«Wählen Sie alle Bilder mit Fahrrädern aus und klicken Sie anschliessend auf ‹Bestätigen›» ist knapp gefolgt von «Sie haben eine neue Nachricht von ihrem Steuerberater» mein persönlicher Horrorsatz.
Egal, ob ich meine E-Mails vom Uni-Mailserver abrufen möchte oder ein «authentisches» Stockfoto von einer Banane für einen Artikel brauche: kostenlose Internetservices möchten das von ihnen abhängige Volk frotzeln und haben keine Scheu, dafür ein ästhetisch anspruchsloses Neuner-Quadrat aus verpixelten Überwachungskameraaufnahmen einzusetzen.
Sehen wir für einen Moment genauer hin:
Links oben (Kachel 1) ist ein Autoausschnitt zu sehen, daneben (Kachel 2) ein Fahrradständer, daneben wiederum eine Leitplanke (Kachel 3), darunter ein Fahrrad (Kachel 6), darunter eine Fahrradfahrerin (Kachel 9) und der Rest der trostlosen Bilderkulisse (Kachel 4, 5, 7, 8) besteht aus Ampeln und dreckigen Windschutzscheiben.
Ich klicke brav alle Fahrräder an, und schwupps, werden sie mit weiteren Überwachungskamerafotos ersetzt, auf denen weitere Fahrradfahrer zu sehen sind. Sechs mal musste ich bis zum Endgegner klicken, insgesamt zehn Sekunden meiner Lebenszeit hat reCaptcha heute schon gestohlen.
Wenn man bedenkt, dass ich mich fast jeden Tag auf einer ominösen Seite einloggen oder Online-Formulare ausfüllen muss, sind das pro Woche locker zwei Minuten, die ich mit den Anklicken von Bildchen verbringe. Die Male, in denen ich mich verklickt habe, demnach als Maschine galt und somit Zugriff auf Seiten verwehrt bekommen habe, mal ausgenommen.
Ich hasse Captchas. Käääptschazzzz. Sagt man das überhaupt so? Eine Abkürzung, die übrigens für «Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart» steht. «Wählen Sie alle passenden Bilder aus», befiehlt mir die Maschine. «Ich habe doch alle passenden Bilder ausgewählt?», maule ich zurück. Sogar die, auf denen das Fahrzeug nur wenige Millimeter zu erkennen war! Nimm das!
Der Sinn von Captchas? Sie sollen Webseiten vor Spam und Missbrauch schützen und verhindern, dass automatisierte Software missbräuchliche Aktivitäten ausführt. Klassische Captchas bestehen aus zufällig angeordneten Ziffern und Buchstaben, die uns angezeigt werden. Die Captchas sind für Menschen relativ leicht zu lesen, für Computer ist das meist unmöglich, da Buchstaben und Zahlen so verzerrt dargestellt werden, dass Systeme sie nicht auslesen können.
Wenn der Test bei der Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine helfen soll, bin ich dann ein minderbemittelter Cyborg?
Woher soll ich denn bitte wissen, ob dieser gottverdammte Pixel eine Palme ist oder nicht, wenn das Foto derart vergrössert wurde, dass es sich auch um ein Fussballfeld handeln könnte?
Besonders Captchas, auf denen man bestimmte Symbole anklicken muss und somit «menschliche Intelligenz» beweist, bringen mich regelmässig in Versuchung, mein Smartphone durch den Raum zu schleudern. Leider gilt ein hoher Blutdruck nicht als Beweis meiner Lebendigkeit.
Captchas sind nicht nur nervig, sie sind auch demütigend. Sie sind eines von vielen ersten Anzeichen dafür, dass uns Maschinen schon bald als Haussklaven halten werden – und niemanden interessiert es! Obwohl ich der Mensch bin, sagt mir die Maschine, dass ich kein Mensch bin.
Ich glaube, es hackt. Kostenlose Arbeit, überall. Und wenn ich dabei scheitere, werde ich nicht einmal gefeuert.
Was sagst du eigentlich dazu, Luis von Ahn, wo du doch 2007 an der Erfindung des reCAPTCHA-Verfahrens mitgewerkelt hast, um Wörter, die die Texterkennungssoftware zur Buch-Digitalisierung nicht erkennt, zu optimieren?
Viele Millionen Menschen beteiligen sich jeden Tag an dem Projekt, ohne die genaue Absicht des Projekts zu kennen, und stellen ihre Leistung zur Verfügung. Ein perfektes Match im Kapitalismus.
Wenn Google nach der Bewegung des Mauszeigers zum Klick auf das Kontrollhäkchen geht, um Mensch von Bot zu unterscheiden, warum muss ich danach immer noch Bildchen anklicken? Klicke ich zu schnell auf das «Ich bin kein Roboter»-Feld? Bin ich einfach zu schnell für dieses Internet? Schliesslich bekomme ich jedes. einzelne. mal. ein zusätzliches Captcha in Form eines Bilderrätsels nachgeschaltet.
Fragen über Fragen über Fragen. Ganz ehrlich: Da lösche ich lieber den SPAM-Ordner. Ein Klick – und schon ist es weg.
Captcha, meiner Meinung nach ist bei dir noch Potenzial nach oben! Bis es soweit ist, arbeite ich an meiner Frustrationstoleranz.
Die stellst du garantiert bald wieder auf die Probe.