Luca Cunti – das heikelste ZSC-Transfergeschäft seit Jahren
Nur wenige Spieler haben das Potenzial um unsere Hockeylandkarte zumindest ein bisschen zu verändern. Zu diesen aussergewöhnlichen Spielern gehört Luca Cunti. Er ist an einem guten Abend der beste Schweizer Center. Ein wunderbarer, eleganter Läufer. Ein Spielmacher mit einem Hauch von Genie und ein cooler Vollstrecker.
Für unser WM-Silberteam von 2013 buchte er in 10 Partien fünf Punkte und in seiner besten NLA-Saison (2013/14) fast einen Punkt pro Spiel. Mit 27 Jahren steht er im besten Alter. Ja, es ist sogar möglich, dass er sein Leistungszenit noch gar nicht erreicht hat.
Ein faszinierender, charismatischer Stürmer. Mal launischer Schillerfalter, mal der beste Spieler der Liga. Ein Künstler halt. Albert Anker hat ja zwischen September und April auch nicht jede Woche drei Bilder gemalt. Diese Saison ist der Neffe von Arosa- und SCB-Legende Pietro Cunti bei 22 Einsätzen noch nicht über acht Punkte hinausgekommen. Er spielt in den Planspielen der ZSC Lions keine zentrale Rolle mehr – und sein Vertrag läuft aus.
Bescheidenes Angebot von unter 300'000?
Sportchef Edgar Salis sagt, er werde das Gespräch während der Länderspielpause im Dezember suchen. Mehr gebe es nicht zu sagen. Und ZSC-Manager Peter Zahner, der bei Grundsatzentscheidungen um einen so publikumswirksamen Spieler mitreden wird, mag auf eine entsprechende Nachfrage auch nicht bestätigen, dass Luca Cunti ein neuer Vertrag offeriert wird. Was wohl heisst: wenn es überhaupt eine Offerte gibt, dann nur noch zu bescheidenen Konditionen. Womöglich gar eine unter 300'000 Franken. Das Agenten-Duo «Roly & Georges» wird empört sein.
Ein Chronist wird gar freundlich gebeten, doch jetzt nichts zum «Fall Cunti» zu publizieren und die Sache nicht aufzubauschen. Was uns zeigt: Es handelt sich hier um das heikelste ZSC-Transfergeschäft seit Jahren.
Preistreiber und Vertrags-Pokerspieler
Ein Center mit diesem enormen, wahrscheinlich nach wie vor nicht ganz ausgeschöpften Potenzial, der bei einem Titanen wie den ZSC Lions keine Schlüsselrolle mehr spielt, ist ein Glücksfall für die «Kleinen». Die Zürcher könnten zwar seinen Abgang verschmerzen. Aber was, wenn Luca Cunti dann bei der Konkurrenz auf einmal zum Tanz aufspielt?
Luca Cuntis kanadischer Agent Roly Thompson und sein helvetischer Partner Georges Müller, ein Rechtsanwalt aus Zürich, haben als Preistreiber und Vertrags-Pokerspieler längst Kultstatus. Georges Müller beruhigt: «Alles ist offen, wir lassen uns nicht stressen und wir schauen uns die ganze Situation mal ganz gemütlich an. Ich ziehe das Jassen sowieso dem Pokern vor.»
Biel und Lausanne stehen bereit
Schauen wir also, wo «Roly & Georges» einen Vertrag ausjassen (nicht herauspokern) können. Wenn die ZSC Lions tatsächlich aus den Verhandlungen aussteigen sollten (was inzwischen nicht mehr auszuschliessen ist), gibt es zwei besonders reizvolle Optionen.
- Lausanne wird am meisten Geld offerieren. Die neuen kanadischen Besitzer (die zuvor beinahe Kloten ruiniert haben) werden bereit sein, mehr als 400'000 Franken Jahreslohn zu bezahlen. Lausanne hatte bereits Gaëtan Haas beträchtlich mehr geboten als der SC Bern (knapp sechsstellig!) – doch das Jahrzehnt-Talent aus Biel hat trotzdem beim SCB unterschrieben. Lausannes Sportchef Jan Alston ist es nach wie vor nicht gelungen, seit dem Wiederaufstieg einen wirklich grossen Schweizer Transfer zu machen. Der SCB ist halt immer noch in jeder Beziehung die bessere Adresse als der HC Lausanne.
- Biels Sportchef Martin Steinegger gesteht: «Ich bin ein Fan von Luca Cunti. Ja, wir sind interessiert.». Wenn einer die Qualitäten des ZSC-Centers beurteilen kann, dann wohl der ehemalige Verteidiger. Luca Cunti wäre für die Bieler eine einmalige Chance, erstens Gaëtan Haas (wechselt nächste Saison zum SC Bern) zu ersetzen und zweitens in der spielerischen Entwicklung einen Schritt weiterzukommen. Er könnte hier ein «franchise player» werden – also ein Spieler, der ein Hockeyunternehmen auf und neben dem Eis besser macht. Es gibt sogar hochrangige ZSC-Würdenträger, die im kleinen Kreis sagen, Biel wäre für Luca Cunti die beste Lösung für die Neulancierung der Karriere. Aber Biel wird finanziell mit Lausanne nicht mithalten können.
Der SC Bern ist zwar auch an Luca Cunti interessiert. Aber der Transfer von Gaëtan Haas ist so teuer, dass Sportchef Alex Chatelain aus dem «Cunti-Handel» verabschieden wird, wenn Martin Plüss verlängert. Für die SCL Tigers wäre Luca Cunti ein Jahrhundert-Transfer – aber die Langnauer werden finanziell weder mit Lausanne noch mit Biel mithalten können. Und Lugano? Der HC Lugano ist nicht der perfekte Klub für die Neulancierung einer Karriere. Die Zustände dort spotten zurzeit jeder spitzensportlichen Beschreibung.
Bob Hartley rettete einst die Karriere Cuntis
Der «Fall Cunti» ist mit Abstand die interessanteste Vertrags- und Transferstory des Dezembers. Und es ist auch eine ganz besondere Geschichte über einen Spieler, dessen Potenzial während langer Zeit verkannt worden ist.
Nach seiner Rückkehr aus Nordamerika (wo er in der Saison 2007/08 erfolgreich in der höchsten US-Juniorenliga USHL spielte) wurde er sowohl in Biel als auch in Bern, Langnau und Zürich als untauglich für die NLA taxiert.
Nachdem ihm die Langnauer im Frühjahr 2010 keinen neuen Vertrag gaben (er hatte nur zwölf Spiele bestritten) schien diese Karriere in der NLB bei den GCK Lions auszuklingen (42 NLB-Spiele/32 Punkte in der Saison 2010/11).
Doch dann wurde er im Spätsommer 2011 beim traditionellen Vorsaisonspiel zwischen den GCK Lions und den ZSC Lions von ZSC-Trainer Bob Hartley entdeckt. Der kanadische NHL-General sah Luca Cunti, erkannte sofort dessen enormes Talent und bestand gegen alle Ratschläge und Widerstände darauf, diesen Spieler in die NLA-Mannschaft zu holen – und setzte sich durch. Im Frühjahr 2012 war Luca Cunti mit den ZSC Lions Meister und ein Jahr später WM-Silberheld. 2014 stürmte er beim Olympia- und beim WM-Turnier. Doch seither hat er keine WM mehr bestritten.
Der ZSC-Trainer heisst halt nicht mehr Bob Hartley.