Samsung lässt nicht locker und will faltbaren Smartphones zum Durchbruch verhelfen. Doch dafür muss die zweite Generation deutlich besser sein als das Pioniermodell, das mit seinem extrem hohen Preis von 2100 Franken und technischen Unzulänglichkeiten die Kunden vergraulte. Eine Schutzschicht über dem Faltdisplay konnte bei den ersten Modellen zu leicht abgezogen werden, was zu einer Beschädigung des Displays führte. Samsung musste daher den für Frühling 2019 geplanten Marktstart um mehrere Monate verschieben, bis im Oktober letzten Jahres die verbesserte Verkaufsversion erschien.
Die zweite Generation soll den missglückten Start des Foldables vergessen machen. Ob dieses Mal alles besser ist?
Seit Anfang September kann das Galaxy Z Fold 2 vorbestellt werden und für potenziell Interessierte gibt es gute und schlechte Nachrichten. Bevor wir zu den News kommen noch eine Vorbemerkung: Obwohl es Fold 2 heisst, ist es technisch gesehen bereits die dritte Version, da Samsung insbesondere das Scharnier mehrfach überarbeitet hat.
Das Fold 2 unterscheidet sich vor allem durch ein neu gestaltetes Klapp-Scharnier und einem viel grösseren Front- bzw. Aussen-Display vom Vorgänger.
Mit dem überarbeiteten Scharnier kann das Foldable stufenlos geöffnet bzw. geschlossen werden. Man kann es auch wie einen Mini-Laptop vor sich hinstellen und die obere Display-Hälfte im gewünschten Winkel (zwischen 75 und 115 Grad) positionieren. Das kann beispielsweise für einen Video-Call nützlich sein oder um ein Video zu schauen. Das System erkennt die Art der Nutzung automatisch und passt die Oberfläche entsprechend an – bei einem Video werden beispielsweise in der unteren Display-Hälfte die Bedienelemente eingeblendet, während oben das Video läuft.
Das Scharnier sei zudem so gebaut, dass Staub und unerwünschte Partikel nicht mehr eindringen können, verspricht Samsung. Dies wurde dem ersten Fold zum Verhängnis. Eindringender Schmutz führte rasch zu Display-Schäden.
Wie der Vorgänger ist auch das Fold 2 zusammengeklappt zwar sehr schmal und handlich, aber auch rund doppelt so dick wie normale Smartphones.
Das verbesserte Scharnier ist vielleicht der wichtigste Pluspunkt. Der augenfälligste Vorteil gegenüber der ersten Generation ist aber das grössere Front-Display auf der Aussenseite. Das 6.2 Zoll grosse Amoled-Display erstreckt sich neu fast über die gesamte Vorderseite, wie man es von modernen Smartphones gewohnt ist. Beim ersten Fold war noch ein kleines 4.6-Zoll-Display mit massiven Rändern verbaut.
Mit dem grösseren Display sollte sich das Fold 2 wie ein normales Handy nutzen lassen, zumindest theoretisch. Zwar mag die 6.2-Zoll-Diagonale grosszügig erscheinen, das an sich sehr hochwertige Amoled-Display ist aber im 25:9-Format weiterhin sehr schmal bzw. extrem langgestreckt. Ob es im Alltag wirklich nützlich ist, muss sich erst zeigen.
Nichts zu meckern gibt es bei der Display-Qualität. Samsung lässt sich nicht lumpen und verbaut das aktuell stärkste Gorilla Glass, was es vergleichsweise bruchsicher machen sollte.
Auf der Innenseite liegt das faltbare Haupt-Display (Seitenverhältnis von 4 zu 3,2). Auch hier hat Samsung technisch und optisch nachgebessert: Man bekommt nun ein fast rahmenloses Amoled-Display und auch die beim Vorgänger markante Aussparung für die Kamera ist verschwunden. Mit einer anpassbaren Bildwiederholrate von bis zu 120 Hertz (Hz) ist der Screen technisch auf dem neusten Stand, was vor allem Gamer interessieren dürfte.
