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Autonomes Fahren: ETH-Studie widerspricht gängiger Meinung

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Bild: shutterstock

Selbstfahrende Privatautos führen zu Mehrverkehr, sagt ETH-Studie – 5 Fragen und Antworten

Entgegen bisherigen Prognosen werden selbstfahrende Privatautos zu mehr Verkehr führen. Zu diesem Schluss kommt eine vom Bundesamt für Strassen finanzierte Studie der ETH Zürich, welche das Aufkommen autonomer Fahrzeuge in der Stadt Zürich simuliert.
07.06.2019, 08:06
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Was untersuchte die Studie?

Bisher wurde angenommen, dass sogenannte «geteilte automatisierte Verkehrsangebote», etwa selbstfahrende Taxiflotten, zu einem Rückgang des Fahrzeugbestandes in Städten um bis zu 90 Prozent führen könnten. Zu diesem Schluss kamen verschiedene internationale Studien, wie die ETH Zürich mitteilte.

Dieser Prognose widerspricht jetzt die Studie des ETH-Institutes für Verkehrsplanung und Transportsysteme, die am Freitag vorgestellt wurde. «Der Besitz von Privatfahrzeugen wird sich nur dann reduzieren, wenn selbstfahrende Fahrzeuge privat nicht erworben werden können», schreibt der federführende Professor Kay Axhausen.

Axhausens Team hat simuliert, wie sich das Verkehrsaufkommen in Zürich innerhalb von 20 Jahren verändern könnte durch die Einführung von automatisierten Taxis und die flächendeckende Verbreitung selbstfahrender Privatfahrzeuge.

Was ist das Fazit der Studie?

Solange der Privatbesitz von selbstfahrenden Autos erlaubt ist, wird die Anzahl von Privatfahrzeugen auch mit dem Aufkommen automatisierter Taxi-Flotten nicht zurückgehen. Ein automatisierter Verkehr könnte sogar zu mehr gefahrenen Kilometern führen.

«Die Kombination von hoher Flexibilität und der Möglichkeit, die Zeit im Fahrzeug sinnvoll zu nutzen, macht diese Mobilitätsform sehr attraktiv», heisst es zum Privatbesitz von selbstfahrenden Autos. Die Attraktivität steige nochmals, wenn alle Familienmitglieder das Fahrzeug eigenständig nutzen könnten - etwa auch Kinder.

Das fahrerlose Privatfahrzeug erscheint in der Simulation als dermassen attraktiv, dass eine Mehrbelastung der Strassen prognostiziert wird. Selbst ÖV-Nutzer könnten zum Umstieg auf den automatisierten Individualverkehr verlockt werden, sagen die Mobilitäts-Forscher.

Dieses selbstfahrende Konzeptauto könnte direkt aus einem Sci-Fi-Film stammen

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quelle: ap/ap / ng han guan
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Was empfehlen die Forscher?

Die Autoren der Studie legen den Behörden deshalb nahe, die Einführung selbstfahrender Autos «regulatorisch zu begleiten». Einen Rückgang des motorisierten Individualverkehrs errechneten sie nur für den Fall, dass automatisierte Fahrzeuge zwar im ÖV und in Taxiflotten eingesetzt würden, nicht aber als Privatautos.

Der positive Effekt könnte dann beträchtlich sein: In der Simulation ging der motorisierte Individualverkehr um ein Drittel auf noch 29 Prozent des Gesamtverkehrs zurück. Dafür stieg der Anteil des ÖV mit selbstfahrenden Bussen, Bahnen und Taxis - und zwar auf über 60 Prozent.

Positiv wirkten sich auch sinkende Preise aus. Die Kosten für Busfahrten sollen mit selbstfahrenden Bussen auf die Hälfte sinken.

Was wird an den anderen Studien kritisiert?

Die Studien aus anderen Ländern, die zu anderen Resultaten kommen, erklären die ETH-Forscher mit unrealistischen Idealbedingungen, von denen deren Simulationen ausgegangen seien. Es sei fälschlicherweise angenommen worden, dass tatsächlich jedermann bereit wäre, automatisierte Fahrdienste zu benutzen und dass Preise und Wartezeiten keine Rolle spielen würden.

Was ist an der ETH-Studie anders?

Die Zürcher Studie beansprucht für sich «weltweit einzigartig» zu sein. Im internationalen Vergleich setze sie einen «neuen Massstab im Detailgrad der Analyse», sind die ETH-Forscher überzeugt.

Man habe eine Simulation entwickelt, die Angebot und Nachfrage berücksichtige ebenso wie persönliche Präferenzen der Nutzer. Simuliert wurde das Verhalten von 150'000 einzelnen Verkehrsteilnehmern mit individuellen Entscheidungsmustern.

Als Basis diente eine Befragung von 359 Personen im Kanton Zürich zu ihrem potentiellen Mobilitätsverhalten. Sie gaben an, unter welchen Umständen sie bereit wären, auf automatisierte, geteilte Transportmittel umzusteigen. (sda/jaw)

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DanielaK
07.06.2019 08:53registriert November 2016
Als Laie kann ich ja nicht nachvollziehen ob diese Studie "korrekt" ist. Ich muss jedoch sagen, dass die Ausführungen mir logischer scheinen als die Studien mit den so genannten Idealbedingungen. Ich kenne genug Menschen, welche aus Orinzip lieber alleine durch die Gegend fahren. Ich nehme mal an, die sitzen dann auch nicht plötzlich alle in einem Bus.
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aglio e olio
07.06.2019 08:45registriert Juli 2017
Das macht Sinn. Das Auto ist für viele ein Statussymbol und wird es auch bleiben.
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Thomas Bollinger (1)
07.06.2019 08:33registriert Juli 2015
Nachvollziehbar. Jedes Auto das rumsteht, ist im Prinzip schlechter als eines, welches permanent Leute befördert. Ist eigentlich heute schon so. Von mir aus ist es ok, wenn man den Privatbesitz von vollautonomen Autos verbietet.
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31
Weisst du, aus welchen Sprachen diese Wörter stammen?

Liebe Quizzticle-Klasse

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