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Der Pulverdampf hat sich inzwischen verzogen. Die erste Aufregung ist vorbei. Die Kommentare und Analysen sind geschrieben, die Interviews gemacht. Nun folgen für den neuen Nationaltrainer Patrick Fischer (40) und seine beiden Assistenten Felix Hollenstein (50) und Reto von Arx (39) bei der «Arosa Challenge» die ersten beiden Länderspiele.
Wir erkennen immer besser die enormen Risiken und Chancen dieses Abenteuers. Denn es geht bei Patrick Fischer ebenso um Machiavellismus wie um Tore und Assists, Siege und Niederlagen. Machiavellismus ist die politische Theorie über die Erringung oder Erhaltung politischer Macht.
Wir erleben so etwas wie einen «Schweizer Eishockeyfrühling». Die schlauen Klubgeneräle haben sich möglicherweise verrechnet. ZSC-Manager Peter Zahner und SCB-General Marc Lüthi, die besten Machiavellisten von allen, wähnten sich bereits als wahre Präsidenten unseres Hockeyverbandes.
Ohne Peter Zahner und Marc Lüthi bewegt sich kaum etwas in unserem Hockey. Die politische Achse, um die sich alles dreht, verläuft entlang der A1. Die beiden haben «ihre» Leute in den Schlüsselpositionen installiert. Lüthis Kumpel Marc Furrer, der freundliche «Ämtlisammler» (so bezeichnet ihn das einflussreiche Branchenblatt «Sponsoring Extra») als Präsidenten. Furrer und Lüthi sassen einst im gleichen Ruderboot, Lüthi als Steuermann, Furrer als Ruderer. Florian Kohler, ein Grossbub von SCB-Ehrenpräsident Werner Kohler, amtiert als Geschäftsführer. Raëto Raffainer, zuvor als NLB-Spieler in der Organisation der ZSC/GCK-Lions auf der Lohnliste, als Nationalmannschaftsdirektor.
Aber so viel Politik und Polemik auch sein mag – Sportverbände unterscheiden sich von politischen Organisationen durch die Unberechenbarkeit des Spiels und die Dynamik der sportlichen Hauptdarsteller. Alles, was Peter Zahner und Marc Lüthi eingefädelt haben, droht jetzt aus dem Ruder zu laufen. Beide können mit Goethes Zauberlehrling sagen: «Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht mehr los.»
Denn der neue Geschäftsführer Florian Kohler und sein Nationalmannschaftsdirektor Raëto Raffainer haben sich inzwischen von ihren Gönnern und Einflüstern emanzipiert. Die Ernennung von Patrick Fischer, Felix Hollenstein und Reto von Arx ist nichts anderes als eine wagemutige Flucht nach vorne, eine Revolution – gegen den Willen der Klubgeneräle. Ja, Peter Zahner fühlt sich brüskiert. Weil er bei dieser Wahl übergangen worden ist. Aber vorerst kann es sich niemand leisten, öffentlich gegen eine Schweizer Lösung zu sein. Aller machen gute Miene zum vermeintlich bösen Spiel.
Die neue Führungscrew der Nationalmannschaft ist jung – und mit jungen Nationaltrainern haben wir meistens gute Erfahrungen gemacht. Ruedi Killias war 1973 bei der Amtsübernahme erst 30 und erlöste uns aus den Niederungen der C-WM. Als Simon Schenk 1985 Nationaltrainer wurde, war er 40. Gleich alt wie jetzt Patrick Fischer. Er strafte alle Kritiker Lügen und schaffte schon im ersten Amtsjahr den Aufstieg in die A-WM. Ralph Krueger war bei seiner Amtsübernahme 1997 sogar erst 38 und erreichte auf Anhieb das WM-Halbfinale von 1998. Wie Patrick Fischer waren alle drei, Killias, Schenk und Krueger, umstrittene Notlösungen.
Patrick Fischers grosse Chance liegt darin, dass die Spieler den jungen neuen Chef womöglich ganz cool finden. Cooler jedenfalls als den unglückseligen Opportunisten Glen Hanlon (58). Der Kanadier hatte das Charisma eines Dental-Hygienikers, war aber der Liebling von Peter Zahner und seinen Freunden. Weil er bei den Aufgeboten jeden Wunsch der Klubs untertänigst erfüllte.
Patrick Fischer ist hingegen ein eigenwilliger, charismatischer Kommunikator mit einem Sendungsbewusstsein. Er kann die Spieler für seine Sache begeistern. Darin ist er wie Ralph Krueger und diese Stärken muss er ausspielen. Spieler kümmern sich nicht um Politik. Sie wollen Spass haben – und wenn Patrick Fischer diesen Spassfaktor zurückbringt, dann gewinnt die Nationalmannschaft eine positive Eigendynamik, die sich dem politischen Einfluss entzieht. Das Eishockey-Magazin «Slapshot» fragt in seiner neuen Ausgabe bereits hoffnungsvoll: «Ist Patrick Fischer der neue Ralph Krueger?».
