Die grossen Schweizer Wirtschaftsverbände waren sich in der Vergangenheit nicht immer «grün». Zwischen Economiesuisse und Bauernverband kam es zu Reibereien bei Freihandel, Marktöffnung oder Subventionen. Nun zelebrieren die beiden Organisationen den grossen Schulterschluss, gemeinsam mit Arbeitgeber- und Gewerbeverband.
In einem ersten Schritt geht es um die nationalen Vorlagen, über die am 25. September abgestimmt wird. Am Donnerstag fiel in Bern der Startschuss zur Kampagne, mit der die vier Verbände für ein Ja zur AHV 21, zur damit verknüpften Erhöhung der Mehrwertsteuer und zur Reform der Verrechnungssteuer sowie ein Nein zur Massentierhaltungsinitiative werben.
Die vier Verbandspräsidenten traten persönlich vor die Medien und unterstrichen damit die Bedeutung des gemeinsamen Anliegens. Ob es sich aber um eine «schlagkräftige Allianz» handelt, wie die «NZZ am Sonntag» schrieb, darf man bezweifeln. Vor 20 oder 30 Jahren hätte man dies noch mit gutem Gewissen behaupten können.
Heute verdeutlicht dieses Bündnis die Schwäche der Verbände. Und die Blockademacht der Linken in der Wirtschaftspolitik. In den letzten Jahren gelangen Rotgrün einige spektakuläre Erfolge gegen die einst als unschlagbar geltende Phalanx von Bürgerlichen und Wirtschaft.
Die Linke bodigte mit Referenden den ersten Anlauf zur Unternehmenssteuerreform III, die Erhöhung der Kinderabzüge sowie im Februar die Teilabschaffung der Stempelabgabe, und dies klar und deutlich. Das Freihandelsabkommen mit Indonesien wurde nur knapp angenommen, und die Konzernverantwortungsinitiative scheiterte einzig am Ständemehr.
Dieses Ergebnis ist der Wirtschaft besonders in die Knochen gefahren, wie Gespräche am Rande der Medienkonferenz in Bern zeigten. Die Bauern nahmen dabei wie auch beim Indonesien-Abkommen eine ambivalente Haltung ein. Es erstaunt daher wenig, dass Arbeitgeber, Gewerbler und Economiesuisse den Bauernverband an Bord holen wollten.
Wird sich die Allianz am 25. September auch auszahlen? Das leichteste Spiel dürfte sie bei der landwirtschaftlichen Vorlage haben, der Initiative gegen Massentierhaltung. In der am Mittwoch veröffentlichten ersten Tamedia-Umfrage kam sie auf 55 Prozent Ja. Das ist kein berauschender Start für eine Volksinitiative, eine Ablehnung am Ende ist wahrscheinlich.
Nicht nur deswegen wirkt Bauernpräsident Markus Ritter im Umgang mit dieser Vorlage gelassener als noch bei der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative. Sie ist selbst für einige Tier- und Umweltschützer zu extrem. Am Donnerstag verwies Ritter zudem auf einen wunden Punkt: Gerade beim Fleisch schaut die Kundschaft häufig nur auf den Preis.
Die Schweizer Schweineproduzenten könnten «doppelt so viel Labelfleisch liefern, wie die Konsumentinnen und Konsumenten aktuell nachfragen», sagte der St.Galler Mitte-Nationalrat. Seine Schlussfolgerung im simplen Wirtschaftsjargon lautete: «Wir müssen das produzieren, was wir verkaufen können.» Die Konsumenten hätten die Wahl.
Schwieriger ist es bei der AHV 21, dem neusten Anlauf zu einer Reform der Altersvorsorge. In der ersten Tamedia-Umfrage kam sie auf 53 Prozent Ja, doch die Frauen, deren Rentenalter auf 65 Jahre erhöht werden soll, sagten sehr deutlich Nein. Sie müssen in den sechs Wochen bis zur Abstimmung überzeugt werden, ist den Wirtschaftsvertretern klar.
Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands, hob die Vorteile für die Frauen hervor. Eine Übergangsgeneration von neun Jahrgängen soll einen lebenslangen Rentenzuschlag erhalten, um ihnen das höhere Rentenalter zu «versüssen». Gleichzeitig liess Vogt mehr als die anderen Verbandsvertreter durchblicken, dass ihn die linke «Blockadehaltung» frustriert.
Die Arbeitgeber hätten sich bei der Reform auch «etwas mehr ‹Struktur› und etwas weniger ‹Finanzen› vorstellen können», sagte er. Im Klartext also ein noch höheres Rentenalter, mit möglichst wenig Kompensation und ohne Anhebung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent. Diese sei aus Sicht der Wirtschaft «auch bei steigender Inflation gerade noch tolerierbar».
Nahezu aussichtslos ist die Ausgangslage bei der Reform der Verrechnungssteuer. Diese soll für Firmenobligationen abgeschafft werden. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder bemühte sich nach Kräften, die Vorzüge der Vorlage zu betonen. Sie stärke den Service Public und führe zu Mehreinnahmen, weil das Anleihengeschäft in die Schweiz zurückkehre.
Die Reform ist jedoch komplex und weit weg von der Lebensrealität «normaler» Menschen. Entsprechend schwierig ist es, diese Botschaft zu vermitteln, während die linke Gegnerschaft gegen «Sonderrechte für Grossanleger und Konzerne» polemisieren kann. Und damit auf einen zentralen Aspekt für den Glaubwürdigkeitsverlust der Wirtschaft zielt.
Ihre Vertreter gaben am Donnerstag bei der Verrechnungssteuer Durchhalteparolen aus. Aber sie räumten auch ein, dass die Abstimmung schwierig zu gewinnen sei. Zu sehr erinnert sie an die Abschaffung der Stempelabgabe, die mit 63 Prozent Nein versenkt wurde. In der ersten Tamedia-Umfrage kommt die Verrechnungssteuer-Reform nur auf 30 Prozent Ja.
Besonders ambitioniert ist die Kampagne der Wirtschaftsverbände nicht. Sie beschränkt sich auf gemeinsame Inserate, und die Bauern sollen auf ihren Höfen Plakate zu allen Vorlagen aufhängen. Gemäss der «NZZ am Sonntag» ist sie erst der Anfang. Die Allianz sei langfristig angelegt, um den «bürgerlichen Block» in der nationalen Politik zu stärken.
Der Tessiner Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands, verwies am Donnerstag auf die im letzten November vorgestellte gemeinsame Agenda mit Arbeitgeberverband und Economiesuisse. Der Bauernverband teile «im Grundsatz» ihre Aussagen, so Regazzi.
Faktisch zeigt diese Wortwahl jedoch, dass die bekannten Differenzen weiterhin bestehen und das Bündnis nicht in Stein gemeisselt ist. Das erinnert an den Schulterschluss, den SVP, FDP und CVP vor den Wahlen 2015 mit Brimborium zelebriert hatten. Wirklich tragfähig war er nie, und vier Jahre später schwappte die «grüne Welle» durch das Land.
Erachte ich als schwache Argumente. Offenbar sind die Vorlagen dazu da, noch mehr von den Menschen in diesem Land zu ein paar wenigen Mächtigen umzuverteilen.
Weisste Bescheid - ne, Schätzelein.