Am Dienstag hiess es «Leinen los» für die grosse Antarktis-Expedition mit rund 60 Forschenden aus 30 Ländern. Während drei Monaten werden sie an Bord des Forschungsschiffs «Akademik Tryoshnikov» den Südpol umrunden und diese entlegene, aber wichtige Erdregion genauer erforschen.
An Bord werden 22 Forschungsprojekte durchgeführt, vier davon unter Schweizer Federführung. In leitender Funktion dabei sind die ETHs Zürich und Lausanne, die Universität Genf und das Paul Scherrer Institut (PSI). «Wir haben die Projekte nach ihrem wissenschaftlichen Potenzial ausgewählt», erklärte David Walton, «Chief Scientist» der Antarctic Circumnavigation Expedition (ACE) an einem Medienanlass in Kapstadt am Dienstag.
Das Schiff sei wohl nie für so viele Wissenschaftler auf einmal gedacht gewesen, aber letztlich habe man alle untergebracht, so Walton weiter. «Es ist eine interessante Mischung von Projekten. Manche scheinen nicht zusammenhängend. Am Ende werden wir aber ein umfassenderes Bild dieses Erdteils haben.» Der südliche Ozean mache zehn Prozent der Weltmeere aus und sei als CO2-Senke für das globale Klima von zentraler Bedeutung.
Die ACE ist das erste Projekt des erst kürzlich gegründeten Schweizer Polarinstituts. «Die Temperaturen in den Alpen steigen. Wir sehen uns in den alpinen Regionen ähnlichen Herausforderungen gegenüber wie in den Polarregionen», sagte Krystyna Marty Lang, stellvertretende Staatssekretärin des Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten. Dadurch erkläre sich das Interesse der Schweiz an diesen entlegenen Regionen mit ihrer extremen Umwelt.
Ziel der Antarktis-Expedition ist, die Auswirkungen von Umweltveränderungen und -verschmutzung auf den südlichen Ozean zu messen. Dabei geht es beispielsweise um Mikroplastik, Plankton, Stoffkreisläufe und Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Ozean.
«Die Pole sind essenziell für das Klimagleichgewicht, aber gleichzeitig sind Veränderungen dort am offensichtlichsten: Dort sind die grössten Temperaturunterschiede gemessen worden», erklärte Philippe Gillet, Vizepräsident der ETH Lausanne (EPFL) und Direktor ad interim des Schweizer Polarinstituts gemäss einer Mitteilung desselben vom Dienstag.
«Jeder Wissenschaftler an Bord hat sicher ein Dutzend Fragen im Gepäck», sagte Julia Schmale vom PSI, die eines der Projekte an Bord leitet. «Wenn wir Erfolg haben, werden wir sicher mit noch mehr Fragen zurückkommen.»
Das Forschungsengagement der Schweiz in den Polarregionen hat eine lange Tradition und soll mit dem Polarinstitut, das mehrere Schweizer Forschungsinstitute verknüpft, global sichtbarer werden. Ermöglicht wurden das Schweizer Polarinstitut und die ACE unter anderem dank einer grosszügigen Spende des Unternehmers und Abenteurers Frederik Paulsen, auf den auch die Idee der Antarktis-Umrundung zurückgeht.
Die Expedition soll voraussichtlich im März enden, nach drei etwa einen Monat dauernden Etappen rund um den Südpol. Damit ist die Antarktis-Forschung aber noch lange nicht abgeschlossen: Neben der Analyse der Proben, die die Forschenden von der Expedition mitbringen, laufen auch die Vorbereitungen für ein anderes Forschungsprojekt, an dem unter anderem die Universität Bern massgeblich beteiligt ist und die voraussichtlich Ende 2017 beginnt.
Dabei geht es darum, das älteste Eis der Welt zu finden und mithilfe von Eisbohrkernen die Klimageschichte der letzten 1.5 Millionen Jahre rekonstruieren. Die Universität Bern gehört zu den führenden Institutionen weltweit bei der Eisbohrkernanalyse und ist ebenfalls am Polarinstitut beteiligt. Kürzlich stellte die Hochschule einen eigens entwickelten Eisbohrer vor, der für Probebohrungen auf der Suche nach dem ältesten Eis verwendet werden soll. (whr/sda)