sind, wird es schwierig. In diesem Fall waren es die Versicherer, sie sind ein starker Gegner.
Trotzdem, das Volk erkennt offenbar keinen Handlungsbedarf.
Das würde auch bedeuten, dass man die Schwächen des heutigen Systems nicht beseitigt. In dieser Hinsicht hat die Initiative durchaus etwas bewirkt. Im Vorfeld hat das Parlament zwei Vorlagen verabschiedet, die nur dank der öffentlichen Krankenkasse möglich waren: Den verschärften Risikoausgleich und das Aufsichtsgesetz. Beides sind wichtige Änderungen.
Die Grünen wollen nun die Einrichtung von kantonalen Einheitskassen ermöglichen.
Wir wollen vor allem den vier Ja-Kantonen diese Möglichkeit geben. Die Unzufriedenheit in der Westschweiz ist gross, deshalb wären kantonale Einheitskassen sinnvoll, auch im Sinne eines Pilotversuchs.
Ist die drohende Zweiklassen-Medizin nicht das dringlichere Problem als die Einheitskasse?
Beides hat sehr wohl miteinander zu tun. Wenn eine Billigkasse eine bestimmte Behandlung nicht bezahlen will, dann haben wir eine Zweiklassen-Medizin. Wir haben das im Abstimmungskampf auch thematisiert.
Diese Botschaft ist offenbar nicht angekommen.
Sie ist nicht einfach zu kommunizieren, denn es gibt in dieser Frage keine Patentlösungen. Nur wenige Menschen sind betroffen, wenn man eine teure Behandlung benötigt und sie nicht bezahlt wird. Für das Stimmvolk ist es schwierig, einen Mangel zu beseitigen, den es nicht abschätzen kann.