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Premier trotz Anklage: Israelisches Gericht ebnet den Weg für Netanjahu

Premier trotz Anklage: Israelisches Gericht ebnet den Weg für Netanjahu

07.05.2020, 06:52
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Die neue Regierung des rechtskonservativen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seines Rivalen Benny Gantz soll in einer Woche vereidigt werden. Dies teilten Netanjahus Likud und Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiss am Mittwochabend mit.

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Darf erneut Premier werden: Benjamin Netanjahu.Bild: AP

Das Höchste Gericht in Jerusalem ebnete den Weg für die Regierungsbildung, indem es Petitionen gegen eine weitere Amtszeit Netanjahus sowie die Koalitionsvereinbarung zurückwies. Die Koalition mit Rotation im Amt des Ministerpräsidenten soll eine Pattsituation beenden, die Israels politisches Leben mehr als ein Jahr lang gelähmt hatte.

Kultur- und Sportministerin Miri Regev (Likud) begrüsste das Urteil der elf Jerusalemer Richter. «Es gibt einen Souverän in Israel – das Volk, und es hat sein Urteil gefällt», sagte sie nach Angaben der Nachrichtenseite ynet.

Ungeachtet einer Korruptionsanklage gebe es «keinen juristischen Grund, dagegen vorzugehen, dass das Mandat zur Regierungsbildung dem Abgeordneten Benjamin Netanjahu erteilt wird», hiess es in dem Urteil. Dennoch seien die Vorwürfe gegen Netanjahu schwerwiegend, und es sei problematisch, wenn ein Regierungschef unter Anklage amtiere.

Nach israelischem Recht muss ein Ministerpräsident erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung zurücktreten. Ein Minister muss sein Amt dagegen bereits bei einer Anklageerhebung abgeben.

Auch die Koalitionsvereinbarung von Likud und Blau-Weiss sei juristisch problematisch, hiess es am Mittwochabend in dem einstimmigen Urteil der Richter. Dennoch gebe es gegenwärtig keinen Grund für das Gericht, sich einzumischen. Sie deuteten jedoch an, dass künftige Gesetzesänderungen, die in dem Koalitionsvertrag vorgesehen sind, durchaus angefochten werden könnten.

Koalitionsvereinbarung angepasst

Nach Kritik des Höchsten Gerichts hatten der Likud und Blau-Weiss am Dienstag Teile ihrer Koalitionsvereinbarung verändert. Bürgerrechtler hatten die nach der Wahl am 2. März getroffene Vereinbarung Netanjahus mit Benny Gantz von Blau-Weiss, die eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten vorsieht, als gesetzeswidrig abgelehnt.

Gantz hatte den Pakt mit Netanjahu, den er wegen der Korruptionsvorwürfe gegen den Likud-Chef lange verweigert hatte, vor allem mit der Corona-Krise begründet. Auch die strengreligiösen Parteien sowie die Arbeitspartei sollen Teil der neuen Regierung werden.

Am Sonntag hatte das Gericht in Jerusalem über Petitionen beraten, die forderten, Netanjahu dürfe wegen der Korruptionsanklage nicht erneut Regierungschef werden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug und Untreue sowie Bestechlichkeit vor, der Prozess soll am 24. Mai beginnen. Der Regierungschef hat alle Vorwürfe zurückgewiesen.

Bis Ablauf einer Frist am Donnerstagabend muss das Parlament Netanjahu noch offiziell mit der Regierungsbildung beauftragen. Israel hätte zum vierten Mal seit April 2019 wählen müssen, hätte das Gericht gegen eine weitere Amtszeit den 70-Jährigen entscheiden.

Ein Anwalt hatte am Sonntag bei der Verhandlung im Namen Netanjahus gesagt: «Das Gericht sollte nicht in der Frage entscheiden, wer die nächste Regierung bilden darf.» Auch ein Vertreter des Generalstaatsanwalts Avichai Mandelblit erklärte, er sehe keinen Grund für eine Einmischung des Gerichts in der Frage, obwohl die Vorwürfe gegen Netanjahu schwerwiegend seien.

Der Vorsitzende der Bewegung für Qualitätsregierung, Eliad Schraga, warnte dagegen, eine weitere Amtszeit Netanjahus trotz einer Korruptionsanklage gefährde Israels Rechtsstaatlichkeit. «Wir befinden uns mitten in einem Erdbeben.»

Israel hat binnen eines Jahres bereits drei Mal gewählt. Danach hatte eine Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen und dem Mitte-Links-Block lange eine Regierungsbildung verhindert. Netanjahus rechtskonservative Likud-Partei wurde bei der Wahl im März mit 36 von 120 Mandaten die stärkste Fraktion im Parlament. (sda/dpa)

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5 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bildung & Aufklärung
07.05.2020 08:45registriert Juli 2019
Rechts"konservativ"?

Komisch, dabei hat er doch explizit damit geworben, dass man den Palästinenern noch mehr Land mit Gewalt stiehlt.

Ich dachte immer konservare heisst bewahren, also dass man nicht neu noch mehr stiehlt...

Warum nennen wirs nicht beim Namen. Er und seine zutiefst asoziale, spalterische, hetzerische Politik sind rechtsradikal, wenn wir ehrlich sind.

Anklage wegen Korruption? Who cares. Den militanten Kriegsherrn geben und das Volch ist dabei.

Und ich rational denkender Idiot dachte mal, wenn etwas logischerweise gar nie rechts sein würde, dann Israel.
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