Die Gefahr, dass Patrick Fischer mit einzelnen Jungs eine belastende Vergangenheit hat, die ihn nun einholen könnte, ist eher gering. Dass er sich in Lugano ausgerechnet mit Damien Brunner (29) nicht mehr verstanden hat, war ein wichtiger Grund für sein dortiges Scheitern. «Ich habe mit Patrick Fischer kein Problem», sagt Damien Brunner. «Wir spielten und wohnten einst in Zug zusammen, inzwischen ist er für mich vom Kumpel zum Cheftrainer geworden, den ich respektiere. Ich freue mich auf die Nationalmannschaft.»
Sich gegen die Nationalmannschaft zu stellen, kommt für die Klubmanager jetzt noch nicht in Frage. SCB-General Marc Lüthi hätte ja allen Grund dazu, das Aufgebot seiner besten Spieler – Eric Blum und Simon Moser – zu verhindern. Glen Hanlon hätte schon in vorauseilendem Gehorsam darauf verzichtet. Was, wenn sich einer der beiden beim Einsatz in Arosa verletzt? «Aber Nationalmannschaft ist Nationalmannschaft», sagt Marc Lüthi. «Wir werden nie einen Spieler daran hindern, einem Aufgebot Folge zu leisten.» Vor allem nicht jetzt, gleich nach dem Amtsantritt eines jungen, hoffnungsvollen Schweizer Coaches.
Diese Ausgangslage bedeutet aber auch: Patrick Fischer kann kein gewöhnlicher Nationaltrainer zu sein und keine Kompromisse eingehen. Wenn er konsequent wie einst Ralph Krueger seinen Weg geht, auch gegen Widerstände, kann er erfolgreich sein. Wenn nicht, dann ist er der nächste Glen Hanlon.
Und wo liegen die Risiken? Der gesamte Verband ist so mit Politik aufgeladen, dass die Versuchung, sich aus der Verantwortung zu stehlen, gross ist. Patrick Fischers Begeisterungsfähigkeit kontrastiert mit der Verunsicherung seiner Chefs. Verbandsdirektor Florian Kohler hat soeben eine «Einseifungs-Tour» bei kritischen Chronisten beendet. Um sich wohlwollende Berichterstattung zu sichern, werden Infos gezielt einzelnen Medien «gesteckt». Ein tiefes Misstrauen prägt die Stimmung. Der hoch angesehene NZZ-Autor Jürg Vogel attestiert dem Verband im Kommunikations-Verhalten gar «stalinistische Methoden wie zu Breschnews Zeiten».
Die Anspannung ist verständlich. Die Nationalmannschaft ist ein wichtiger Werbeträger geworden. Unvorteilhafte Medienpräsenz sorgt für Nervosität. Ein sportliches Scheitern bei der WM 2016 in Moskau kann Florian Kohler und Raëto Raffainer aus dem Amt fegen. Wenn es nicht läuft, dann hat Patrick Fischer, anders als einst Ralph Krueger, keine Verbandsführung hinter sich, die ihm den Rücken durch alle Böden hindurch stärken wird. Er muss vielmehr damit rechnen, dass sich seine Chefs in der Krise verhalten werden wie der legendäre Schiff-Kapitän Franceso Schettino: Rette sich wer kann.
Deshalb ist es so wichtig, dass Patrick Fischer und seine zwei Assistenten Felix Hollenstein und Reto von Arx zusammenhalten. Dass keiner aus diesem Triumvirat der Versuchung erliegt, Niederlagen und Unstimmigkeiten über die persönlichen Kanäle zu den Medien dem anderen in die Schuhe zu schieben. Oder noch einfacher gesagt: Wenn Patrick Fischer seine Kumpels Felix Hollenstein und Reto von Arx im Griff hat, dann hat er fast alles unter Kontrolle.
Einfach wird es nicht sein. Patrick Fischer steht als Cheftrainer an vorderster Front und übernimmt das Coaching. Er steht oben auf der Kommandobrücke und bestimmt den Kurs. Felix Hollenstein ist mit Abstand der erfahrenste Trainer des Trios. Er muss die taktischen Schwächen seines Chefs kompensieren, das Spiel strukturieren und im Maschinenraum des Nationalmannschafts-Dampfers dafür sorgen, dass alle Räder ineinandergreifen. Er wird sich auf der Kommandobrücke als zweiter Offizier vor allem um das Coaching der Verteidiger kümmern. Er ist ein kluger Opportunist und wird nach aussen keine Verantwortung übernehmen.
Reto von Arx hat keinerlei Erfahrung als Trainer, steht trotzdem an der nationalen Bande, nimmt aber auf der Kommandobrücke keinen Einfluss aufs Coaching. Er beobachtet, was der Gegner tut und gibt dem Coach Ratschläge. Er soll Stimmungen im Team spüren und steuern und für gute Laune sorgen. Er übernimmt eine nicht definierbare, schwierige Rolle zwischen Consigliere, Seelsorger, Rasputin und Clown.