Im Dezember 2016 fällt Oltens längst gefeuerter Sportchef Jakob Kölliker wie ein Anfänger auf ein schlaues Vertrags-Pokerspiel herein.
Seit die Langenthaler den Oltnern 2011 die beiden Kult-Kanadier Jeff Campbell (heute Langenthals Trainer) und Brent Kelly ausgespannt haben, leiden die Solothurner unter einem tiefsitzenden «Langenthal-Trauma».
Als im Dezember 2016 gezielt das Gerücht gestreut wird, Langenthal sei daran, Marco Truttmann zu verpflichten – damals der beste Schweizer Skorer der Liga – gerät der Sportchef in Panik und die Oltner Klubgeneräle verlieren die Nerven. Marco Truttmann hat vier Saisons hintereinander für Olten mehr als einen Punkt pro Spiel gebucht. Nun darf ganz einfach nicht auch noch er nach Langenthal zügeln.
Also bekommt der ehemalige Zuger Junior den höchstdotierten Vertrag der Klubgeschichte: drei Jahre bis und mit der Saison 2019/20, dotiert mit ziemlich genau 190'000 Franken fix pro Saison. Marco Truttmann dürfte nach wie vor einer der bestbezahlten, wenn nicht gar der bestbezahlte Schweizer Stürmer in der zweithöchsten Liga sein.
Aber Geld und Geist kommen nicht so recht zusammen. Marco Truttmann ist mit diesem Vertrag nie ganz glücklich geworden – und der EHC Olten auch nicht. Der heute 34-jährige Innerschweizer ist zwar topfit, motiviert, pflegt einen einwandfreien, seriösen Lebenswandel und hat sich nichts zuschulden kommen lassen, was eine Vertragsauflösung nach sich ziehen könnte. Aber nach 11 Spielen (4 Tore, 5 Assists) ist die Saison für ihn trotzdem schon zu Ende gegangen.
Er trainiert zwar mit der Mannschaft. Aber zum Spiel wird er nicht mehr aufgeboten. Noch nie sass in der Swiss League ein so guter und so teurer Spieler untätig auf der Tribüne. Ohne Aussicht auf eine Rückkehr ins Team.
Was ist passiert? Der «Fall Truttmann» ist komplex. Eine Schuldzuweisung wäre unfair. Marco Truttmann ist kein einfacher Spieler. Wie so viele schlaue Skorer. Er hat einen hohen «Pflegebedarf». Sein Ego bedarf also intensiver Hege und Pflege.
Nicht jeder Trainer und nicht jeder Sportchef ist ein geduldiger, sensibler «Ego-Gärtner». Am Ende des Tages ist Eishockey ein Mannschaftsport. Soll die Chemie stimmen und die Taktik funktionieren, dann dürfen einem einzelnen Spieler nicht zu viele spielerische und taktische Extravaganzen erlaubt werden.
Der neue Trainer Fredrik Söderström ist kein «Ego-Gärtner» und Sportchef Marc Grieder auch nicht. Inzwischen melden die Vertrauensleute, dass Oltens schwedischer Bandengeneral mit Marco Truttmann nicht mehr spricht. Er lässt ihn nicht mehr spielen und denke auch nicht daran, ihn künftig spielen zu lassen. Marco Truttmann hat ein «Sprechverbot», an das er sich logischerweise hält. Er will ja seinen hoch dotierten Vertrag nicht gefährden.
Patrick Reber, Oltens kluger, erfahrener Geschäftsführer vermeidet jede Polemik in der Sache und sagt lediglich: «Die Mannschaftsaufstellung ist ausschliesslich Sache des Trainers. Da mische ich mich nicht ein.» Ihm wäre am liebsten, wenn die ganze Angelegenheit nicht in der Öffentlichkeit ausgebreitet würde.
