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Frankreich

Neukaledonien: Wie Frankreich einen neuen Staat erschafft

FILE - Smoke rises during protests in Noumea, New Caledonia, Wednesday May 15, 2024. (AP Photo/Nicolas Job, File)
Kein Tropenparadies: In Nouméa, der Hauptstadt Neukaledoniens, war es 2024 zu schweren Krawallen mit 14 Toten und Milliardenschäden gekommen.Bild: keystone

Frankreich schafft einen neuen Staat

Die französische Pazifikinsel Neukaledonien soll ein assoziiertes Land werden. Darauf hat sich die Regierung in Paris mit den Separatisten geeinigt. Im Hintergrund geht es auch um die Abwehr Chinas.
13.07.2025, 21:1813.07.2025, 21:18
Stefan Brändle, ch media
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Vertreter der französischen Regierung und der kanakischen Urbevölkerung einigten sich in der Nacht auf Samstag in Bougival bei Paris auf ein «historisches Abkommen», wie sich Unterhändler ausdrückten. Um es in Kraft zu setzen, ist noch eine Änderung der französischen Verfassung nötig. Zustimmen müssen auch die 270'000 Inselbewohner, von denen die pro-französischen Loyalisten heute noch eine knappe Stimmenmehrheit bilden.

Das unterzeichnete Abkommen sieht laut seinem Text die Bildung eines «Staates» vor, der «in Frankreich integriert» sein soll. Neukaledonien soll eine neue Flagge, eine Hymne und einen eigenen Namen erhalten. Die angestammte Bevölkerung (45 Prozent der Einwohner) spricht schon heute von «Kanaky». Das aktuelle Autonomiestatut soll sich in eine eigentliche Selbstverwaltung auswachsen. Kompetenzen wie Polizei und Justiz sollen an die Inselbevölkerung übergehen.

Das ist deshalb von grösster Bedeutung, weil Jugendliche vor einem Jahr schwere Krawalle mit 14 Toten und Attacken auf französische Firmen ausgelöst hatten. Die französische Regierung musste aus dem 17'000 Kilometer entfernten Paris Gendarmen und Armeeeinheiten auf die aufrührerische Insel entsenden.

Die Euro-Bindung würde wohl entfallen

Neukaledonien, wo heute mit dem pazifischen, an den Euro gekoppelten Franc bezahlt wird, soll auch eine eigene Währung erhalten. Frankreich will seine Wirtschaftshilfe fortsetzen, nachdem es schon heute für einen Drittel des kaledonischen Haushaltes aufkommt.

Faktisch würde «Neukaledonien» oder «Kanaky» ein mit Frankreich assoziierter Staat. Dieses Statut ist im Pazifik verbreitet: Palau ist zum Beispiel den USA verbunden, die Cookinseln sind Neuseeland angeschlossen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron liess sich von diesem Modell inspirieren, als er die Loyalisten und Separatisten vor einer Woche nach Bougival zu Verhandlungen einlud. Das Abkommen ist ein Erfolg für ihn und Überseeminister Manuel Valls, den sozialistischen Ex-Premier.

President Emmanuel Macron, left, and Minister for Overseas Territories Manuel Valls attend a meeting with New Caledonia's elected officials and state representatives for an agreement aimed at gra ...
Macron und Valls bei den Verhandlungen am 12. Juli 2025.Bild: keystone

Über den Berg ist die Einigung allerdings noch nicht. Der neue Präsident der «kanakischen und sozialistischen nationalen Freiheitsfront» (FLNKS), Christian Tein, der wegen Krawallbeteiligung eigentlich eine Haftstrafe verbüsst, aber im Hintergrund mitverhandelte, nannte die Einigung «interessant». Mehr nicht. Der gemässigtere FLNKS-Ex-Präsident Roch Wamytan will das Abkommen immerhin seiner Organisation unterbreiten.

Frankreich zahlt

Vor allem die jüngere Kanak-Generation strebt weiterhin eine völlige Unabhängigkeit von Frankreich an. Mit dem Argument, «Kanaky» brauche das Milliardenmanna aus Paris nicht, da ihre Insel über die grössten Nickelvorkommen der Welt verfüge.

Indigenous Kanaks wave independent flags during the 171th anniversary of France's takeover of the Pacific Archipelago, in Noumea, New Caledonia, French Pacific islands, Tuesday Sept. 24, 2024. (A ...
Die Kanaky wünschen sich die Unabhängigkeit – ob sie diese vollumfänglich erhalten werden, bleibt abzuwarten.Bild: keystone

Frankreich wird nicht freiwillig auf diese Rohstoffquelle verzichten. Macron hat zudem öfter betont, Neukaledonien sei militärstrategisch wichtig gegen den Druck Chinas aus dem Nordpazifik. Die FLNKS pflegt indessen Kontakte zu China und Aserbaidschan.

Paris wird mit Unterstützung Australiens alles unternehmen, um einen geostrategischen Seitenwechsel seiner einstigen Kolonie zu verhindern. Ein wirklich unabhängiger Staat dürfte Neukaledonien nicht so schnell werden. (aargauerzeitung.ch)

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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der/die Waldpropaganda
13.07.2025 22:32registriert September 2018
Es ist wichtig, dass hier Frankreich streng bleibt. Die terroristischen Organisationen werden stark von China finanziert und ubterstützt. China will die Nickel vorkommen. Mit einer Autonomie würde Neukaledonien direkt in die imperialistischen Hände Chinas fallen.
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Basmati-Reis
13.07.2025 21:53registriert August 2017
Die Insel ist wunderschön und die Franzosen haben zwar grosse Minen, bemühen sich aber auch um anschliessende Renaturierungen usw. Ob dies unter chinesischer Flagge auch so wäre, bezweifle ich.
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derEchteElch
13.07.2025 23:32registriert Juni 2017
Es ist sehr wichtig, dass Frankreich im Interesse von ganz Europa (!!) standfest bleibt. Den Chinesen darf kein Stück Land überlassen werden. China darf nicht noch mehr Macht erhalten.
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