Das Falt-Display besteht neu aus einem Glas-Kunststoff-Gemisch, das hoffentlich widerstandsfähiger als das Kunststoff-Display im ersten Fold ist. Wunder sollte man dennoch keine erwarten, da es eben nach wie vor kein richtiges Glas-Display ist. Ein vorinstallierter Bildschirmschutz aus Kunststoff soll das Falt-Display zusätzlich schützen. Der Screen dürfte sich daher weiterhin plastikartig anfühlen und vermutlich sind früher oder später kleine Dellen oder Kratzer zu sehen, da es eben, anders als beim Front-Display, nicht hartes, kratzfestes Glas ist.
Wie nützlich das Falt-Gerät im Alltag ist, hängt massgeblich von der Software ab. Auf dem Fold 2 läuft daher eine von Google und Samsung für Foldables optimierte Android-Version. Diese erlaubt beispielsweise das gleichzeitige Starten und Darstellen mehrerer Apps sowie das Verschieben von Text und Dateien per «Drag and Drop» zwischen Apps (siehe das folgende Gif).
Nebst Google hat auch Microsoft seine Office-Apps für Foldables optimiert. «In Microsoft Outlook bietet es sich zum Beispiel an, den Posteingang auf der linken Seite und aktuelle E-Mails auf der rechten Seite anzuzeigen: Genau so, wie es viele Nutzerinnen und Nutzer von der Desktopanwendung gewohnt sind», schreibt Samsung.
Wie gut das im Alltag funktioniert, muss ein Test zeigen. Das folgende Video vermittelt ab Minute 5:30 einen Eindruck von der Benutzeroberfläche.
Die Südkoreaner arbeiten seit einiger Zeit mit Microsoft zusammen, um ein nahtloses Arbeiten mit Android- und Windows-Geräten zu ermöglichen. Samsung positioniert das 2000 Franken teure Luxus-Foldable denn auch als Multi-Tasking-Maschine für gut betuchte Geschäftsleute, die, so die Vorstellung, auch unterwegs auf dem Smartphone arbeiten wollen.
An Bord ist zudem Samsung DeX. Das heisst, das Fold 2 kann über WLAN mit einem kompatiblen Smart-TV verbunden werden, um beispielsweise in einem Meeting-Raum ohne Laptop eine Präsentation zu zeigen. Auf dem grossen TV-Bildschirm wechselt das Handy in den Desktop-Modus, damit Slides, Tabellen etc. einfacher bzw. PC-ähnlich bearbeitet werden können.
Das Galaxy Z Fold2 5G mit 256 GB Speicher ist ab dem 18. September in den Farben Mystic Black und Mystic Bronze für 1999 Franken (UVP) erhältlich. Damit ist es gerade mal 100 Franken günstiger als die erste Generation. Der unrealistische Traum von einem bezahlbaren Foldable hat sich also vorerst zerschlagen.
Wer bereit ist, 2000 Franken in die Hand zu nehmen, bekommt ein Falt-Smartphone, das sowohl optisch als auch technisch gegenüber der ersten Generation einen kleinen Schritt nach vorne macht. Für den Otto Normalverbraucher bleiben Foldables so aber uninteressant.
Das Fold 2 kann nichts daran ändern, dass derzeit sämtliche Falt-Geräte nur Tech-Enthusiasten mit grossem Geldbeutel ansprechen. Offenbar ist dies auch Samsungs Strategie, da man in diesem Kundensegment eine Chance sieht, ein Luxus-Smartphone mit innovativem Touch an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Denn wenn Geld keine Rolle spielt, sind auch 2000 Franken nicht zu viel. Zudem ist es Stand heute vermutlich gar nicht möglich, ein gutes Foldable für unter 1000 Franken mit Gewinn zu verkaufen, ergo konzentriert man sich vorderhand auf das Luxus-Segment.
Auch wenn das Fold 2 mit seinem Preisschild unmöglich ein Verkaufshit werden kann, wird Samsung mit allergrösster Wahrscheinlichkeit 2021 das nächste Fold bringen – dann vielleicht mit einem Stylus (digital Stift), wie man ihn vom Galaxy Note kennt.
Samsung nennt im Übrigen keine Verkaufszahlen zum bisherigen Fold, verweist aber auf hohe Steigerungsraten. Der Absatz ist demnach vom vierten Quartal 2019 zum ersten Quartal 2020 um «mehr als 70 Prozent» gestiegen und habe im zweiten Quartal 2020 um weitere 30 Prozent zugelegt. Wie immer gilt: Bei anfänglich geringen Verkaufszahlen sind hohe Wachstumsraten besonders einfach zu erzielen.
(oli)