Die ersten Anzeichen von Krebs können bereits Jahrzehnte vor der Diagnose eines Tumors erkannt werden. Dies geht aus einer im Fachmagazin «Nature» veröffentlichte Studie hervor. Sie zeigt, dass sich die genetischen Mutationen, die gesunde Zellen in bösartige umwandeln, in manchen Fällen sogar schon im Kindesalter nachweisen lassen.
Bei jeder fünften Mutation könne man von einem solchen «Frühereignis» in der Tumorentwicklung ausgehen, heisst es in der Untersuchung. Die neuen Erkenntnisse zur komplexen Genetik von Tumorleiden eröffnen womöglich ganz neue Wege für künftige Diagnoseverfahren.
«Das Aussergewöhnliche ist, wie einige der genetischen Veränderungen viele Jahre vor der Diagnose aufzutreten scheinen.» Das sei lange bevor andere Anzeichen dafür vorliegen, dass sich ein Krebs entwickelt, schreibt Clemency Jolly, Mitautorin der Studie vom britischen Francis Crick Forschungsinstitut.
Die Untersuchung wurde im Rahmen des Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes-Projekt (PCAWG) durchgeführt, der bislang umfassendsten Meta-Analyse des Erbguts von Krebstumoren. Die beteiligten 1'500 internationalen Forscher untersuchten Proben von rund 2'700 Tumoren und 38 verschiedenen Krebsarten – darunter Leber-, Gehirn- und Pankreastumoren.
Forscherin Jolly und ihre Kollegen sind zuversichtlich, dass in Zukunft diagnostische Tests entwickelt werden könnten, die solche Mutationen mithilfe sogenannter Flüssigbiopsien aufspüren. Die Idee dahinter: Liessen sich Mutationen in frei schwebender DNA im Blut nachweisen, könnte dies Hinweise auf Tumoren an anderer Stelle im Körper liefern.
Krebspatienten könnten damit künftig möglicherweise in einem sehr frühen Stadium der Krankheit auf eine bösartige Wucherung getestet und entsprechend behandelt werden. Dies würde es auch ermöglichen, Kinder frühzeitig zu untersuchen, um eine Tumorerkrankung zu vermeiden.
Tumoren entstehen, wenn körpereigene Zellen beginnen, unkontrolliert zu wachsen und sich übermässig teilen. Ausgelöst wird dieser Prozess, wenn im Erbgut der Zellen Mutationen stattfinden, die von den körpereigenen Abwehrmechanismen nicht bekämpft werden. Die Frage, warum das Immunsystem die Krebszellen nicht angreift, steht zunehmend im Fokus der Krebsforschung.
Ein tieferer Einblick in die Genetik der Krebszellen hilft nicht nur, die Entstehung von bösartigen Wucherungen besser zu verstehen. Er kann auch wichtige Ansatzpunkte für neue Behandlungsmethoden bieten. Und diese sind relevanter denn je.
In den reichen Industrienationen sind Tumorleiden inzwischen Todesursache Nummer Eins und haben damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen abgelöst.
Allein in Deutschland erkranken jährlich rund 500'000 Menschen an Krebs, in der Schweiz sind es 40'000 neue Fälle pro Jahr. Weltweit registrierte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) 18.1 Millionen neue Krebserkrankungen im Jahr 2018, knapp zehn Millionen Menschen starben daran. Laut einer Prognose der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dürfte sich die Zahl der globalen Krebsfälle bis 2040 fast verdoppeln.
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