Das ist aber bei einem Spieler nicht möglich, der 190'000 pro Saison bei einem Klub verdient, der in der letzten Saison 400'000 Franken Verlust eingefahren hat. Und diese Saison bisher die hohen sportlichen Erwartungen nicht erfüllt hat und im Vergleich zur letzten Saison einen Zuschauerrückgang von 3308 auf 2633 pro Spiel zu verzeichnen hat.
Wie heikel der Fall ist, zeigt eine Episode: kürzlich trafen sich Geschäftsführer Patrick Reber, Marco Truttmann und dessen Anwalt zu einer Besprechung in der Autobahnraststätte Würenlos («Fressbalken»), fast 50 Kilometer von Olten entfernt. In der Hoffnung auf Diskretion. Eine Sitzung irgendwo in Olten wäre nicht geheim zu halten und würde die Gerüchteküche befeuern. Immerhin ist bei der Sitzung eine Art «Burgfrieden» geschlossen worden: beide Seiten haben versprochen, auf rechtliche Schritte (und unnötige Kosten) zu verzichten.
Was nun? Marco Truttmann möchte weg. Verständlich. Olten möchte ihn los werden, aber nicht bei einem Liga-Konkurrenten sehen. Auch verständlich.
Die Ausgangslage ist, wie Gewährsleute übereinstimmend berichten, inzwischen ungefähr so: Marco Truttmann wäre bereit, auf die Hälfte seines Jahresgehalts zu verzichten, wenn er sofort gehen kann, wohin er will. Die Oltner wollen ihn bei einer solchen Freigabe aber nur noch 15 Prozent des Jahresgehalts auszahlen. Was wiederum dem Spieler doch etwas wenig scheint.
Die Oltner möchten Marco Truttmann lieber bei einem Partnerteam in der MySports League einsetzen (Basel? Seewen? Düdingen?). Aber er lehnt ab. Sein Vertrag ist wasserdicht. Die Oltner können ihn nicht gegen seinen Willen in eine tiefere Liga abschieben. Der vom Spielbetrieb ausgeschlossene Stürmer kann, da er sich nichts Justiziables hat zuschulden kommen lassen, den Vertrag auch einfach bis Saisonende aussitzen. Aber ein Spieler will spielen. Nicht aussitzen.
Nun gibt es einen neuen Lösungsansatz: am Mittwoch ist «Hockey Huttwil» in der MySports League – kein Partner-Team der Oltner – durch eine 2:6-Pleite gegen Wiki-Münsingen noch tiefer in die Krise und auf den zweitletzten Platz abgerutscht.
Sowohl Trainer Andreas Beutler als auch Präsident Heinz Krähenbühl wären bereit, das «Experiment Truttmann» auf der Basis einer erst einmal befristeten Ausleihe zu wagen und auch eine Leihgebühr zu bezahlen. «Er würde uns viel bringen», ist Beutler überzeugt. «Ich setzte mich mit Patrick Reber in Verbindung», sagt der Präsident.
Ob es schliesslich zu dieser Lösung kommen wird, ist ungewiss. Die Fronten sind verständlicherweise verhärtet. Obwohl jene Oltner, die den Wahnsinns-Vertrag mit Marco Truttmann zu verantworten haben, nicht mehr in Amt, Würde, Lohn und Brot sind, geht es auch darum, das Gesicht zu wahren.
Olten ist im guten Sinne Hockey-Town. Gerade weil die Oltner das Eishockey-Geschäft mit so viel Leidenschaft betreiben, werden sie oft das Opfer ihrer Emotionen. Das ist einer der Gründe, warum sie die Rückkehr in die höchste Liga nach wie vor nicht geschafft haben.
So gesehen ist Olten auf eine sympathische Art und Weise ein wenig das Lugano der Swiss League. Bloss ohne Milliardär als Mäzen.
Es bleibt nur die Schlussbemerkung: Hockey-Olten wie es rockt und rollt, lacht und singt. Affaire à suivre.
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