Wohlgeformte Rundungen, wenig Stoff: Westler stehen auf Latina-Frauen. Am besten im weissen Sand vor dem Zuckerhut. Was Männerherzen höherschlagen lässt, hat System. Schön sind sie, die Brasilianerinnen. Und sie tragen ihre Körper freizügig zur Schau. Zwar ist Oben-ohne ein Tabu, doch nicht selten verdecken nur knappe Bikini-Oberteile und String-Tangas, was sich darunter versteckt. Besonders offenbart sich der brasilianische Körperkult nicht nur am Strand, sondern auch am Karneval und in eindeutigen Statistiken.
Wer schön sein will, muss leiden – die Redensart trifft fast kein anderes Land so sehr wie Brasilien. Nicht selten lassen sich die Brasilianerinnen unter dem Messer zurechtschnippeln: Brasilien belegt hinter den USA Rang 2. Nicht nur was die Eingriffe plastischer Chirurgie betreffen, sondern auch, was die Zahl der praktizierenden Schönheitschirurgen im Land angeht.
Zahlen erhebt die weltweite Vereinigung plastischer Chirurgen (Isaps). Die jüngsten stammen von 2011. Weltweit wurden damals rund 6,4 Millionen Schönheitsoperationen durchgeführt. 17 Prozent davon fielen allein auf die USA, 14 auf Brasilien. Zum Vergleich: Die in der Schweiz vorgenommenen Eingriffe kommen auf gerade einmal 0,7 Prozent.
Bei jedem fünften Eingriff wird Fett abgesaugt. Es ist dies der häufigste unter den chirurgischen Schönheitseingriffen. Das ist auch in Brasilien so, gefolgt von Brustvergrösserungen, Bauchdeckenstraffung und Facelifting.
Was auffällt: Die Brasilianer stehen auf runde, wohlgeformte Pos. Im Jahr 2011 wurden fast vier Mal so viele Hintern vergrössert wie in den USA. Brasilien belegt hierbei einen einsamen Spitzenwert im weltweiten Vergleich. Nicht wenige Brasilianerinnen sitzen also auf Silikonkissen, auch wenn immer häufiger körpereigenes Fett gespritzt wird.
So verwundert es nicht, dass der Pionier der plastischen Chirurgie Brasilianer ist: Ivo Pitanguy gilt bis heute als «Michelangelo des Skalpells». Das Schönheitsideal macht in Brasilien aber auch vor den Zähnen nicht Halt: Was in der Schweiz vor allem Kindermäuler schmückt, steckt dort vielen Erwachsenen im Mund. Zahnspangen werden gemeinhin als Zeichen wachsenden Wohlstands angesehen. Viele Brasilianerinnen und Brasilianer, deren Eltern es sich nicht leisten konnten, ihren Kindern eine Zahnstellungskorrektur zu verpassen, holen die teuren Zahnarztbesuche im Erwachsenenalter nach. Wenn sie es sich dank ihrer besserer Ausbildung und entsprechend höheren Löhnen leisten können.
Brasiliens Körperkult kommt nicht von ungefähr. «Es gibt keine hässlichen Menschen. Es gibt nur arme Menschen» – mit diesem Slogan versucht ein brasilianisches Schönheitsstudio Patientinnen anzulocken. Der Körper ist vieler Brasilianerinnen wahres Kapital. Er verspricht sozialen Aufstieg. Das war schon früher so und hat einen traurigen Grund.
Die Gründerzeit der portugiesischen Kolonie im 16. Jahrhundert war geprägt vom Mangel an Menschen, die das riesige Land besiedeln konnten. Portugiesische Auswanderer wurden deshalb ermuntert, sich fortzupflanzen. Unter dem Eindruck der Durchmischung nicht allein unter sich, sondern mit «Eingeborenen» sowie afrikanischen Sklavinnen und deren Abkömmlingen. Historisch gesehen war also für manch eine Frau die Befriedigung der (weissen) Herrenlust eine grosse Chance zum sozialen Aufstieg. Soziologen wie der Brasilianer Gilberto Freyre erkennen darin den Ursprung der Degradierung und sogar des Selbstverständnisses der brasilianischen Frau als Objekt der Begierde.