Für grosse Solar-Freiflächenanlagen, die mindestens 10 Gigawattstunden produzieren, gelten bis 2025 neue Regeln. Sie brauchen weder eine Planungs- noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine einfache Baubewilligung genügt. Das entschied der Ständerat gestern bei der Offensive für Solaranlagen einstimmig in einem dringlichen Bundesbeschluss.
«Handeln ist das Gebot der Stunde», sagte Mitte-Ständerat Othmar Reichmuth (SZ). FDP-Ständerat Ruedi Noser (ZH) hielt fest, man müsse der Bevölkerung Zuversicht geben, «dass wir in der Lage sind, unsere Probleme zu lösen». Selbst Bundesrätin Simonetta Sommaruga begrüsste das Vorgehen – mit dem Vorbehalt, dass es ein «Ausnahmefall» bleiben müsse.
Der neue Artikel 71 a im Energiegesetz zur Solar-Offensive könne «echte Beschleunigung» bringen, sagte die Umweltministerin. Das sei «eine gute Nachricht» für die Versorgungssicherheit.
Der Ständerat modifizierte die Vorlage seiner Kommission leicht. So schloss er Moorlandschaften einstimmig aus. Er hielt auch fest, dass die Solaranlagen ersatzlos zurückgebaut werden müssen, sobald sie ausser Betrieb genommen werden. Beide Anträge hatte Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen (UR) eingebracht.
Recherchen zeigen nun, dass die Umweltkommission (Urek) des Nationalrats deutlich stärker nachbessern will. Hinter den Kulissen laufen zurzeit Gespräche dazu. Mehrere Parlamentarier bestätigen, dass folgendes Vorgehen in Vordergrund steht: Man will für den Bau von Solar-Grossanlagen Biotope von nationaler Bedeutung genauso ausschliessen wie Landschaften des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) und Fruchtfolgeflächen.
«Es zeichnet sich eine grosse Mehrheit ab für einen solchen Kompromiss», sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD). «Wir brauchen Fortschritte, weil wir sonst ganze Eisenbahnwagen voller Öl verbrennen, um Strom zu produzieren. Der Ständerat geht zwar absolut in die richtige Richtung, aber ein bisschen zu grobkörnig.» Deshalb brauche es noch «Feinschliff». Nordmann: «Das Gesetz darf sich nicht gegen die Bauern und die Natur wenden.»
Fruchtfolgeflächen seien zwar kaum Thema für den Bau von Solar-Grossanlagen. Diese kämen vor allem in Gebieten über 1000 Metern zustande. «Sicherheitshalber wollen wir hier aber einen Riegel schieben», sagt Nordmann.
Auch FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (AG) bestätigt die Bestrebungen. «Unter Mitglieder der Umweltkommission des Nationalrates wird derzeit heftig diskutiert, Biotope von nationaler Bedeutung, das Bundesinventar für Landschaften und Naturdenkmäler und Fruchtfolgeflächen auszuschliessen.» Es herrsche «ein Hyperaktivismus» im Zusammenhang mit den Solar-Grossprojekten», stellt Jauslin fest.
Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder (LU) betont, sie stehe «voll» hinter diesen Bestrebungen. «Es geht darum, den Menschen die Angst zu nehmen, dass produktive Flächen oder Schutzgebiete für diese Offensive genutzt werden.»
Das sei umso wichtiger, als der Ständerat die Mindestproduktion für solche Projekte von 20 auf 10 Gigawattstunden gesenkt habe. «Es gibt bei den Bauern gewisse Ängste», sagt sie, «dass ein reicher Investor Land kauft und sich mit einem Photovoltaik-Grossprojekt eine goldene Nase verdient.»
Auch Grünen-Nationalrat Bastien Girod hält fest, man müsse nun «Klarheit schaffen». Es gebe genug Flächen ausserhalb des BLN und der Biotope.
Es sei «wahrscheinlich», dass der Ständerat auf einen «guten Kompromiss» einschwenke, glaubt SP-Fraktionschef Nordmann. Schliesslich gehe es um die Sache. Jauslin hält es für denkbar, dass ein Antrag von Ständerätin Z’graggen zur Brücke von National- und Ständerat werden könnte.
Sie schlug vor, dass bei einer Nutzung von Biotopen und Landschaften von nationaler Bedeutung «grösstmögliche Schonung» und «angemessene Ersatzmassnahmen» gewährleistet sein müssten. Ein Ansinnen, das der Ständerat mit 17:24 Stimmen ablehnte.