Wenn die Revolution kommt, dann höchstwahrscheinlich zuallerletzt in Obwalden: Der Zentralschweizer Kanton ist einer der politisch konservativsten Flecken der Schweiz. Trotzdem bewirbt sich nun eine junge Obwaldnerin um das Präsidium der Juso. Die Jungpartei der SP pflegt sich mit revolutionären Forderungen in den politischen Diskurs einzubringen.
Nun wirft Mirjam Hostetmann, 24, aus Sarnen OW, als erste Kandidatin für die Nachfolge von Nicola Siegrist ihren Hut in den Ring. Der 27-jährige Zürcher Siegrist hatte seinen Rücktritt im Februar angekündigt.
In einer konservativen Region aufzuwachsen, habe sie politisch geprägt, sagt Hostetmann gegenüber CH Media. «Meine erste Demonstration war gegen die drohende Schliessung meiner Schule gerichtet», erläutert sie. Diese Massnahme sei eine direkte Folge der Tiefsteuerpolitik des Kantons Luzern gewesen, sagt Hostetmann, welche die Matura an der Kantonsschule Musegg in Luzern absolviert hat. Auch bei ihrem späteren Engagement für den Zentralschweizer Klimastreik habe sie gemerkt, dass progressive Forderungen oft auf wenig Verständnis stossen.
Sie habe sich schon früh für Politik interessiert und früh gemerkt, «wie ungerecht die Welt ist und wie ungleich der Wohlstand verteilt ist». Ihre allerersten Schritte auf dem Parkett der institutionellen Politik machte Hostetmann im Frühjahr 2018, als sie – gerade volljährig geworden – auf der Liste der Christlichsozialen Partei für den Kantonsrat kandidiert. Sie habe den Zugang zur Politik gesucht und es mal bei der Partei versucht, der ihre Eltern angehören, sagt Hostetmann. «Ich habe dann aber schnell gemerkt, dass die Juso meine politische Heimat ist.»
Da diese in Obwalden praktisch inexistent war, habe sie mit Gleichgesinnten eine schlagkräftige Sektion aufgebaut. Im Oktober 2019 kandidierte Hostetmann unter dem Banner der Juso für den Nationalrat und landete mit 464 Stimmen abgeschlagen auf dem fünften und letzten Platz; SVP-Kandidatin Monika Rüegg schaffte die Wahl mit 5412 Stimmen.
Einzelne SP-Vertreter kritisierten damals Hostetmanns Wahlkampf, weil sie einen Fragebogen der «Obwaldner Zeitung» an alle Kandidierenden unbeantwortet gelassen hatte und wegen schulischer Verpflichtungen zwei Podiumsdiskussionen verpasst hatte.
Vor Reibungen mit der Mutterpartei fürchtet sich Hostetmann auch heute nicht, im Gegenteil: «Die Juso muss wieder mutiger auftreten und darf sich nicht vor inhaltlicher Kritik an der SP scheuen.» Die SP-Führung mit Meyer/Wermuth werde medial als «Juso-Duo» beschrieben und die Juso oft auf ihre Rolle als Kaderschmiede der SP reduziert.
Das passe ihr gar nicht: «Inhaltlich haben wir als Juso erhebliche Differenzen zur SP. Deshalb müssen wir den Opportunismus der SP anprangern, gerade in der Asylpolitik, wo Bundesrat Beat Jans stark auf Repression setzt. Oder bei der Klimapolitik, wo die SP-Fraktion beim CO2-Gesetz einem enttäuschenden Kompromiss zugestimmt hat.»
Die Wahl des neuen Juso-Präsidiums erfolgt an einer ausserordentlichen Jahresversammlung am 29. Juni. Kandidaturen können noch bis am 2. Juni eingereicht werden. Derzeit sitzen mit SP-Co-Parteichef Cédric Wermuth (AG), David Roth (LU), Fabian Molina (ZH) und Tamara Funiciello (BE) nicht weniger als vier ehemalige Juso-Vorsitzende im Nationalrat. Ihr Vorteil gegenüber Hostetmann: Sie alle sind in Kantonen zu Hause, in denen die SP reelle Wahlchancen hat.