Ratspräsidien: Christa Markwalder zur höchsten Schweizerin gewählt

Ratspräsidien: Christa Markwalder zur höchsten Schweizerin gewählt

30.11.2015, 16:12

Christa Markwalder leitet für ein Jahr die Sitzungen des Nationalrates. Der Rat hat die 40-jährige Berner FDP-Nationalrätin am Montag mit 159 von 183 gültigen Stimmen zur Präsidentin gewählt.

Damit ist Markwalder formell höchste Schweizerin. Sie ist die 26. Nationalratspräsidentin aus dem Kanton Bern seit Einführung des Bundesstaates im Jahr 1848. Der letzte Berner Nationalratspräsident war Hanspeter Seiler im Jahr 1999/2000.

Für die feierliche Umrahmung der Wahl sorgte Markwalder gleich selbst: Bevor sie die Leitung des Rates übernahm, trat sie als Musikerin auf, gemeinsam mit Ratskolleginnen und -kollegen. Dem überparteilichen Streichquartett gehören neben der Cellistin Markwalder Balthasar Glättli und Kathrin Bertschy (Geige) sowie Maja Ingold (Bratsche) an. Das Quartett spielte Werke von Antonin Dvořák.

Auf den Ton kommt es an

Das Zusammenspiel sei sowohl in der Musik als auch in der Politik essentiell, sagte Markwalder. Musik und Politik hätten vieles gemeinsam. Es gelte den richtigen Ton zu treffen, aufeinander zu hören, taktvoll zu sein und Disharmonien zu korrigieren. «C'est le ton qui fait la musique - c'est le ton qui fait la politique!»

Markwalder dankte dem Rat für das Vertrauen. Sie werte es als grosse Ehre, im ersten Jahr der 50. Legislatur den Nationalrat präsidieren zu dürfen. Die Legislatur werde dem Parlament viel abverlangen, sagte Marktwalder mit Verweis auf die anstehenden Reformprojekte.

Geregelte Beziehungen zur EU

Aussenpolitisch gelte es, wieder geregelte Beziehungen zur EU herzustellen und gemeinsam Antworten auf die Migrationsströme und die schrecklichen Terrorismusattacken zu finden. «Aussen- und Innenpolitik lassen sich in unserer vernetzten Welt nicht mehr explizit trennen, sie sind interdependent», sagte die neue Ratspräsidentin.

Die Antwort auf die Terroranschläge könne nur die Verteidigung der schweizerischen und zugleich europäischen Werthaltungen sein - «selbst wenn sie en détail differieren, im Grundsatz können und müssen wir alle dafür einstehen».

Verfassungsprinzipien respektieren

In ihrer Rede vor dem Nationalrat rief Markwalder auch dazu auf, die Verfassungsprinzipien zu respektieren, darunter das Prinzip der Rechtsgleichheit und das Gebot der Verhältnismässigkeit. Diese Prinzipien seien nicht nur durch den Gesetzgeber einzuhalten, sondern auch bei der Formulierung von Volksinitiativen.

«Unsere Verfassungsprinzipien, die Europäische Menschenrechtskonvention und das Völkerrecht sind Grundpfeiler unseres Rechtsstaats und sichern den Bürgerinnen und Bürgern Rechtsschutz und dienen der Rechtssicherheit», sagte Markwalder.

Nicht immer auf Parteilinie

Das Ratspräsidium übernimmt sie zu Beginn ihrer vierten Legislatur. Sie war bereits 2003 in den Nationalrat gewählt worden, im Alter von 28 Jahren. Erfahrungen gesammelt hatte sie zuvor in der Legislative der Gemeinde Burgdorf und des Kantons Bern.

Markwalder gilt als weltoffene Freisinnige. Zuweilen weicht sie von der Parteilinie ab, etwa in der Energiepolitik. In gesellschaftspolitischen Fragen gehört sie dem linken Flügel ihrer Partei an. Beruflich ist die Juristin für die Zurich Versicherung tätig. Ihr Präsidialjahr stellt sie unter das Motto «Respekt».

Eher schlechtes Resultat

Mit 159 Stimmen erreichte Christa Markwalder ein vergleichsweise schlechtes Resultat. Ihr Vorgänger Stéphane Rossini (SP/VS) war mit 170 Stimmen gewählt worden, Ruedi Lustenberger (CVP/LU) ein Jahr vorher mit 175 Stimmen. Die sogenannte Kasachstan-Affäre, die im Sommer für Schlagzeilen gesorgt hatte, könnte Markwalder ein paar Stimmen gekostet haben. 14 Stimmzettel waren leer, 12 Stimmen gingen an FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen.

Markwalder hatte Unterlagen aus der Aussenpolitischen Kommission an eine Lobbyistin weitergegeben. Zudem reichte sie eine Interpellation zu Kasachstan ein, auf deren Wortlaut eine Lobbyistin und eine kasachische Partei Einfluss genommen hatten. Dass Ähnliches im Bundeshaus keine Seltenheit ist, war weitgehend unbestritten. Der Fall hatte denn auch keine Konsequenzen für Markwalder. Er diente jedoch als Beispiel für den Einfluss von Lobbyisten und löste eine Debatte darüber aus. (sda)

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