Im 226. Zürcher Derby läuft die 74. Minute, Frank Feltscher hat GC gegen den FCZ mit einem Elfmeter soeben mit 2:1 in Führung gebracht. Hochverdient ist dieser Treffer, GC ist dem FCZ in allen Belangen überlegen. Urs Fischer greift zu seiner letzten Waffe im Köcher und wechselt Yassine Chikhaoui ein. Doch der Tunesier sollte keinen Ball mehr berühren.
Was sich jetzt abspielt, hat die Fussball-Schweiz so noch nie gesehen. Von der Osttribüne kommend, schleudert ein vermummter FCZ-Anhänger eine brennende Fackel in den GC-Fansektor.
Ernsthaft getroffen wird zum Glück niemand. Doch die GC-Kurve befindet sich nach diesem Angriff im Ausnahmezustand. Was für ein Eklat! Viele der Hopper-Fans wirken jedoch gar nicht so richtig überrascht. Mehrere Dutzend vermummte Fans der Hoppers drängen sich ans Gitter und versuchen sich mit Fahnenstangen zur Wehr zu setzen. Sie wirken vorbereitet, haben sich bereits ausgerüstet. Hat die GC-Kurve den Fackelwurf geahnt?
Jein. Dass die Reaktion derart heftig und bereits schon im Stadion ausfallen würde, damit hat wohl niemand gerechnet. Doch kurz nach dem Führungstreffer ist es die GC-Fankurve, die bewusst Provokationen in Richtung FCZ-Südkurve entsendet.
Was ist geschehen? Einige Personen aus der GC-Szene klauen geraume Zeit vor dem Derby Doppelhalter der FCZ-Fangruppierung «Boys». Für diese bedeutet dies eine grobe Verletzung der Ehre. Die Stimmung zwischen den beiden Fan-Lagern ist deswegen sowieso schon angespannt.
Doch mit folgender Aktion bringen die GC-Fans das Fass zum Überlaufen: Nacheinander präsentieren sie der Südkurve zwei gut lesbare Schriftzüge. «Will das Jahr nöd nur GC Züri Jubiläum Fiirät, alles gueti zu ...», und jetzt kommt der grosse Affront, «15 Jahre Boys». Letzteres haben die GC-Anhänger mit Farbe über die geklauten Doppelhalter der FCZ-Fans geschrieben. Just am Tag ihres 15-jährigen Bestehens. Dass dies nicht ohne Gegenreaktion bleiben würde, war wohl den meisten bewusst.
Auf der Osttribüne kommt es nach dem Fackelwurf zu wüsten Szenen. Dort, wo sich noch vor wenigen Minuten Familien mit Kindern in der Herbstsonne gemütlich das Derby angesehen haben, wird jetzt geprügelt. Ausserdem laufen mehrere Personen aus der Südkurve auf der Tartanbahn in Richtung GC-Fansektor. Die Szenerie gerät völlig ausser Kontrolle, für Schiedsrichter Sascha Kever gibt es nur noch eine Option: Die Partie muss abgebrochen werden.
Der Schock bei den beteiligten Personen sitzt tief: GC-Präsident Leutwiler würde die Bilder des Täters am liebsten sofort ins Internet stellen.
Ähnlich heftig fällt die Reaktion von FCZ-Präsident Ancillo Canepa aus.
Die Südkurve reagiert mit einem Communiqué ebenfalls auf die Vorkommnisse. Man wolle in Zukunft etwas Zurückhaltung ausüben mit der Pyrotechnik. Gänzlich darauf verzichten wolle man indes nicht. «Es ist nicht der Einsatz von Pyrotechnik, sondern dessen Missbrauch, der den Vereinen schadet», so die Südkurve.
Rund sechs Wochen nach dem Vorfall wird das Derby mit einer 0:3-Forfaitniederlage für den FCZ gewertet. Zudem muss das erste Derby der Rückrunde vor leeren Rängen stattfinden und beide Mannschaften müssen eine Busse von je 50'000 Franken bezahlen.
Der Fackelwerfer selber wird nach einem langen juristischen Hickhack im März 2015 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 13 Monaten und zu 500 Franken Busse verurteilt. Nach seinem Wurf kursierten Bilder von ihm im Internet, weshalb er sich der Polizei stellte.