Weil Sie ein Kopftuch tragen, können Sie Ihre Stelle in Goldingen nicht antreten. Was macht das mit Ihnen?
Es macht mich traurig. Das ist das einzige Gefühl. Ich habe drei Jahre studiert, um als Lehrperson arbeiten zu können. Es war ein Traum von mir seit der dritten Klasse, selbst einmal als Lehrerin vor einer Klasse zu stehen. Dass das nun vorerst nicht klappt, macht mich unendlich traurig.
Erhielten Sie bereits viele Absagen?
Ja. Zwar hatte ich einige Bewerbungsgespräche. Als erste Schule überhaupt erhielt ich aber von Goldingen eine Zusage. Wir haben gleich gemerkt, das passt gut, und wir würden gerne den Weg zusammen weitergehen.
Welche Reaktionen haben Sie nun nach der Absage erhalten?
Das Team ist empört. Die Schulleitung auch. Niemand kann den Entscheid mittragen. Durchgehend habe ich in den letzten Tagen auch von Eltern Telefonate erhalten, dass sie den Entscheid nicht nachvollziehen können. Mehrere von ihnen sind deswegen bei der Gemeinde vorstellig geworden.
Können Sie den Entscheid der Gemeinde nachvollziehen, die eine rechtliche Auseinandersetzung und Spannungen an der Schule verhindern will?
Die Gemeinde begründet ihren Entscheid damit, dass die Schule ein neutraler Ort sei. Allerdings habe ich einen Lehrplan, nach dem ich unterrichte. So wurde ich ausgebildet. Einerseits kann ich nachvollziehen, dass Spannungen hätten entstehen können. Andererseits hätte ich gehofft, dass wir weiter sind.
Inwiefern?
Ich besitze ein Lehrdiplom, das mich befähigt, als Lehrperson tätig zu sein. Das wird mir nun verwehrt, weil ich ein Kopftuch trage. Ohne dass ich eine Chance erhalten hätte, mich zu beweisen. Das tut weh. Und auch wenn ich diesen Ausdruck nicht gerne verwende: Es ist diskriminierend.
Die Gemeinde spricht von einem «einvernehmlichen Entscheid».
Mir war klar, dass es sich kaum lohnt, sich dagegen zu wehren. Gewisse Eltern wollen ihre Kinder vor irgendwelchen Einflüssen beschützen. Und stellen mich so dar, als würde ich jeden Tag den Koran vorlesen. Das Bild von mir verletzt mich. Auch stimmt es nicht, dass ich ein Kopftuch trage, das bis zu den Beinen reicht, wie offenbar eine Mutter behauptet hat, ohne mich kennengelernt zu haben. Meiner Meinung nach sollten wir gesellschaftlich so weit sein, dass Vielfalt als etwas Positives wahrgenommen wird. Sie stören sich an meinem Kopftuch. Würden Sie sich auch für den Glauben oder Nichtglauben von anderen Personen interessieren?
War Ihr Kopftuch bereits während des Studiums im Rahmen von Praktika oder im Bewerbungsprozess für andere Stellen ein Thema?
Bei einem Praktikum im Kanton Thurgau sagte die Schulleitung, dass sie mich mit Kopftuch nicht einstellen würde. Bei einer anderen Schule haben sich zwei Kolleginnen genervt, dass ich mit Kopftuch unterrichte. Da hat sich die Schulleitung allerdings für mich eingesetzt und meine Kompetenzen in den Vordergrund gestellt. Ich habe auch Kolleginnen, die mit Kopftuch unterrichten. Es ist nicht so, dass das per se nicht geht.
Verstehen Sie aber, dass in einer ländlichen Gemeinde ein Kopftuch irritieren kann?
Ja. Da man es vielleicht weniger kennt. Was ich nicht verstehen kann, ist, dass man nicht das offene Gespräch sucht. Ich bin gegenüber allen Menschen offen. Ich hätte kein Problem gehabt, in Ruhe miteinander an einen Tisch zu sitzen, um miteinander über Befürchtungen zu sprechen. Meine Offenheit wertete auch die Schulleitung als positiv. Es war nicht ich, die nicht kompromissbereit war. Mir tut das in erster Linie leid für die Kinder. Aktuell sitzen sie am 11. August in einem Schulzimmer ohne Lehrperson. Ich kenne niemanden, der jetzt noch eine Stelle sucht.
Ist es ein Thema, das Kopftuch abzulegen, um Ihren Traum zu verwirklichen?
So weit ist es noch nicht. Ich bewerbe mich jetzt für weitere Stellen. Ich muss aber sagen, die Stelle in Goldingen wäre perfekt gewesen wegen des Teams und der Klassenstufe. Aber ich gebe nicht auf und erhalte Unterstützung, um ähnliche Fälle zu verhindern. Egal, wie es ausgeht: So etwas, wie ich es erfahren musste, ohne Anstellungsverhältnis am Ende, darf es nicht mehr geben. Ich habe schon so viel für die Klasse vorbereitet, kenne die Kinder und habe für den Unterricht viel eingekauft. Mein Zimmer sieht aktuell so aus, als würde ich umziehen. Denn eigentlich wäre ich jetzt am Einrichten meines neuen Klassenzimmers. Stattdessen schreibe ich Bewerbungen.
Wie zuversichtlich sind Sie, etwas zu finden?
Ich halte es derzeit so, dass ich zuerst bei einer Schule anrufe, bevor ich mich bewerbe. So kann ich meine Situation darlegen, dass ich mit Kopftuch unterrichten möchte. Ich habe mich auch bereits im Kanton Zürich beworben – im Wissen, dass sie gesellschaftlich wohl weiter sind.
Die Mehrheit der Männer in der Schweiz kann mit dem Anblick von etwas weiblicher Haut ungehen. Falls dem so wäre, sollte das Problem nicht durch die Frauen gelöst werden müssen.
Jemand der so ein Welbild nach aussen trägt, sollte nicht Kinder unterrichten und deren Erziehung prägen.
Und das kommt von einer Muslima mit Kopftuch. Ein Witz, oder?