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Reha-Spezialistin: «Die Nähe der Familie ist für Schumi im Moment das Wichtigste»

Der Universitätsspital in Lausanne.
Der Universitätsspital in Lausanne.Bild: EPA/KEYSTONE
Michael Schumacher

Reha-Spezialistin: «Die Nähe der Familie ist für Schumi im Moment das Wichtigste»

Kommunikation jeglicher Art steht für Michael Schumacher kurz nach seinem Aufwachen aus dem sechsmonatigen Koma an erster Stelle. Es gilt für ihn, wieder Anschluss an seine Umgebung zu gewinnen. Inwiefern ihm das gelingt, bleibt allerdings offen.
16.06.2014, 18:1616.06.2014, 18:22
Jan Arnet / Aargauer Zeitung
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Aargauer Zeitung

Michael Schumacher ist sechs Monate nach seinem Ski-Unfall am 29. Dezember 2013 aus dem Koma aufgewacht. Von der Klinik in Grenoble wurde er nun ins Universitätsspital Lausanne verlegt, wo er die lange Phase seiner Rehabilitation fortsetzen wird.

Margret Hund, Chefärztin des Zentrum für die hochspezialisierte Behandlung und Rehabilitation von querschnittgelähmten und hirnverletzten Menschen REHAB in Basael, erklärt den momentanen Zustand vom mehrmaligen Formel-1-Weltmeister.

Dr. Margret Hund, Michael Schumacher ist nach einem halben Jahr aus dem Koma aufgewacht. Wie weit ist ein Patient, wenn er in eine andere Klinik eingeliefert wird?
Margret Hund: Ein Patient kann dann in die neurologische Frührehabilitation verlegt werden, wenn er von seiner Kreislauf- und Atemsituation her stabil ist und sich auch von neurologischer Seite her in einem stabilen oder besser werdenden Zustand befindet. Der Verlegungszeitpunkt ist dabei unabhängig vom Aufwachen aus dem Koma. Auf unserer Wachkoma-Station im REHAB Basel befinden sich viele Patienten noch im Koma und werden schon sehr frühzeitig nach der Akutphase verlegt.

Was ist nun das Wichtigste für den Moment? 
Es geht in der Rehabilitation in der frühen Phasen nach dem Koma ganz viel um Kommunikation und Austausch: Der Patient, der sich ja so lange nicht mitteilen konnte, soll möglichst wieder Anschluss gewinnen an seine Umgebung, muss seine Situation begreifen, sich orientieren. Die Kommunikation bedient sich verschiedenster Mittel und meist eines gemeinsamen Codes mit dem Patienten: Augenzwinkern, Blickwendungen, Kopfschütteln, Händedrücken usw. Wenn möglich auch Bildung von Lauten, Silben und Wörtern. Manchmal ist ein erstes Ja oder Nein das erste gesprochene Wort. Ausserdem geht es häufig um regelmässige Atmungsmuster und Schluckfunktion, die ebenfalls mit zunehmender Wachheit besser werden. Die Ernährung über die Magensonde kann im besten Fall langsam wieder über den oralen Weg umgestellt werden.

Dr. Mark Mäder: «Es wird ein langer Weg»
Dr. med Mark Mäder hat über 25-jährige Erfahrung als Chefarzt im REHAB Basel vorzuweisen. Er denkt, für Schumacher wird es ein langer Weg zur Besserung werden.
«Viele Leute denken, er ist jetzt aufgewacht und wird bald wieder gesund sein. Doch die Realität sieht anders aus. Vor Schumacher liegt ein weiter Weg von mehreren Wochen und Monaten. Es wird weiterhin Schritt für Schritt an ihm und mit ihm gearbeitet.», so Mäder.
Jeder Koma-Patient erhole sich unterschiedlich. Schumacher werde auf jeden Fall für lange Zeit noch sehr eingeschränkt sein. Eine Rehabilitation sei ein langfristiger Prozess.
Mäder: «Dennoch ist das Erwachen sicherlich ein erster Schritt. Man sagt, je länger der Patient im Koma liegt, desto geringer ist die Chance, dass er sich wieder vollständig erholen kann.»
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Was sind die nächsten Ziele?
Ein weiter grosser Bereich ist das neue Erlernen von Bewegungsmustern und die Kontrolle des Muskeltonus. Das beginnt bei einfach geführten Bewegungen wie der morgendlichen Pflege, über die Rumpf- und Kopfkontrolle bis zum Stehen und ersten geführten Schritten. Die frühe Mobilisation, die Förderung von Wachheit und Kommunikation, das sind die nächsten Ziele.

Anscheinend konnte er schon mit seiner Frau und seinen Kindern kommunizieren. Wie wird er mit Ihnen kommuniziert haben? 
Die Kommunikation in dieser Phase ist meistens über Augenbewegungen, Kopfschütteln, Händedruck, Blickbewegungen, manchmal auch schon über einzelne Silben und Wörter. Alles wäre möglich und hängt ganz vom individuellen Patienten und seinem Störungsbild ab. Sicher ist, es gibt kein schöneres Ja oder Nein für die Angehörigen, wenn sie monatelang Nichts vom Patienten gehört haben.

Wie werden die nächsten Wochen für ihn aussehen?
Rehabilitation bedeutet harte Arbeit für den Patienten, wach sein, aufmerksam bei den Therapien sein, die Umgebung begreifen und wo immer möglich, kleinste Teilschritte selbst übernehmen und neu lernen. Das ist der Alltag in dieser nächsten Etappe der Rehabilitation. Der Alltag wird durch Therapien und Pausen und hoffentlich den engen und häufigen Austausch mit Familie und Freunden geprägt sein.

Wie sieht ein Koma-Patient nach 6 Monate Bettlägerigkeit aus?
Die meisten Patienten haben beträchtlich an Gewicht und Muskelmasse verloren, trotz guter künstlicher Ernährung. Ansonsten ist das Bild eng verknüpft mit den neurologischen Symptomen: Kontrakturen an den Gelenken und Spastik sind häufige Befunde.

Wie kann diese Verlegung eingestuft werden?
Eine Verlegung in eine neurologische Frührehabilitation erachte ich als einen wichtigen Schritt im Rehabilitationsverlauf. Mir scheint es ganz wichtig zu sein, dass die Familie in der Nähe des Patienten ist und auch wieder selbst ein Stück Alltag in ihrem gewohnten Umfeld haben kann. Ausserdem ist die Nähe der vertrauten Familie ganz oft ein wichtiger Antrieb für den Patienten, wenn nicht der Wichtigste.

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