Islamischer Staat (IS)
Syrien

IS-Tötungsvideos zeigen oder nicht zeigen? Um diese Frage ringen «Blick», «Tagi» und «Spiegel» – und kommen zu unterschiedlichen Schlüssen

James Foley und Steven Sotloff

IS-Tötungsvideos zeigen oder nicht zeigen? Um diese Frage ringen «Blick», «Tagi» und «Spiegel» – und kommen zu unterschiedlichen Schlüssen

04.09.2014, 08:1005.09.2014, 06:16
Kian Ramezani
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Zum zweiten Mal innert zwei Wochen hat die Terrorgruppe Islamischer Staat eine westliche Geisel getötet und ein Video der Hinrichtung veröffentlicht. Während die Bilder von der Enthauptung James Foleys um die Welt gingen, ist bei Steven Sotloff auf vielen Redaktionen deutliche Zurückhaltung spürbar.

Steven Sotloff.
Steven Sotloff.Bild: reuters

Was spricht für, was gegen eine Veröffentlichung? Die Frage stellt sich nach jeder Hinrichtung mit neuer Dringlichkeit. Machen sich Medien, welche die Bilder der Opfer/Täter zeigen, zum Propagandagehilfen der Terroristen? Oder besteht ein Informationsgebot, diese Verbrechen in ihrer Grausamkeit zu dokumentieren?

Wie schwierig diese Fragen zu beantworten sind, zeigt auch der Umstand, dass Redaktionen sie sehr unterschiedlich beantworten.

Der Blick hat sich entschieden, unverpixelte Ausschnitte aus dem Video zu zeigen. Dazu Ringier-Sprecherin Danja Spring: «Das Video wurde von der ‹Blick›-Redaktion erst nach intensiver Diskussion online geschaltet. Den Entscheid traf die Chefredaktion. Diese hat sich zur Publikation entschieden, weil sie den gezeigten Inhalt als zumutbar taxiert. Wichtig war dabei insbesondere, dass die vermutete Tötung weder zu sehen ist, noch angedeutet wird. Unerlässlich war für uns auch die textliche Einbettung des Videos, dass also explizit erklärt wird, dass das Opfer gezwungen wurde, diese Aussagen zu machen.»

«Das Video wurde von der ‹Blick›-Redaktion erst nach intensiver Diskussion online geschaltet.»
Danja Spring, Sprecherin Ringier

20 Minuten zeigt ein verpixeltes Bild Sotloffs, das dem Ende des Tötungsvideos von James Foley entnommen wurde. Eine spätere Publikation des Videos will Gaudenz Looser, Mitglied der Chefredaktion, nicht ausschliessen: «Die Befriedigung voyeuristischer Triebe kann für uns kein Grund sein, das Video zu zeigen. Genausowenig führt aber die Argumentationslinie ‹denen keine Plattform bieten› automatisch zum Entscheid, es nicht zu publizieren.» Man entscheide «fallbezogen».

Res Strehle, Chefredaktor Tages-Anzeiger: «Es ist eine Gratwanderung zwischen Unterstützung der IS-Propaganda und dem Bedürfnis nach Dokumentation. Wir haben uns entschieden, das Bild aus dokumentarischen Gründen zu zeigen. Da es sich um ein Opferbild handelt, haben wir das Bild jedoch verpixelt.»

«Wir haben uns entschieden, das Bild aus dokumentarischen Gründen zu zeigen.»
Res Strehle, Chefredaktor «Tages-Anzeiger»
James Foley.
James Foley.Bild: Steven Senne/AP/KEYSTONE

Spiegel Online verzichtet gänzlich auf Bilder aus dem Tötungsvideo und sendet stattdessen die Reaktion von US-Präsident Obama. «Wir zeigen keine Bewegtbild-Passagen oder Fotos aus dem neuen IS-Video zur Enthauptung von Steven Sotloff. Diese Bilder zu bringen, wäre nur Propaganda für den IS», erklärt Matthias Streitz, geschäftsführender Redaktor. «Das haben wir schon beim früheren Fall Foley so entschieden und gehandhabt.»

Diese Auffassung teilen viele Journalisten und ermuntern unter dem Hashtag #ISISmediaBlackout Benutzer von sozialen Medien, die Bilder nicht zu sharen. So auch Dirk Liedtke vom deutschen Magazin «Stern»:

Auch in den USA, der Heimat Foleys und Sotloffs, gehen die Medien sehr unterschiedlich mit den Bildern um, wie sich am Beispiel der beiden Leitmedien des Landes zeigt: Die Washington Post veröffentlicht lediglich Archivbilder des Journalisten, die New York Times hingegen ein unverpixeltes Standbild aus dem Tötungsvideo.

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watson hat entschieden, fortan konsequent auf die Veröffentlichung von Bildern aus IS-Tötungsvideos zu verzichten. 
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