Auch der Ständerat setzt die Masseneinwanderungsinitiative nicht wörtlich um. Er geht aber weiter als der Nationalrat: Inländische Stellensuchende sollen von den Arbeitsämtern bevorzugt behandelt werden. Das soll die Zuwanderung eindämmen.
Die Gesamtabstimmung steht noch aus. Mit 26 zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung gutgeheissen hat die kleine Kammer das Konzept, das Philipp Müller (FDP/AG) vorgeschlagenen hatte: In Berufsgruppen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit müssen offene Stellen den Arbeitsämtern gemeldet werden. Diese Inserate sind zunächst nur für jene Stellensuchenden zugänglich, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind.
Firmen können dazu verpflichtet werden, Stellensuchende zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Bei einer Ablehnung müssen sie diese schriftlich begründen. Dieser Punkt wird von der Wirtschaft bekämpft, er wird in der Differenzbereinigung mit dem Nationalrat noch zu reden geben. Der Nationalrat debattiert das Geschäft am Montag.
Das Modell Müller setzte sich dank einer Allianz von FDP mit SP und Grünen durch. Die CVP, die mit ihrem Konzept eine Verletzung des Freizügigkeitsabkommens in Kauf nehmen wollte, hatte keine Chance. Nun muss sich zeigen, ob sie an ihrem Vorschlag festhalten oder eine Annäherung an die FDP suchen will.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga sprach sich für eine Lösung aus, die mit dem Freizügigkeitsabkommen kompatibel ist. Bei den Minderheitsanträgen von CVP und SVP sei dies nicht der Fall. Insbesondere Ausnahmen für Kurzaufenthalter werde der Bundesrat vehement bekämpfen. An seinem Konzept mit einer einseitigen Schutzklausel halte der Bundesrat nicht fest.
Die Rednerliste ist abgetragen. Als Letzter spricht Daniel Jositsch (SP, ZH). Er stellt fest, dass man seit zweieinhalb Jahren damit beschäftigt sei, den Scherbenhaufen aufzuräumen. Nun dürfen noch einmal Pirmin Bischof ( CVP, SO) und Peter Föhn (SVP, SZ) ihre Minderheitsanträge begründen. Anschliessend darf FDP-Mann Philipp Müller nochmals das Wort ergreifen. Dann ist Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Zug.
Die Debatte hat begonnen. Auf der Liste stehen noch neun Redner. Werner Luginbühl (BDP, BE), Beat Vonlanthen (CVP, FR) und Beat Rieder (CVP, VS) reden zusammen nur knapp 30 Minuten. Das ist für den Ständerat geradezu Vollgas. Inhaltlich erzählen sie nichts Neues. Die CVP-Vertreter unterstützen den Vorschlag ihrer Partei, wonach die Schweiz Massnahmen gegen die Zuwanderung auch ohne Einverständnis der EU ergreifen kann.
Der Ständerat setzt heute seine Debatte über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative fort. Am Mittwoch kam er wie erwartet noch nicht ans Ziel. Wegen der Feier für den neuen Ratspräsidenten Ivo Bischofberger (CVP, AI) war die Sitzung kürzer als üblich, und die Übertragung im SRF animierte die Standesvertreter, ihre grosszügige Redezeit weidlich auszunützen.
Heute sind weitere zwölf Votanten vorgesehen, und Bundesrätin Simonetta Sommaruga wird sich ebenfalls äussern. Für einen Entscheid wird es trotzdem reichen, denn der Zeitplan ist sehr eng. Am nächsten Montag ist das Geschäft erneut im Nationalrat traktandiert. Diese Debatte ist unvermeidlich, denn der Ständerat dürfte bei seinen Beschlüssen deutlich vom «Inländervorrang light» abweichen, den die grosse Kammer im September beschlossen hat.
Das von Philipp Müller (FDP, AG) vorgeschlagene Modell hat beste Chancen. Es sieht neben der vom Nationalrat verlangten Meldepflicht von offenen Stellen bei den RAV in Bereichen mit hoher Arbeitslosigkeit auch eine Interviewpflicht für Bewerber und eine Begründungspflicht bei Absagen vor. Freisinnige sowie Linke und Grüne stehen praktisch geschlossen hinter dem Vorschlag, was für eine Mehrheit reichen wird. Chancenlos ist die SVP, die eine wortgetreue Umsetzung ihrer Initiative verlangt.